Offener Brief von Mina Ahadi an den deutschen Außenminister

Forderung nach einer anderen Iran-Politik

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Der deutsche Außenminister Heiko Maas besucht Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas besucht Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif.

Die Menschenrechtsaktivistin Mina Ahadi kritisiert den deutschen Außenminister Heiko Maas für seine zögerliche Haltung, den Iran zu kritisieren. Der hpd veröffentlicht den Offenen Brief in vollem Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Außenminister Maas,

im Spiegel-Interview vom 4. Dezember 2020 haben Sie betont, dass Sie der iranischen Regierung misstrauen und dass die Rückkehr zum bisherigen Atomabkommen nicht ausreichen würde. Sie erklärten auch: "Wir haben klare Erwartungen an Iran: Keine Nuklearwaffen, aber auch kein ballistisches Raketenprogramm, das die ganze Region bedroht. Außerdem muss Iran eine andere Rolle in der Region spielen." Dies ist nun die Politik, zu der Sie nach jahrelangen Kämpfen des iranischen Volkes gegen dieses Tötungs- und Unterdrückungs-Regime und nach Jahren der Kritik der Opposition des islamischen Regimes an Ihrer Politik der Beschwichtigung gegenüber diesem kriminellen Regime gefunden haben.

Sie beklagen nun die zerstörerische Rolle des Regimes in der Region und haben nach vielen Jahren in einem kurzen Nebensatz erwähnt, dass Sie ihm nicht vertrauen. Vielen Dank, dass Sie endlich zu diesem Schluss gekommen sind. Zugleich erkennen Sie aber immer noch dieses Regime an und wollen mit ihm als Regierung des iranischen Volkes verhandeln!

Wie können Sie die Augen verschließen vor zweiundvierzig Jahren Unterdrückung, Mord, Frauenfeindlichkeit und Unmenschlichkeit durch das Regime? Wie können Sie über Menschenrechte sprechen und nicht sehen, was diese Leute der iranischen Bevölkerung angetan haben? Schauen Sie sich nur die jüngsten Verbrechen des Regimes an: Die blutige Unterdrückung der Proteste der Menschen im Jahr 2019 mit mehr als 1.500 Opfern – getötet durch gezielte Schüsse in den Kopf und ins Herz der nach Freiheit dürstenden jungen Menschen. Dieses Regime zeigte nicht einmal Erbarmen mit Kindern. Amnesty International hat Namen und Fotos einiger dieser Opfer veröffentlicht. Das Regime hat Tausende von Menschen verhaftet, die nur auf die Straße gegangen waren, um nach einem besseren Leben, Freiheit und Wohlstand zu rufen. Bisher wurden mehrere dieser Gefangenen hingerichtet.

Sie wissen bestimmt, dass dieses Regime mindestens 800 Personen pro Jahr hinrichtet. Einer der jüngsten Fälle war die Hinrichtung von Navid Afkari, dessen Namen Sie sicher gehört haben! Und Sie wissen bestimmt, dass die kriminellen Revolutionsgarden dieses Regimes vor genau einem Jahr ein ukrainisches Passagier-Flugzeug abgeschossen und alle Passagiere dieser Maschine getötet haben; und sie vertuschen immer noch das gesamte Verbrechen.

Herr Maas, mit dem iranischen Regime in dieser Art zu verhandeln, bedeutet, einem faschistischen Apparat dabei zuzusehen, wie es Massaker insbesondere an den protestierenden, modernen und freiheitsliebenden Menschen begeht. Was ist das für eine diplomatische Logik, die angeblich auf der Einhaltung der Menschenrechte basiert, tatsächlich aber dazu führt, dass Sie am helllichten Tag mit Antisemiten zusammensitzen und mit ihnen einen Deal abschließen, während Sie wissen, dass dieses Regime im Geheimen an der Atombombe bastelt? Sowohl wir als auch Sie wissen, dass es seinen einzigen Überlebensweg in der brutalen Unterdrückung des Volkes und dem Bau der Atombombe sieht. Und Sie haben ganz zu Recht erklärt, dass ihm dabei nicht zu vertrauen ist.

Der einzige Weg zu einer wirklichen Verbesserung der Situation besteht darin, dass die iranische Bevölkerung selbst politische Veränderungen im Land herbeiführt. Es ist daher wichtig, das iranische Regime nicht zusätzlich von außen zu stützen. Gewähren Sie ihm keine künstliche Beatmung und helfen Sie ihm nicht, sich zu etablieren, zu plündern und Blut zu vergießen. Es ist eine moralische Pflicht, dieses Regime politisch und ökonomisch zu boykottieren.

Ein Regime, das verantwortlich für Lügen, Verbrechen, Militäreinsätze in Syrien und das Töten von Oppositionellen auch auf europäischem Boden ist, ein Regime, das der Hisbollah im Libanon und der Hamas sowie den Houthis im Jemen und islamischen Terrororganisationen hilft und Menschen im Irak massakriert, sollte gestürzt werden. Jede Hilfe zur Erhaltung dieses Regimes bedeutet dagegen, den Henkern zu helfen, die jeden Tag im Iran töten, das Volk ins Elend treiben und Millionen von Menschen dazu verurteilen, unter der Armutsgrenze zu leben. In der aktuellen Corona-Krise schaut das Regime einfach dabei zu, wie tägliche Hunderte von Menschen im Iran sterben, weil es selbst das Land ausgeraubt und das Geld gestohlen oder für den Bau religiöser Stätten, für Terroristen-Ausbildung und den Bau von Atombomben ausgegeben hat.

Es ist klar, dass Wirtschaftssanktionen allein keine Lösung sind, aber ein politischer Boykott ist dagegen eine sehr wirksame Maßnahme. Schließen Sie also die Botschaften dieses Regimes und erklären Sie, dass es sich dabei um Vertreter eines mörderischen Regimes handelt. Der Iran und die Welt müssen davon befreit werden.

Sie kennen bestimmt die Reaktion dieser Verbrecher auf solche Worte. Saeed Khatibzadeh, der Sprecher des Außenministeriums des kriminellen islamischen Regimes, sagte am Montag, dem 7. Dezember sinngemäß, dass es unzulässig sei, dass in Europa im Namen "neuer Verhandlungen" der "brutalen Politik des maximalen Drucks" der Trump-Regierung gefolgt wird. Deutschland und andere sollen wissen, dass "das, was unter dem maximalen Druck der USA nicht erreicht wurde, nicht auf andere Weise erreicht werden kann". Schließlich wurde er deutlich, was die wahren Absichten betrifft: Der Iran "verhandelt nicht über seine nationalen Interessen" und sehe "keine Notwendigkeit für erneute Feilschereien" über das Atomabkommen.

Machen Sie sich bewusst: Dies ist der maximale Druck der Islamischen Republik Iran auf die internationale Staatengemeinschaft, um mehr Vorteile zu erhalten. Zum Verhandlungstisch zurückzukehren und mit diesem Regime zu feilschen, bringt der iranischen Zivilgesellschaft dagegen nichts. Es verlängert nur das Leben dieses faschistischen Regimes.

Beenden Sie diese destruktive Politik und erklären Sie, dass Sie die "Islamische Republik Iran" wegen all der Schäden, die sie dem Iran und der Welt zufügt, nicht als Regierung der iranischen Bevölkerung anerkennen. Dies würde den Menschen im Iran tatsächlich helfen, mit dem Regime fertig zu werden und das gesamte Unterdrückungssystem zu stürzen.

"Tod der Diktatur!" und "Die Islamische Republik muss fallen" waren die Haupt-Slogans des iranischen Volkes bei den Demonstrationen der letzten Jahre. Geben wir den Menschen Kraft, gegen den islamischen Faschismus aufzubegehren und eine offene Gesellschaft zu erbauen. Lassen Sie uns gemeinsam die Stimme erheben – für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Mina Ahadi
Köln, 7. Dezember 2020

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