Taliban in Afghanistan

Frauenfeindliche Islamisten treten wie Besatzer auf

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In Afghanistan ist die Lage der Mädchen und Frauen so prekär, dass sogar die Mullahs im Iran den Kopf schütteln. Allen internationalen Mahnungen zum Trotz bauen die Taliban ein Apartheids-Regime gegen Frauen auf. Die islamistischen Bartträger folgen dabei strikt der Deobandi-Schule und dem sogenannten Paschtunwali und regieren so an der afghanischen Gesellschaft vorbei – kürzlich haben sie das über 3.000 Jahre alte Neujahrsfest verboten. Diese Ignoranz könnte ihnen zum Verhängnis werden.

Vor den Augen der Weltöffentlichkeit bauen die islamistischen Taliban ein Apartheids-Regime auf: Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 grenzen die Gotteskrieger systematisch Frauen und Mädchen sozio-ökonomisch aus. Vor der Machtergreifung der selbsternannten Gotteskrieger waren laut Medica Mondiale 27 Prozent der Abgeordneten im afghanischen Parlament Frauen. In der Taliban-Regierung sitzt keine einzige Frau, stattdessen wurde das "Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters" installiert, das permanent neue frauenfeindliche Gesetze erlässt.

Die Situation der Frauen und Mädchen in Afghanistan ist dermaßen erschütternd, dass zwei Nachbarländer, ausgerechnet der Iran und China, den Zeigefinger erheben. Die (frauenfeindlichen) Mullahs im Iran boten afghanischen Studentinnen sogar an, ihr Studium im Nachbarland fortzusetzen. In einer gemeinsamen Erklärung vom 16. Februar forderten der Iran und China die afghanische De-facto-Regierung auf, ein inklusives Kabinett zu bilden und alle diskriminierenden Maßnahmen gegen Frauen aufzuheben.

Was China und der Iran fordern, entspricht der Forderung des EU-Rats für Auswärtige Angelegenheiten: Die Taliban sollen eine inklusive Regierung aufbauen. "Ich persönlich habe diesen naiven Gedanken, dass die Taliban inklusiv sind, nie verstanden", sagt Susanne Schröter, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI) an der Goethe-Universität im Unireport. "Warum sollten die Taliban, eine Gruppe, deren Verständnis einer Geschlechterordnung erzpatriarchal ist, inklusiv werden?" Die Taliban sind Anhänger der fundamentalistischen Deobandi-Schule. "Da existiert keine Inklusivität der Geschlechter. Die Segregation ist genauso konstitutiv für diese Art des Islam wie andere Beschneidungen von Frauenrechten", sagt Schröter.

Die Ethnologin Schröter versucht, die wirren Moralvorstellungen der Taliban zu entschlüsseln: Sie folgten einerseits den Normen der Deobandi-Schule. Diese besagt, dass Gläubige vor allem zur Loyalität ihrer Religion gegenüber verpflichtet sind und erst dann dem Land, in dem sie leben. Was erklärt, warum  das Neujahrsfest Nawroz verboten wurde. Dabei wird Nawroz seit über 3.000 Jahren am 21. März, zum Frühlingsanfang, gefeiert – nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Iran, in Kurdistan, von ethnischen Gruppen in Zentralasien, dem Südkaukasus, dem Balkan und Südasien. Das Fest ist tief verankert in der kulturellen DNA Afghanistans. "Unislamisch und ein Brauch der (altpersischen) Zoroaster", urteilte der Sprecher der Moralpolizei der Taliban und verbot das Neujahrsfest. Zum anderen würden die Taliban dem Normenkodex der Paschtunen (Ethnie in Afghanistan und Pakistan) folgen, dem sogenannten Paschtunwali, weiß die Ethnologie-Professorin Schröter. Beim Paschtunwali gehe es "unter anderem um patriarchalische Ehrvorstellungen, die eng mit der Kontrolle der Mädchen und Frauen durch die Männer verknüpft sind".

Afghanistan ist aber nicht das Land der Paschtunen, es leben dort diverse ethnische Gruppen zusammen, wie Tadschiken, Hazaren oder Usbeken. Und die Deobandi-Version des Islams hat in Afghanistan keine Tradition. Die Taliban zwingen der vielfältigen Bevölkerung ihre pervertierte Version des Islam auf, die im Kontrast zur Kultur des Landes steht. Es zeigt die Unkenntnis der Taliban über die afghanische Mentalität. Die Taliban, die zum Großteil in Pakistan sozialisiert wurden, wissen scheinbar nicht, dass es eine Sache gibt, die alle ethnischen Gruppen in Afghanistan vereint: der Wille, die eigene Kultur gegen Einflussnahmen von außen zu verteidigen. Die Mehrheit der Afghanen verstehe Freiheit als die Freiheit von äußeren Besatzern, erklärt auch die Ethnologin Schröter. Die Taliban werden vom Großteil der afghanischen Bevölkerung jedoch als Besatzer empfunden und Besatzer haben die Afghan:innen schon immer aus ihrem Land gejagt – davon können die Engländer:innen und Russ:innen ein Liedchen singen.

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