Skeptische Köpfe im Gespräch: Amardeo Sarma

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Amardeo Sarma
Amardeo Sarma

Vom 29. bis 31. Mai findet in Regensburg die "SkepKon", die Jahreskonferenz der Skeptikerorganisation GWUP, statt. Aus diesem Anlass stellt der hpd jede Woche einen Referenten und sein Thema im Interview vor. Heute: Amardeo Sarma.

Amardeo Sarma ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und war über 35 Jahre in der industriellen Forschung in den Bereichen Kommunikation und IT-Sicherheit tätig. Derzeit ist er Geschäftsführer von Scientific Temper. Sarma ist Mitbegründer der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) und des europäischen Dachverbandes für europäische Organisationen der Skeptikerbewegung ECSO (European Council of Skeptical Organisations), Vorstandsmitglied von WePlanet international und WePlanet DACH (vormals Ökomoderne e.V.), Fellow und Mitglied des Executive Council des US-amerikanischen Committee for Skeptical Inquiry (CSI, vormals CSICOP) sowie CSI-Repräsentant in Europa. Im Rahmen dieser ehrenamtlichen Tätigkeit ist seit über 40 Jahren die Auseinandersetzung mit Pseudowissenschaften ein wesentlicher Schwerpunkt. Seit zehn Jahren schreibt und hält er Vorträge zu den Themen Wohlstand, Umwelt und Klima. Er ist außerdem Ehrenpräsident von Trust in Digital Life VZW und Vorstandsmitglied des SDL Forum. In seinem "SkepKon"-Vortrag am Samstag, 31. Mai widmet er sich den Prognosen über die Entwicklung der Weltbevölkerung.

hpd: Worum geht es in dem Vortrag?

Amardeo Sarma: Der Titel lautet "Weltbevölkerung: Kollaps, Wohlstand oder Überalterung?". Noch heute gibt es Warnungen vor einer "Bevölkerungsbombe", die uns alle zugrunde richtet. Sind oder werden wir zu viele? Dieses Desaster sagte Paul Ehrlich noch im 20. Jahrhundert voraus. Viele halten das noch heute für das größte Menschheitsproblem. Stimmt es? Oder tragen gar Menschen zu mehr Wohlstand bei? Oder gibt es das umgekehrte Problem der Überalterung inklusive der Länder Asiens? Der Vortrag gibt einen Einblick in die Komplexität dieser Frage, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Der Vortrag geht auf die gegenseitigen Abhängigkeiten von Bevölkerungszahlen, Technologie-Entwicklung, Bildung, Wohlstand, Altersentwicklungen und Umweltbelastungen ein und wie diese dann unsere Zukunft beeinflussen.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit diesem Thema zu befassen?

Durch den Sterilisationsaktivismus der 1970er Jahre in Indien und China und die Erkenntnis, dass solche Maßnahmen aus falschen Vorstellungen über die Bevölkerungsentwicklung entstanden sind. Die Bevölkerungsentwicklung und ihre Auswirkungen stellten sich ganz anders dar, als wir alle dachten. Das Problem ist, dass viele diese Vorstellungen bis heute nicht korrigiert haben. Wie bei Klima, Energie und Landwirtschaft prägen leider die Extreme die Diskussion und nicht die Realität.

Was ist das Besondere an Ihrem Denkansatz beziehungsweise Ihrer Perspektive auf dieses Thema?

Statt sich auf extreme Narrative zu verlassen, sollte man sich auf Daten und verlässliche Prognosen zu diesen Entwicklungen stützen.

Welche populären Mythen oder Fehlvorstellungen möchten Sie mit Ihrem Vortrag aufdecken?

Zu den populären Mythen gehört, dass die Bevölkerung unkontrolliert und exponentiell wächst und wir zu viele werden, oder dass eine Billion Menschen kein Problem und sogar gut für uns alle sei. Aber auch, dass einzelne "Völker" aussterben würden.

In welchen Punkten sind Sie sich selbst noch unsicher?

Die Prognosen über die Weltbevölkerung werden sich ändern, wenn auch nicht sehr stark.

In welchem Punkt haben Sie unlängst Ihre Einschätzung geändert?

Ich dachte wie viele andere lange, dass die Bevölkerungsexplosion ein Problem mit einem exponentiellen Wachstum sei.

Was ist die praktische oder gesellschaftliche Relevanz des Themas?

Wir sollten uns um die wirklichen Probleme der Menschheit kümmern und die Ziele für nachhaltige Entwicklung angehen, wie sie die Vereinten Nationen in ihrer Agenda 2030 formuliert haben. Der bisherige Aktionismus in Sachen Bevölkerung ist gescheitert und war kontraproduktiv. Allerdings zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass Verbesserungen in Richtung der Nachhaltigkeitsziele auch zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums beitragen.

Hält der Vortrag allgemeine Lektionen für das kritische Denken bereit? Lässt sich zum Beispiel die Wichtigkeit eines bestimmten logischen Grundsatzes hier besonders gut erkennen? Oder gibt es Denkfehler, die man in Ihrem Bereich besonders häufig antrifft?

Sich heute noch an Aussagen von Paul Ehrlich oder des Club of Rome zur Bevölkerungsentwicklung zu orientieren.

Gibt es in Ihrem Bereich Argumentationen und Standpunkte, die Sie zwar nicht teilen, aber aus denen Sie etwas gelernt haben? Wenn ja, welche?

Manche meinen, wir sollten eine Stabilisierung der Weltbevölkerung bei etwa 2 Milliarden anstreben. Darüber kann man diskutieren, sofern ein solcher "besserer" Zustand ohne menschenrechtsverletzende Maßnahmen möglich ist.

Das Motto der "SkepKon" – "Fakten. Mythen. Kontroversen" – deutet an, dass die GWUP gesellschaftliche Kontroversen in den Mittelpunkt rücken will. Unabhängig von Ihrem Vortragsthema: Welche Kontroverse liegt Ihnen besonders am Herzen – und was würden Sie sich hier wünschen?

Hier zitiere ich Carl Sagan: "In Religion oder Politik mag die Unterdrückung von unbequemen Ideen üblich sein, aber sie ist nicht der Pfad zum Wissen, und in der Wissenschaft ist für sie kein Platz. Akzeptierte und konventionelle Ideen sind oft falsch, und grundlegende Einsichten können den am wenigsten erwarteten Quellen entspringen."

Über welche Fragen spricht die skeptische Community zu wenig?

Wir tun immer noch zu wenig, um das kritische Denken von frühester Kindheit an zu fördern, abgesehen von der notwendigen Aufklärung über spezifische Themen.

Hier finden Sie Infos zur SkepKon 2025 und können Tickets bestellen.

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