Kommentar zur Hinrichtung von Navid Afkari im Iran

Schluss mit der Beschwichtigungspolitik

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Mina Ahadi bei einer Protestkundgebung für Navid Afkari am 5. September in Berlin
Mina Ahadi

Vor drei Tagen wurde der politisch engagierte Sportler Navid Afkari im Iran hingerichtet, das Geständnis war unter Folter erzwungen worden. Die Bundesregierung hätte mehr für ihn tun müssen. Für ihn ist es nun zu spät, bei der Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotoudeh gäbe es noch die Möglichkeit, etwas zu unternehmen, bevor sie ihrem Hungerstreik erliegt.

Navid Afkari wurde am 12. September im Iran hingerichtet. Er wurde mit seinen zwei Brüdern Vahid und Habib in Shiraz festgenommen. Sie wurden unter Folter gezwungen zu erklären, dass Navid einen Regimeanhänger auf der Straße umgebracht habe. Am Anfang hatten diese drei Personen keinen Anwalt und keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Zwei Jahre lang hat das Regime die Familie unter Druck gesetzt, so dass sie keinen Kontakt mit Menschen im Iran und der Weltöffentlichkeit aufnehmen und über diese Folter und die Vorbereitung der Hinrichtung sprechen konnten. Navid selbst und seine Familie dachten, man könne mit diesem Regime reden und alles klären, aber vor weniger als einem Monat, als Navid sah, dass alles auf die Hinrichtung hinausläuft, hat er einen Aufruf veröffentlicht und klargestellt, um was es hier geht: "Es gibt in diesem verdammten Fall keinen einzigen Beweis, der zeigt, dass ich schuldig bin. Aber sie wollen uns nicht zuhören. Mir wurde klar, dass sie einen Hals für ihr Seil suchen."

Ja, das ist die bittere Wahrheit. Er hat sich gesagt: Jetzt müssen mich die Weltöffentlichkeit und alle Menschen weltweit hören und helfen, und da es im Iran eine breite Bewegung gegen die Todesstrafe gibt, hat Navids Aufruf eingeschlagen wie eine Bombe. Viele Menschen haben sich beteiligt und in den sozialen Medien war die Hölle los. Wir haben vor einem Monat im Iran gesehen, dass Millionen ihr Nein zur Todesstrafe getwittert haben. Das war ein Referendum gegen den staatlichen Mord im Iran. Navid war Sportler und wir haben auf der ganzen Welt Solidarität mit ihm gesehen, die Weltöffentlichkeit ist aufgestanden und hat gegen diese Todesstrafe protestiert.

Ich stehe indirekt mit Navids Familie in Kontakt und habe gehört, dass er zweimal zum Tode verurteilt wurde – einmal wegen Gotteslästerung und einmal wegen angeblichen Mordes. Seine Brüder wurden auch verurteilt, einer zu 54 Jahren Haft und der andere zu 17 Jahren. Alles wegen ihres Kampfes gegen das Islamische Regime, Beleidigung Chameneis und angeblicher Aktivität gegen Irans Sicherheit. Wie alle wissen, war Navid aktiv gegen das Islamische Regime und hat 2018 an Demonstrationen gegen das Regime in Shiraz teilgenommen. Das islamische Regime hat Navid trotz aller internationalen Appelle hingerichtet.

Laut seiner Mutter wurde sie am Morgen des 12. September angerufen. Der Anrufer habe wissen wollen, wer sie sei; als sie antwortete, dass sie Navids Mutter sei, habe er gesagt: "Wir haben ihn getötet", und aufgelegt. Ja, das ist das islamische Regime im Iran. Obwohl es verboten wurde, haben die Menschen eine Trauerfeier organisiert und Blumen geschickt.

Ich bin sehr empört und traurig und ich denke, die deutsche Regierung sollte mehr tun. Ich war in diesem Monat zweimal in Berlin und hatte gehofft, der Außenminister oder sogar die Bundeskanzlerin würden etwas unternehmen. Was wir gehört haben, ist dieser langweilige Satz: "Wir sind gegen jede Form von Hinrichtung" – das ist alles. Ich bin der Meinung, es muss jetzt Schluss sein mit der Beschwichtigungspolitik mit den Mördern im Iran und wir müssen das iranische Regime nach diesem unmenschlichen Akt politisch boykottieren. Wir sollten die Beamten des Regimes von internationalen Arenen und Reisen verbannen und die Fifa und alle anderen internationalen Institutionen unter Druck setzen.

Für Navid Afkari ist es nun zu spät. Aber für jemand anderen kann man noch etwas tun: Nasrin Sotoudeh ist iranische Menschenrechtlerin und Anwältin und hat Menschen geholfen, die zum Tode verurteilt wurden, besonders für Kinder und Jugendliche setzte sie sich ein. Anfang des Monats wurde sie mit dem Menschenrechtspreis des Deutschen Richterbunds (DRB) geehrt. Vergangenes Jahr hat man sie zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt, ihr werden "Störung der öffentlichen Ordnung" und "sündhaftes Auftreten in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch" angelastet, schreibt der Tagesspiegel.

Aktuell befindet Nasrin sich im Hungerstreik. Aus Protest dagegen, dass politische Gefangene als einzige ausgenommen waren, als Häftlinge wegen der Corona-Infektionsgefahr nach Hause geschickt wurden. Nasrins Gesundheitszustand hat sich nach Angaben ihrer Familie in den vergangenen Tagen rapide verschlechtert. Ihr Mann und ihre zwei Kinder machen sich große Sorgen um sie. Doch noch könnte man sie retten.

Es gibt eine Petition, die die internationale Gemeinschaft zur Verurteilung der Tötung Navid Afkaris aufruft sowie einen politischen und sportlichen Boykott Irans fordert. Darüber hinaus ruft sie zur Beendigung der Hinrichtungen und zur Freilassung aller politischen Gefangenen auf.

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