Die Nordkirche plant, im kommenden Jahr eine "Kasualagentur" zu eröffnen. Das teilte Bischöfin Kühnbaum-Schmidt Anfang Juni in Schwerin der Öffentlichkeit mit. Doch was soll das sein?
Im Kirchen-Sprachgebrauch nennt man Kasualien die kirchlichen Amtshandlungen, wie zum Beispiel Taufen, Trauungen (Eheschließungen), Trauerfeiern. Wieso braucht man dazu eine "Kasualagentur", könnte man sich fragen. Man geht doch eigentlich nur zu seinem Gemeindepastor oder ins jeweilige Kirchenbüro und bestellt.
Aber so einfach ist das für viele Menschen nicht mehr. Sie sind zwar (noch) in der Kirche, aber empfinden sich fern jeden Gemeindelebens, allenfalls mal zu Weihnachten eine Kirche von innen sehen wegen der Kinder. Das war’s. Aber in Weiß heiraten oder bei Sterbefällen keinen freien Beerdigungsredner über das Beerdigungsinstitut anheuern müssen, das wollen viele dann doch noch. Und zu "seinem" Gemeindepastor gehen und mit ihm … – geht schon gar nicht. Wer ist denn das? Kenn ich nicht. Es ist peinlich, in ein unbekanntes Kirchenbüro zu gehen; man fühlt sich unsicher.
Da soll dann diese Agentur einspringen. Niedrigschwelliger Zugang, nennt man so etwas. Und dahinter steht die Sorge der Kirche, noch mehr Mitglieder zu verlieren. Ein Großteil ihrer Mitglieder besucht "ihre" Kirche eigentlich gar nicht, hat dementsprechend auch keinen Kontakt zu Pfarrern, die solche Kasualien übernehmen könnten. Könnte also eigentlich auch austreten und tut das vielleicht sogar wegen fehlender Bindung. Wenn da eben nicht der Wunsch nach würdevollen Kasualien wäre. So mit Kirche, Glocken, Hochzeitsfotos, Segen und Wunsch für ewigen Zusammenhalt durch einen würdig gekleideten Herrn, das hätte man dann doch gerne. Und bereits Ausgetretene wollen ja nicht als erstes in ein Kirchenbüro gehen und um Wiederaufnahme bitten. Später müssen sie dann beichten, dass sie eigentlich nur einen Pfarrer für die Trauungszeremonie suchen.
Also bietet die Kirche eine Agentur an, wo so etwas zu buchen ist. Vielleicht auch gleich ein Kircheneintrittsformular ausfüllen. Die Mitgliedschaft kann man im Jahr drauf wieder kündigen. Oder vielleicht auch nicht, hoffen die Kirchenverantwortlichen. Da kann man gespannt sein, ob die derzeitige Austrittswelle mit Agenturhilfe abflacht. Und ob die Werbeflyer dann wohl bei Standesämtern und Beerdigungsinstituten ausliegen dürfen?
4 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Raffinierte Bauernfängerei (Marketing) aus purer Verzweiflung
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Die Austrittswelle hat mehrere Gründe, zwei davon möchte ich hier explizit erwähnen.
1.) Die Kirchen predigen und beten für Friede auf Erden und zetteln Kriege an, wie uns die
Geschichte schon mehrfach bewiesen hat.
2.) Die Kirchen schwimmen in zigfachen Milliarden Reichtum und sehen zu wie Menschen
auf unserem Planeten verhungern und bitten dabei ständig um Spenden, aber das
einzige was die Kirchen dann wirklich weiter Spenden ist ihr Segen.
Das immer mehr Menschen dies durchschauen ist der Grund der zunehmenden Kirchenaustritte und wenden sich damit von Heuchelei ab.
Jetzt versucht die Kirche über das Hintertürchen "Kasualagentur" sich wieder einzuschleichen und vermutlich wird ihnen dies auch gelingen, mindestens solange es Menschen gibt die auf Kirchliches Brimborium wie Hochzeit, Taufe und Beerdigung nicht verzichten wollen, aus welchen Gründen auch immer.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Um Missverständnissen vorzubeugen hier noch ein Zusatz über meinen Kommentar.
Wenn ich Kirchen sage, dann meine ich alle Kirchen, egal ob Dom, Basilika, Moschee,
Synagoge, oder wie immer sich diese protzigen Prunkbauten nennen, dahinter steckt immer das gleiche heuchlerische System.
Heide am Permanenter Link
Dazu passt, dass in der evangelischen Kirche Stimmen immer lauter werden, die eine flexible Kirchensteuer fordern. Überlegung dabei ist, wer keine Steuern zahlt, der tritt nicht aus.