Warum wir uns Gott als Magier in menschlicher Gestalt vorstellen

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Gott in der St. Salvator-Kathedrale in Brügge
Gott in der St. Salvator-Kathedrale in Brügge

Auch wenn sich die Kirchen leeren und viele nicht mehr an ihn glauben, so ist und bleibt der christliche Gott bei uns omnipräsent. Hunderte von Gotteshäusern im Land erinnern uns an ihn, vor allem wenn ihre Glocken läuten.

Auch ältere Leute machen mehrfach täglich mit ihrem "Grüß Gott" auf ihn aufmerksam. Das Schweizer Fernsehen beglückt uns wöchentlich mit dem "Wort zum Sonntag" und dem "Fenster zum Sonntag". Bei diesen Sendungen geht es fast immer um Gott. Und das Schweizer Radio lässt gern Kirchenglocken läuten – eine akustische Hommage an Gott.

Der monotheistische Gott prägt bis heute unsere Kultur und scheint sich in unseren Genen eingenistet zu haben. Während Kirchen offensichtlich eine Halbwertszeit haben, thront Gott weiterhin sicher auf seinem himmlischen Sessel.

Wir Menschen sind zerbrechliche Wesen und brauchen eine Vaterfigur. Unsere Fantasie sucht einen Ausweg aus dem Jammertal. Die beste Flucht aus dem Leid ist der Glaube an eine allmächtige Führungsgestalt, die ein Erlösungsrezept in der Hinterhand hält. Ein Magier, der Wunder bewirken und uns ein Leben nach dem Tod bescheren kann.

Die Vision von Gott soll uns Hoffnung, Zuversicht und Trost spenden. Vor allem in Zeiten von Leid und Not. Doch wie plausibel ist die Idee von einem allmächtigen und gütigen Gott? Hält die Vorstellung vom himmlischen Vater dem Faktencheck stand?

Zuerst stellt sich die Frage, weshalb Gott eine menschliche Gestalt aufweist. Zur Erinnerung: In der Bibel steht, Gott habe den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Außerdem zeigt der Schöpfer menschliche Gefühle, wie die Bibel ebenfalls dokumentiert. Gefühle, die von Zorn und Aggressionen bis zur Zuneigung reichen.

Die Antwort ist ganz einfach: Wir Menschen können gar nicht anders, als uns Gott in menschlicher Gestalt vorzustellen. Unsere Fantasie zwingt uns dazu. Da wir Gott nicht hautnah erleben und nicht (be-)greifen können, müssen wir die Fantasie zu Hilfe nehmen. Weil wir seine Existenz weder wissenschaftlich noch empirisch nachweisen können, sind wir gezwungen, an ihn zu glauben. Glauben bedeutet denn auch, etwas für wahr zu halten.

Wir Menschen können Phänomene nur mit Worten und Begriffen beschreiben, die wir kennen. Das gilt auch für Ideen, die aus dem Reich der Fantasie oder des Übersinnlichen stammen. Und da wir das geistig höchstentwickelte Wesen sind, können wir nicht anders, als uns Gott in menschlicher Gestalt und mit menschlichen Wesenszügen vorzustellen.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung. Ich kann behaupten, dass das, was Gläubige als Gott bezeichnen, in Wahrheit Albradastoramilosanto ist. Das ist mindestens so plausibel wie der Glaube an einen göttlichen Vater in Menschengestalt. Wahrscheinlich sogar noch plausibler.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Gott eine menschliche Gestalt aufweist

Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass Gott – falls er existiert – eine menschliche Gestalt aufweist. Warum kommen wir nicht von Gott mit dem Rauschebart auf den Wolken los? Weil wir Menschen in Bildern und mit Vergleichen denken. Deshalb sind wir unfähig, uns einen allmächtigen Gott vorzustellen, der anders aussieht, anders "denkt", anders "fühlt", anders "handelt" als alles, was wir kennen.

Ein göttliches Wesen übersteigt unsere Vorstellungskraft himmelweit. Deshalb können wir es nicht beschreiben. Deshalb ist mein "Gott" Albradastoramilosanto mindestens so "realitätsnah" wie der monotheistische Gott der Buchreligionen.

Zeichnung: Martin Perscheid
Zeichnung: Martin Perscheid

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon Luther hat die Bilder aus der Kirche verbannt, weil die Gläubigen sich kein Bild von Gott machen sollen. Ähnlich verhält es sich beim Islam und Judentum. Die Juden sprechen sogar Gottes Namen nicht aus. Doch das sind nutzlose Dogmen oder eine Selbstüberlistung, weil wir eben nicht anders können, als uns Gott in menschlicher Gestalt vorzustellen.

Wenn Rinder einen Gott malen würden, hätte er Hufe

Dieses Dilemma kennt die Philosophie schon lang. Der griechische Philosoph Xenophanes hat es vor 2500 Jahren so formuliert: "Wenn aber die Rinder und Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke schaffen wie Menschen, so würden die Pferde die Götter abbilden und malen in der Gestalt von Pferden, die Rinder mit der Figur von Rindern. Sie würden solche Statuen meißeln, die ihrer eigenen Körpergestalt entsprechen."

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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