Warum wir (nicht) glauben

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Woraus entspringt die menschliche Religiosität und der Glaube an explizite Gottheiten? Drei Erklärungsansätze haben sich in den letzten Jahren herauskristallisiert: ein sozialpsychologischer, ein kognitiver und ein kontextueller. Ein Team von Forschenden hat diese Ansätze in einer umfangreichen Studie auf die Probe gestellt.

Drei Theorien des Atheismus

Säkularisierung – Die sozialpsychologische Säkularisierungstheorie vermutet, dass religiöse Gefühle und Gemeinschaften die Funktion eines gesellschaftlichen Klebers erfüllen. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass der Glaube an einen rachsüchtigen Gott Gesellschaften zusammenhalten kann. Diesem Ansatz folgend entsteht Atheismus aus wohlhabenden und angstfreien gesellschaftlichen Strukturen, in denen die Individuen nicht gegenseitig ums Überleben wetteifern müssen.

Kognition – Der kognitive Ansatz postuliert einen direkten Zusammenhang zwischen neurologischen Strukturen und Religiösität. Demzufolge sei die Fähigkeit unseres Gehirns, zu abstrahieren und zu repräsentieren ausschlaggebend dafür, dass sich Religionen entwickelt haben. Kurz gesagt: Ein Lebewesen, das fähig ist, in seinem Geist (noch) nicht existierende Entitäten zu visualisieren, sprich, Pläne zu fassen und sie auszuführen, wird diese Fähigkeit automatisch auf andere Lebensbereiche anwenden. Religiosität kann in dieser Theorie als "Werkseinstellung" des menschlichen Gehirns betrachtet werden. Analog dazu ist Atheismus "das Ergebnis zielgerichteter, anstrengender Arbeit".

Doppelter Ursprung – Dieser Ansatz geht davon aus, dass Religiosität durch das Zusammenspiel einer fortgeschrittenen Neuro-Architektur mit der sie umgebenden Kultur entsteht. "Menschen neigen dazu, manche Konzepte eher anzunehmen als andere, entweder aufgrund ihrer Inhalte oder wegen des Kontexts, in dem ihnen diese Konzepte begegnen", schreiben die Autor*innen der vorliegenden Studie. Die Kernfrage dieses Ansatzes ist weniger die Frage, ob wir glauben, sondern warum wir woran glauben.

Diese drei Theorien haben eines gemeinsam: Sie alle prognostizieren, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen auf die eine oder andere Art religiös ist. Sie unterscheiden sich jedoch fundamental in ihren Erklärungsansätzen dafür, wie und warum jemand areligiös wird.

Mit Gott ists kompliziert

Die Forschenden haben ein repräsentatives Panel von 1.417 US-Amerikaner*innen befragt, um zu überprüfen, welcher dieser drei Erklärungsansätze die treffendsten Vorhersagen in Sachen Ursprung des Unglaubens liefern kann. Als Sieger ging die Theorie des doppelten Ursprungs hervor.

Die Autor*innen resümieren: "Jedes Modell, das sich nicht überwiegend auf kontextbezogenes, kulturelles Lernen stützt, scheint ungeeignet, um die Ursprünge von Areligiösität zu erklären. Mehr noch, solche theoretischen Modelle sind notwendigerweise unvollständig, sie sind fehlerhafte evolutionäre Erklärungsansätze. Die Erkenntnis, dass selbst das Aufwachsen in einer Umgebung, die relativ wenig erfahrbare religiöse Devotionalien enthält, schon zu Areligiösität führt, zeigt, dass frühere Vermutungen, Areligiösität resultiere aus 'speziellen kulturellen Umständen' und einem 'starken kulturellen Grundgerüst', nicht zutreffend sind."

Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass der Weg zum Atheismus weniger Hirnschmalz braucht, als von kognitionsbasierten Theorien vermutet: "Kognitive Reflexion war in diesen Datensätzen nur moderat mit atheistischen Einstellungen verknüpft. Diese Ergebnisse […] deuten darauf hin, dass frühere Theorien, die zielgerichtete kognitive Reflexion als notwendiges Element für Areligiösität betrachten, zu überschwänglich waren."

Auch die Auswirkungen materiellen Wohlstands auf die Religiösität der Befragten waren geringer als erwartet. Ein möglicher Erklärungsansatz für dieses Ergebnis ist der betrachtete Zeitraum. Materieller Wohlstand beziehungsweise materielle Armut könnten bereits vor dem Eintreten kultureller Faktoren den Rahmen für die Religiösität einer Gesellschaft abstecken. Wird eine Gesellschaft reicher, dauert es möglicherweise eine gewisse Zeit, bis die veränderten materiellen Bedingungen auch in den Köpfen der Individuen zu nachhaltigen Veränderungen führen. Dieser Mehrgenerationenansatz verdiene es, tiefgreifender erforscht zu werden, so die Autor*innen.

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