Vergangenen Freitag trat der umstrittene Kreuzerlass des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in Kraft. Säkulare Organisationen sehen darin einen Verfassungsbruch und riefen zu einem Aktionstag in München auf.
Seit dem 1. Juni muss in allen öffentlichen Behörden des Freistaats ein Kreuz hängen. Mit Ausnahme von Theatern, Hochschulen und Museen – hier ist es nur eine Empfehlung. Kontrolliert wird die Anordnung allerdings nicht. Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München wollten den Stichtag nicht sang- und klanglos über die Bühne gehen lassen und riefen mit tatkräftiger Unterstützung der Aktionsgruppe "Das 11. Gebot" zum "Aktionstag gegen Söders Kreuz-Verordnung" auf. Die beiden säkularen Organisationen sehen darin einen klaren Verstoß gegen die weltanschauliche Neutralität des Staates.
Im Mittelpunkt des Protests auf dem Münchener Marienplatz stand eine Karikatur des bekannten Düsseldorfer Künstlers Jacques Tilly, die den bayerischen Ministerpräsidenten zeigt, wie er sich das Grundgesetz auf Kreuzform zurecht sägt. Sie war auf ein Gerüst gespannt, das auf einen handgezogenen Wagen montiert war. Mit von der Partie war außerdem die ebenfalls aus Düsseldorf stammende Skulptur "Der Quengelbischof": Auf einem Gedenkstein sind all jene freiheitlichen Werte aufgelistet, die gegen den Widerstand der christlichen Kirchen erstritten werden mussten, während ein wütender klerikaler Vertreter davor steht und auf das Patentrecht der Nächstenliebe pocht. Außerdem tourte ein PR-Car ganztägig durch die Münchener Innenstadt. Noch bis morgen kann man es mit etwas Glück auf den Straßen der bayerischen Hauptstadt sehen.
Mit Handwagen und Skulptur zogen die Demonstranten am Freitag zur bayerischen Staatskanzlei, um Söder drei Geschenke zu übergeben: Ein gerahmtes Exemplar der Tilly-Karikatur, eine bayerische Verfassung mit Grundgesetz und einen Fußabtreter, auf den dieses aufgedruckt war. Diese Idee stammt ursprünglich vom Satiremagazin "Der Postillon" und wurde vom säkularen Aktionsteam mit freundlicher Genehmigung der Redaktion in die Tat umgesetzt. Übergeben durfte die Geschenke nur eine Person – obwohl mit dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) ursprünglich zwei vereinbart waren. Dies übernahm der Aktionskünstler und Leiter des "11. Gebots", David Farago, begleitet von zwei Polizeibeamten, die auch die Übergabe an den Pförtner der Staatskanzlei vornahmen. Ein Pressefotograf war nicht gestattet. Der Ministerpräsident war zu der Übergabe zwar eingeladen worden, konnte aber nicht persönlich erscheinen, da er zu diesem Zeitpunkt für eine symbolträchtige Privataudienz zu Papst Franziskus und dessen Vorgänger gereist war.
Vor der Staatskanzlei fand sich eine zweite Aktionsgruppe ein: Studierende der Klasse "Res Ingold" der Akademie der Bildenden Künste München hatten aus entrümpeltem Material ein imposantes fünf-mal-drei Meter großes Kreuz zusammengebastelt. Außer Holz- und Metallresten aller Art kamen auch ein alter Gartenhandschuh, ein Stoffhase oder ein Zitronennetz zum Einsatz. Die Kunststudenten trugen es zu dritt vor die Behörde, durften es aber nicht übergeben, weil sie ihre Aktion nicht vorab angemeldet hatten. Es sei staatsbürgerliche Pflicht des Individuums, sich mit den Normen und Werten einer Gesellschaft auseinanderzusetzen, so Maximilian Erbacher, Leiter der Kunstaktion. "Und so ein herrschaftlicher Raum braucht ja schließlich ein großes Kreuz", fügte er verschmitzt hinzu.
Für die säkularen Aktivisten ging es nach der Übergabe wieder zurück auf den Marienplatz, wo sie bis zum Abend mit Passanten diskutierten. Viele begrüßten die Protestaktion, andere fühlten sich persönlich angegriffen oder hatten Söders Argumentation, das Kreuz sei gar kein religiöses Symbol, sondern verkörpere Identität und kulturelle Prägung, verinnerlicht. Auch vertrat manch einer die Auffassung, man müsse den Islam mit dem Christentum bekämpfen. Der Protest jedenfalls scheint einen Nerv getroffen zu haben: Sogar die Tagesschau berichtete. gbs und bfg behalten sich vor, die Aktion zu wiederholen. Außerdem strebt der Bund für Geistesfreiheit eine Verfassungsbeschwerde an.
7 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Auch vertrat manch einer die Auffassung, man müsse den Islam mit dem Christentum bekämpfen."
Begreift denn keiner von denen, die so was fordern, was das bedeutet? Wenn religiöse Ideologien einander bekämpfen, nennt man das allgemein "Religionskrieg". Wer soll da denn gewinnen? Wie zeichnet sich der Sieg aus? Alle anderen tot? Oder interniert? Gehirngewaschen? Wie denn?
Es gibt kein logisches Argument, warum Christentum oder Islam besser als der jeweils andere sei. Es gibt nur die Macht des Stärkeren - wie immer, wenn sich Religionen bekämpft haben.
Wollen wir nicht langsam vernünftig werden und mit diesem Scheiß aufhören? Hat die Menschheit nicht lange genug gelitten? Soll denn niemals Schluss sein...?
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ich interpretiere "bekämpfen" eher im Sinne Andersgläubige (Muslime) aus Bayern zu "vertreiben", damit die Statistiken des Landes besser werden und die Wahl im Herbst für die CSU besser ausgeht.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Vertreibung wird spätestens bei Errichtung des wahnhaften katholischen Weltreichs ("urbi et orbi" mit Reichsapfel als Symbol) zum Problem für die NASA.
Roland Fakler am Permanenter Link
@Bernd Kammermeier Volle Zustimmung! Das trifft die Sache haargenau!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Super Aktion! Konnte leider nicht dabeisein.
Und das Plakatgestell hat Hand und Fuß. Wohl vom David gebaut...
Konrad Schiemert am Permanenter Link
> David Farago, begleitet von zwei Polizeibeamten
Ein SEK wäre besser gewesen. Man weiss ja nie wozu Humanisten in der Lage sind.
Roland Fakler am Permanenter Link
Herr Söder, mit ihrem Kreuzzug zeigen sie doch gerade, dass sie keinen Respekt vor Ungläubigen haben, sondern sie mit boshafter Intoleranz unters Kreuz zwingen wollen.
Aber was kümmert die Heiligen Krieger der irdische Friede, wenn man sich mit dem Krieg im Namen Gottes das himmlische Paradies verdienen kann!