Die Weltgemeinschaft soll die Herrschaft der Taliban in Afghanistan endlich als ein System der Geschlechter-Apartheid benennen, fordern afghanische Frauen in Köln. Sie sind in den Hungerstreik getreten. Der passive Widerstand spielt sich in einem Zelt in der Kölner Innenstadt ab.
"Der Westen hat Afghanistan im Stich gelassen", echauffieren sich die Aktivistinnen. Erst wenn Afghanistan international und offiziell als ein Land bestätigt werde, in dem Frauen systematisch unterdrückt und von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, könnten die Taliban vor den Internationalen Gerichtshof gestellt werden. Erst dann könnten sie sanktioniert werden, sagte Tamana Paryani dem Kölner Stadt-Anzeiger.
Seit dem 1. September hungern die Schwestern Tamana und Zamina Paryani und zwei weitere Aktivistinnen in einem Zelt vor dem Kolumna-Museum in Köln. Die 25-jährige Tamana Paryani stand in Kabul kurz vor ihrem Master-Abschluss in Jura und Politik. Ihre 23-jährige Schwester Zamina war Hebamme. Dann rissen die Taliban die Macht an sich, das war 2021. Die Lage der Frauen sei vor der Machtübernahme der Talibs "nicht perfekt" gewesen, sagt Tamina Paryani. "Aber wir konnten arbeiten, studieren, zur Schule gehen, ins Fitnessstudio oder ins Kino. Wir konnten uns draußen mit Freundinnen treffen."
Von den Taliban verhaftet und gefoltert
Die insgesamt vier Paryani-Schwestern mussten vor einem Jahr aus Kabul fliehen. Sie waren zwei Mal von den Gotteskriegern ins Gefängnis gesteckt und gefoltert worden – weil sie sich organisiert hatten, weil sie für Frauenrechte auf der Straße waren. "Wir wurden im Gefängnis gefoltert, die Taliban sagten: Wenn ihr öffentlich erzählt, was passiert ist, töten wir eure Familien." Die tapferen Schwestern hat die Gefängnisstrafe nicht eingeschüchtert. Sie gingen wieder auf die Straße und wurden ein zweites Mal verhaftet. Ein Video der BBC zeigt die Schwestern protestierend auf den Straßen von Kabul. Das Video der BBC, hier auf YouTube, zeigt auch eine Szene kurz vor der Verhaftung von Tamana. Die junge Frau ruft verzweifelt um Hilfe.
Das Video der Verhaftung, das Tamana aufgenommen hatte, bekam viel Beachtung – auch in Deutschland. Die Kabuler Luftbrücke, die Redaktion der Frauenzeitschrift Emma und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ wurden auf das Schicksal der Schwestern aufmerksam. Die Deutsche Welle hat die Geschichte der Paryani-Familie aufgegriffen. Die Familie ist nach Europa geflohen und in Nordrhein-Westfalen gelandet. Ihre Flucht haben sie von der BBC dokumentieren lassen.
Hungerstreik als Mittel zeigt Verzweiflung
Auf X (ehemals Twitter) ist die wegen des Hungerstreiks sichtlich geschwächte Tamana zu sehen, die einen Zettel vor der Brust hält, mit der Frage: "Why is the world silent?" – "Warum schweigt die Welt?" Die Paryani-Schwestern haben einen Brief an die Bundesregierung geschickt und gefordert, die Herrschaft der Bartträger in Afghanistan als Apartheid-Regime gegen Frauen zu titulieren. Sie bekamen keine Antwort.
Am Samstag kam zumindest die Kölner Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz (Die Grünen) vorbei und zeigte sich beeindruckt vom Engagement der Aktivistinnen. "Dass sie zu einem so drastischen Protestmittel greifen, zeigt ihre große Verzweiflung. Wir dürfen nicht zulassen, dass Afghanistan und die Situation der Frauen und Mädchen aus dem Blickfeld geraten", sagte die Grünen-Politikerin. Später am Nachmittag brach Tamanas Kreislauf zusammen. Sie wurde mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht. Wie es um ihren Gesundheitszustand bestellt ist, ist derzeit unklar.