Gerichtstermin über Unzulässigkeit von Holocaustvergleichen abgesetzt

Unterlassungsklage gegen Abtreibungsgegner

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Kristina Hänel mit ihrem Verteidiger Karlheinz Merkel

Die Ärztin Kristina Hänel hat eine Klage auf Unterlassung gegen den Betreiber der Website "Babykaust.de" eingereicht. Das Landgericht Hamburg hat einen bereits angesetzten Termin wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt und will im schriftlichen Verfahren, also ohne mündliche Verhandlung, entscheiden.

Frau Hänel erklärt dazu:

Im Juli 2019 haben meine Anwälte Klage auf Unterlassung gegen Klaus Günter Annen, den Betreiber der Website "Babykaust.de", eingereicht. Er hatte in den letzten Jahren hunderte von Strafanzeigen nach § 219a StGB gegen Ärztinnen und Ärzte gestellt, weil sie auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informiert haben. Ich war davon ebenfalls betroffen und wurde bisher viermal von ihm angezeigt. Herr Annen agiert zudem proaktiv gegen Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen: Er betreibt seit Jahren einen Pranger im Internet, auf dem er alle Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, namentlich auflistet.

Ausgerechnet diese Website wird daher – aufgrund des Informationsverbots nach § 219a StGB – von vielen Frauen benutzt, um an Adressen für einen Abbruch heranzukommen. Gleichzeitig werden sie aufgrund der Aufmachung der Website mittels Bilder und Statements mit der Unterstellung konfrontiert, dass Abtreibung schlimmer als der Holocaust sei: gleich auf der Startseite findet sich das Tor von Auschwitz mit der Aufschrift "Arbeit macht frei". Seit Jahren benutzen viele Abtreibungsgegner diesen unsäglichen Holocaustvergleich ohne Gegenwehr, weil der Schwangerschaftsabbruch ein Tabu ist, verschärft durch seine Existenz im Strafgesetzbuch. Deswegen wünschen sowohl betroffene Frauen als auch Mediziner*innen keine öffentliche Aufmerksamkeit. Zusätzlich besteht für Fachleute, die Abbrüche durchführen, durch den § 219a ein Sprechverbot.

Für mich war letztes Jahr der Punkt erreicht, an dem ich sagte: Es reicht! Es kann nicht angehen, dass ausgerechnet in Deutschland Menschen es wagen, den Holocaust zu relativieren und ihn damit zu verharmlosen. Wir befinden uns dieses Jahr 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, 75 Jahre nach der Befreiung von Krieg und Faschismus. Wir haben immer noch die gesellschaftliche Aufgabe, uns in Würde und Anstand unserer Vergangenheit zu stellen, um Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Darum habe ich mich entschieden, Klage auf Unterlassung gegen Klaus Günter Annen einzureichen.

Klaus Günter Annen stellt mich und andere Ärztinnen und Ärzte auf eine Stufe mit den Verbrechern des Nationalsozialismus, die in den Konzentrationslagern Menschen unter schrecklichsten Bedingungen gequält und getötet haben. Er bezeichnet mich u. a. als "Entartete". Diese Bezeichnung trifft mich besonders hart. Mit seinen Holocaustvergleichen diffamiert Herr Annen nicht nur uns Ärztinnen und Ärzte, sondern auch jede ungewollt Schwangere. Sie bekommt vermittelt, dass das, was sie tut, schlimmer sei als die Verbrechen der Nazis. Was in den KZs geschah, ist auch Jahrzehnte danach kaum fassbar. Es ist einzigartig und Teil der deutschen Geschichte. Noch gibt es Überlebende, die uns von den Gräueltaten berichten können. Niemand hat das Recht, ihre Geschichten zu verhöhnen. Wie auch nicht die der Ermordeten.

Nun hat das Landgericht Hamburg den für 17.04.2020 angesetzten Termin wegen der Corona- Pandemie ausgesetzt und wollte im schriftlichen Verfahren, also ohne mündliche Verhandlung, entscheiden. Herr Annen hat diesem Verfahren nicht zugestimmt, so dass ein Termin vor Ort stattfinden muss. Der wird allerdings nicht diese Woche sein, sondern das Gericht hat ihn verlegt auf Freitag, den 21.08.2020, 10.30 Uhr. Auch wenn dadurch eine weitere Verzögerung eintritt, bin ich zuversichtlich, dass Herrn Annen untersagt wird, dass er mich mit den Tätern des Holocaust vergleicht.

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