Mit einem Imam im Gespräch

Rosinenpickerei

BERLIN. (hpd) Als im Jahr 2006 bekannt wurde, dass in Berlin-Heinersdorf eine Moschee gebaut werden soll, berichteten die Medien über den erbittert ausgetragenen Konflikt zwischen Befürwortern und -gegnern. Doch seit 2008 gehört die Khadija-Moschee zum Erscheinungsbild des Ortsteils. Manfred Isemeyer lud am vergangenen Mittwoch den islamischen Theologen und Imam der Khadija-Moschee Said Ahmad Arif zum Gespräch ein.

Nicht erst seit der aktuellen Flüchtlingskrise findet hierzulande eine hochgradig ideologisch aufgeladene Debatte über "den Islam" statt. Rechtspopulisten malen ein Zerrbild von den Gefahren einer "Islamisierung" des Landes, islamistische Organisationen hingegen nutzen das Schlagwort der "Islamophobie" zur Abwehr jeglicher Kritik am Islam und den Muslimen. Wie kann die wachsende Konfrontation durch eine Kultur der Verständigung überwunden werden? Das wollte Manfred Isemeyer im "Mittwochsalon" vom Imam der Khadija-Moschee Said Ahmad Arif erfahren.

Das aufgeschlossene, neugierige und interessierte Publikum wurde jedoch enttäuscht. Denn auch ein islamischer Theologe ist vor allem eines: ein Theologe. Ein Mann, der es hervorragend versteht, kritischen Fragen geschickt auszuweichen und konkrete Antworten zu vermeiden. Etliche der Gäste zeigten sich am Ende des Gesprächs enttäuscht.

In der Einladung hieß es: "Der Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher religiöser, weltanschaulicher und politischer Überzeugungen ist der Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben und zugleich eine Aufgabe von anhaltender Aktualität". Allerdings kann ein Dialog nur dann gelingen, wenn man miteinander ins Gespräch kommt, was beeinhaltet, dass man miteinander und nicht nur aneinander vorbei redet. Leider ließen sich Imam Arif kaum auf konkrete Antworten auf die Fragen entlocken, die den Heinersdorfern ebenso wie vermutlich vielen Bürgern auf den Nägeln brennen: Läßt sich der Islam mit der Demokratie vereinbaren? Wie soll eine plurale Gesellschaft mit den Gefahren umgehen, die sich aus einem politischem Islam ergeben? Welche Rolle können Muslime als Mitgestalter der säkularen deutschen Gesellschaft spielen?

Die Ahmadiyya-Gemeinde, der die Moschee im Berliner Norden gehört, hat in Deutschland rund 40.000 Anhänger; 360 davon leben in Berlin. "Die sich als Reformbewegung des Islams verstehende Religionsgemeinschaft hält an den islamischen Rechtsquellen – Koran, Sunna und Hadith – fest, wobei zusätzlich die Schriften und Offenbarungen von Mirza Ghulam Ahmad eine erhebliche Bedeutung haben. Die Gemeinde sieht sich dem Islam zugehörig. Vonseiten der meisten anderen Muslime wird die Ahmadiyya-Lehre dagegen als Häresie betrachtet und abgelehnt." (Wikipedia)

Doch selbst die als liberal geltenden Anhänger der Ahmadiyya trennen strikt die Geschlechter, lehnen homosexuelle Beziehungen und vor- und außerehelichen Geschlechtsverkehr ab. Allerdings wies Imam Said Ahmad Arif darauf hin, dass weder er noch die Gemeinde prüft, ob sich alle Gemeindemitglieder an diese Lehren halten. "Solange das im privaten Bereich geschieht, interessiert uns das nicht" sagte er. Das allerdings zeugt von einer ebensolchen Verlogenheit, wie sie auch immer wieder innerhalb der christlichen Religionsgemeinschaften anzutreffen ist. Solange sich ein Gläubiger nach Außen hin rechtgläubig zeigt ist es gleichgültig, ob er tatsächlich ein "gottesfürchtiges Leben" führt: der Schein zählt mehr.

Dieser ehe laxe Umgang mit der Wahrheit beziehungsweise der gelebten Wirklichkeit trat noch deutlicher zutage, als Imam Arif über die Verschleierung der Frauen sprach. Wörtlich sagte er: "Wir stehen auch für die Trennung der Geschlechter ein – so wie es der Koran vorsieht. Aber in der Familie und mit guten Freunden ist alles ganz normal…" womit er sagen wollte, dass im privaten Kreis weder eine Verschleierung noch die strikte Geschlechtertrennung angezeigt sind. Was dem Imam ganz sicher nicht aufgefallen ist bei seinem Satz und deutlich zeigt, wie wenig zeitgemäß diese Trennung ist, ist die Verwendung des Wortes "normal". Denn es zeigt, dass selbst dem Imam klar ist, dass die Geschlechtertrennung und die Verschleierung nicht normal sind.

Er verglich den innerislamischen Dialog mit der Situation der evangelischen und katholischen Kirche vor 60 Jahren. Aus seinen Aussagen wurde deutlich, dass es darum geht, den Koran und die anderen "heiligen Schriften" neu zu lesen und zu interpretieren).
Allerdings ließ er es nicht zu, dass über einzelne Koranverse oder -lehren diskutiert werden konnte. Hier pickte er genauso die Rosinen aus dem Text, wie es von christlichen Theologen bekannt ist. Dass sich auch der Islamismus auf die gleichen Texte beruft, die für die konservativ-liberale Ahmadiyya-Gemeinde gelten, konnte er weder begründen noch negieren. Hier zeigte er sich als gut geschulter Theologe und sprach lange; eindringlich und ohne eine Aussage zu machen. Das war sehr Schade.
Denn zwar grenzte er sich deutlich von dem (saudischen) Wahabitentum ab - konnte sich aber nicht dazu durchringen, diese Strömung des Islams als das zu kritisieren, was sie für viele ist: Der hauptsächliche Grund für die europäische Islamfeindlichkeit.

Typisch – nicht allein für ihn, sondern für jeden Theologen – war, dass er anderen Strömungen des Islam das richtige Lesen und Deuten des Koran und der "heiligen Texte" abspricht. Für ihn gilt nur die eigene Lesart als die rechte; genau das, was die Anhänger anderer Lesarten über seine sagen dürften. Der Koran bestehe aus vielen Metaphern, die völlig klar und nicht veränderbar sind, sagte Imam Arif. Es war erstaunlich mit anzusehen, dass der Imam den Widerspruch nicht verstand, der darin besteht, dass es viele Lesarten und Strömungen innerhalb des Islam gibt, die eben deshalb verschieden sind, weil sie die Metaphern anders deuten.

Er sagte auch, dass er sich freiwillig für die islamische Lehre der Ahmadiyya-Gemeinde – also die Lehren des Mirza Ghulam Ahmad – entschieden hätte. Schon sein Vater hätte diese Entscheidung für sich getroffen.

Man kann wohl nur als Außenstehender den Zirkelschluss in seinen Aussagen erkennen.

Zum Ende der Veranstaltung hin beantwortete er die Frage nach den Unterschieden in den drei Buchreligionen und deren heutiger Bewertung: "Das Judentum und das Christentum waren in ihrer Zeit nötig, jetzt ist die Zeit des Islam." Deshalb – so der Imam – würden in der aufgeklärten Gesellschaft weder Christentum noch Judentum kaum noch eine Rolle spielen.

Angesprochen auf den häufig gehörten Hinweis, dass der Islam einer "Aufklärung" bedürfe, stellte Imam Said Ahmad Arif klar, dass es seiner Meinung nicht darum gehen würde, dass der Islam eine "Aufklärung von Außen" benötige, sondern sich im innerislamischen Dialog selbst neu ausrichten müsse.
Über diese Ansicht ließe sich gut und ausführlich diskutieren – wenn Imam Arif das Wort "Aufklärung" nicht immer wie in Anführungszeichen sprechen würde. Es schien ihm zwar nicht zum Schimpfwort zu taugen; aber deutlich ist das Wort für ihn auch nicht positiv konnotiert.

Trotz des Versuchs des Moderators und einiger Gäste, dem Imam klare Bekenntnisse abzuringen, blieb der Abend enttäuschend. Auch wenn in der Ahmadiyya-Gemeinde und in der Heinersdorfer Moschee in Deutsch gepredigt wird; auch wenn die Moschee immer die Türen für Gäste offen hält; auch wenn viel Jugend- und Flüchtlingsarbeit gemacht wird… nach diesem Abend fragten sich einige der Gäste, ob die Ahmadiyya-Gemeinde wirklich zu Deutschland, zu Berlin-Heinersdorf gehört; ob sie hier angekommen ist. Vieles blieb im Vagen und die ausweichende Eloquenz des Imam war zwar nett anzusehen; klärte aber keine Fragen.