Sterbehilfe und Hilfe zur Selbsttötung für Patient*innen, die Qualen leiden und ihren Todeswunsch nachhaltig geäußert haben, wird in Spanien seit 1995 nicht mehr als Totschlag gewertet. Unterstützende Ärzt*innen werden nicht mehr mit Gefängnisstrafen bedroht. Doch nun, etwas über 20 Jahre später, ist die Zeit reif für den nächsten Schritt. Gesetzesentwürfe zu Euthanasie und zum Sterben in Würde sind vorbereitet. Während die restlichen Parteien das neue Euthanasie-Gesetz unterstützen, wird es von der christdemokratischen Partei Partido Polpular (PP) abgelehnt, die Ciudadanos-Partei knüpft ihre Zustimmung an Bedingungen.
In Spanien werden Menschen im Schnitt 83,5 Jahre alt. Frauen werden mit durchschnittlich 86,3 Jahren älter als Männer, die im Schnitt nur 80,5 Jahre erleben. Damit liegt Spanien knapp hinter Japan und der Schweiz, wo Menschen noch einige Monate länger leben. Für das Jahr 2040 prognostiziert eine aktuelle Studie des "Lancet" Spanien eine durchschnittliche Lebenserwartung von gar 85 Jahren für beide Geschlechter. Eine Gesellschaft, in der Menschen immer älter werden, entwickelt ein Bewusstsein für Probleme des Alterns, des Schmerzes und der Unbeweglichkeit. Dieses neue Bewusstsein findet derzeit Ausdruck im Gesetzesentwurf zum neuen Euthanasie-Gesetz der sozialistischen Regierung sowie im Ciudadanos-Entwurf zum "Sterben in Würde".
Mit dem neuen Euthanasie-Gesetz würde das Rad nicht neu erfunden, sondern nur weiterentwickelt. So wäre klar umrissen, wer in welchem Fall helfen darf, die medizinische Sterbehilfe wäre nicht mehr unter Strafe gestellt und die Kosten würden vom staatlichen Gesundheitssystem getragen. Eingeschlossen wären in Zukunft auch Menschen, die ihr Leben aus Mangel an Lebensqualität beenden wollen. So zum Beispiel Menschen, denen Multiple Sklerose jede Bewegungsfähigkeit genommen hat. Vom Antrag bis zum ärztlich begleiteten Sterben sollen nur noch 32 Tage maximal und zwei Wochen mindestens vergehen. Die Patient*innen sollen vollumfänglich informiert werden und ihre Entscheidung selbstständig treffen können. Die medizinische Begleitperson muss den Fall zudem mit einer anderen Ärztin bzw. einem anderen Arzt beraten, die oder der nicht zum eigenen Team gehört. Eine umstrittene Kommission soll das letzte Wort haben.
Die Ciudadanos-Partei würde das Euthanasie-Gesetz unterstützen, wenn zunächst ihr Entwurf zum "Sterben in Würde" verabschiedet würde. Nach Ansicht der Partei baue das Euthanasie-Gesetz auf das "Sterben in Würde" auf. Würde doch laut Ciudadanos das "Sterben in Würde"-Gesetz die Regelungen zur Palliativpflege in Spanien vereinheitlichen und eine gute Versorgung unter anderem durch gute Ausbildung an den Universitäten für Medizin, Pflege, Sozialarbeit und Psychologie sicherstellen. Nach Sicht der Ciudadanos-Partei ist eine wirkliche Entscheidung über Euthanasie erst möglich, wenn klar ist, dass gute palliativmedizinische Versorgung vorhanden ist, um Menschen Leid zu ersparen.
Pablo Casado, Vorsitzender der christdemokratischen Partei Partido Popular (PP), erklärte hingegen, dass seine Partei das neue Euthanasie-Gesetz ablehne. Er begründete dies damit, dass es in Bezug auf Sterbehilfe und Hilfe zur Selbsttötung keine Probleme in Spanien gäbe. Damit ignorieren seine Partei und er die Wünsche jener Menschen, die aktuell Hilfe zur Selbsttötung benötigen ebenso wie die Bedenken, die heute gesunde Menschen vor einer potentiellen Zukunft in Schmerz oder massiver Einschränkung haben. Jedoch liegt die Partei damit auf einer Linie mit der katholischen Kirche. Kardinal Ricardo Blázquez, Vorsitzender der Bischofskonferenz, erklärt die Ablehnung der Hilfe zur Selbsttötung und verglich sie mit Abtreibung.
7 Kommentare
Kommentare
David See am Permanenter Link
hopp und weg, so einfach, so sollte es sein!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Nicht verwunderlich, aber inakzeptabel, dass der Pfaffia-Repräsentant da wieder was zu melden hat.
Uli am Permanenter Link
- Wer soll den Antrag stellen, wenn jemand dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, z. B. bei Demenz?
- Ist die Leistung für Privatpatienten und Kassenpatienten gleich, oder gibt es da ein "besseres" Gift?
- Ärzte sollen das Recht haben, aus Gewissensgründen nicht mitzuwirken- also da geht die Großzügigkeit doch wirklich zu weit. Diese Gesellen haben dann wohl überhaupt kein Herz für die armen Menschen - dass es so was gibt...
Eid des Hippokrates: "Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten." Gehört der auch zur Pfaffia? Wahrscheinlich, denn Abtreiben hat er den Ärzten ja auch verboten, dieser widerliche Fundamentalist.
Gabriele Wruck am Permanenter Link
- Bedingung ist, dass man den Antrag bei klarer Funzel stellt. Das ist bei Demenz i.d.R. nicht möglich, deshalb auch keine Bewilligung.
- WER dem Patienten WIE dabei hilft, sein Recht wahrzunehmen, bestimmt der Patient.
- Natrium-Pentobarbital bleibt Natrium-Pentobarbital, auch mit Privatversicherung und neunzig Milliarden im Koffer.
- Diese Großzügigkeit ist umgekehrt bei den GegnerInnen der individuellen Selbstbestimmung bekanntlich nicht ansatzweise so groß. Vielleicht setzen Sie mit Ihrer theatralischen Empörung da mal an.
Ihre romantische Erinnerung an den "Eid des Hippokrates" hat mit der Realität allerdings nicht zwingend was zu tun. Weder muss ein Arzt diesen Eid schwören, noch ist für einen schwerstleidenden Patienten ausschlaggebend, was ein einzelner Arzt vor 2400 Jahren vielleicht mal von sich gegeben hat.
Ich habe vor wenigen Jahren das Thema bei meiner Hausärztin angesprochen.
Sie sagte mir klipp und klar, dass sie Ärztin geworden ist, um Menschen von ihrem Leiden zu befreien. Wenn dies durch Heilung nicht möglich ist, dann durch Schmerzlinderung, und wenn der Patient den damit erreichten Zustand nicht erträgt, empfindet sie es als unterlassene Hilfeleistung und indirekte Nötigung, ihm nicht aus dem Leben helfen zu dürfen.
Diese Einstellung ist der blinden Regeleinhalterei und Nacheiferei weit überlegen. Starrsinnige Empathielosigkeit wird nicht besser, indem man sie mit antiken Äußerungen begründet.
Entweder man ist für dem Menschen da oder man lässt es sein. Wer nur artig sein Handbuch abarbeitet, hat etwas Wesentliches nicht verstanden.
Kay Krause am Permanenter Link
Ach ja, die sogenannten "christdemokratischen" Parteien, die doch weder das eine, noch das andere sind?! ---- Letztlich sind sie genau so überflüssig wie die heuchlerische Pfaffia!
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
"Nur wer stark leidet, ist nah bei Jesus!" war der Standardspruch der "heilig gesprochenen Mutter Theresa,
wenn sie Todkranken Schmerzmittel verweigerte.
Der anmaßende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Ricardo Blázquez, spricht nicht für seine katholischen "Schäfchen", sondern auch immer für alle Nichtgläubigen.
Man sollte ihm das Maul verbieten.
Die Würde und die Selbstbestimmung der unter Schmerzen leidenden Sterbenden tritt er mit Füssen!
Hat nicht sein Chef, der Christen-Gott per Auftrag seinen Sohn am Hinrichtungskreuz verrecken lassen, um den
Menschen seine göttliche Liebe zu offenbaren?
Warum jetzt alle Nichtchristen vor dem Sterben leiden sollen, obwohl sie nicht katholisch sind und waren und auch nicht nah bei dem Jesus sein wollen, können nur bischöfliche Rachegelüste sein!
Auch für einen Bischof ist das Ende fürchterlich!
Viele Grüße
Arno Gebauer
Gabriele Wruck am Permanenter Link
"erklärt die Ablehnung der Hilfe zur Selbsttötung und verglich sie mit Abtreibung"
Da hat der arrogante Bevormundungsfetischist ausnahmsweise mal einen hellen Moment gehabt, vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein:
Sowohl der Schwangerschaftsabbruch als auch die Hilfe zur Selbsttötung sind medizinische Dienstleistungen, bei denen ein Mensch, der dies selbst nicht tun kann, bei der Umsetzung einer gewichtigen, zutiefst persönlichen Lebensentscheidung unterstützt wird.
Ein Ausdruck des Respekts vor dem Individuum und seiner Selbstbestimmung.