Aktuelle Studie

"Spaziergänger": AfD-nah, umgeimpft und verschwörungsgläubig

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Besonders hohen Rückhalt haben die sogenannten "Spaziergänge" unter AfD-Wählern, Ungeimpften und Verschwörungsgläubigen, so die jetzt veröffentlichte repräsentative Untersuchung des interdisziplinären Center for Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Damit bestätigt sie frühere Erhebungen, wie die sukzessiv fortgeführte COSMO-Studie. Und sie belegt erstmals die bedeutende Rolle des Messengerdienstes Telegram bei der Verbreitung von Verschwörungserzählungen, die Menschen zum Protest aufstacheln.

Als besorgniserregend bewertet das Forscherteam die Ergebnisse seiner aktuellen Studie: Danach haben 4,3 Prozent der Menschen in Deutschland schon einmal an Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen teilgenommen. Mehr als doppelt so viele, 11,1 Prozent, wären "auf jeden Fall oder eher" bereit, dies in Zukunft zu tun, weitere 7,1 Prozent zogen es zumindest zeitweise in Betracht.

Für die Auswertung verwendeten die Forschenden Pia Lamberty, Josef Holnburger und Maheba Goedeke Tort die Angaben von 1.970 Personen in Deutschland, die zwischen dem 17. und 22. Januar online befragt wurden.

Dabei zeigte sich bei 4,3 Prozent die Bereitschaft, auch an illegalen Aktionen gegen die Maßnahmen teilzunehmen. 13,7 Prozent bejahten die Aussage: "Die Zeit des friedlichen Widerstandes gegen die Maßnahmen ist vorbei" eher oder vollkommen, weitere 18,5 Prozent stimmten "teils/teils" zu.

Doch wo lassen sich diese Gruppen im politischen Spektrum verorten? Einen auffällig hohen Rückhalt hat der Anti-Maßnahmen-Protest unter den befragten AfD-Wählerinnen und -Wählern (59,4 Prozent). Dagegen ist diese Quote bei den Anhängern der demokratischen Parteien erheblich geringer, am niedrigsten bei Grün- (7 Prozent), am höchsten bei Linken-Wählern (17,6 Prozent). Unter den Nichtwählern äußerte sich gut ein Viertel (26,9 Prozent) protestbereit.

Gerüchte über "Eliten" als Strippenzieher der Pandemie oder angebliche verheimlichte Impftote – über die Rolle solcher Verschwörungserzählungen für die Mobilisierung von Maßnahmengegnern wurde häufig spekuliert. Wie viel Rückhalt diese Mythen bei den Protestbereiten besitzen, legt die CeMAS-Studie erstmals anhand von belastbaren Zahlen dar. So sind unter den protestbereiten Personen deutlich mehr Verschwörungsgläubige als in anderen Gruppen. 43,7 Prozent von ihnen stimmen der Aussage zu, dass es zahlreiche Impftote gebe, die jedoch von den Eliten systematisch vertuscht würden – bei den Befragten mit geringer Protestbereitschaft glauben dies lediglich 4,9 Prozent. Und über ein Drittel der Protestbereiten, 37,6 Prozent, hält die Corona-Maßnahmen und die Politik für vergleichbar mit der Zeit des Nationalsozialismus (wenig Protestbereite: 3 Prozent). Weiter zeigte sich, dass ungeimpfte Personen eher zu Anti-Corona-Protesten bereit sind (69,2 Prozent) als solche mit mindestens einer Covid-Schutzimpfung (12,5 Prozent).

Weiter ging die Studie der Frage nach, über welche Wege sich solche Verschwörungserzählungen und revisionistischen Geschichtsbilder verbreiten. Dabei bestätigten sich Vermutungen über die bedeutende Funktion von Telegram in diesem Prozess. Der Messengerdienst galt bereits seit längerem als Hauptkanal, über den Desinformation und Falschmeldungen verbreitet werden. Wer sich häufig via Telegram informiert, ist eher bereit, an einem "Spaziergang" teilzunehmen: immerhin 24,7 Prozent in dieser Gruppe nutzten den Messenger-Dienst mindestens einmal wöchentlich zu Informationszwecken. Dagegen waren es unter den wenig Protestbereiten nur 6,3 Prozent. Bei anderen Social-Media-Plattformen war dieser Effekt geringer oder gar nicht signifikant.

Die Untersuchung ist Teil eines umfassenden Forschungsprojektes, das die Verbreitung von Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus beobachtet. Wie sich die Szene der "Spaziergänger" weiter entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. Auf eine Tendenz weisen die AutorInnen gleichwohl bereits hin: Auf fast allen größeren Protesten aus dem Milieu habe man "eine Normalisierung rechtsextremer Positionen" beobachtet.

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