Perspektiven Grüner Religionspolitik in einer Gesellschaft der Vielfalt

Multi-Kulti am Ende?

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Multikulti am Ende? - Das Podium
Multikulti am Ende? - Das Podium

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Lale Akgün
Lale Akgün

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Emel Zeyneabidin
Emel Zeyneabidin

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Ralph Ghadban
Ralph Ghadban

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Walter Otte
Walter Otte

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Walter Otte & Emel Zeyneabidin
Walter Otte & Emel Zeyneabidin

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Bettina Jarasch, Landesvorsitzende von B90/Die Grünen
Bettina Jarasch

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Multikulti am Ende? - Das Podium
Multikulti am Ende? - Das Podium

BERLIN. (hpd) Am Freitag diskutierten in Berlin die Politikerin Lale Akgün, die Autorin Emel Zeynelabidin und der Religionswissenschafter Ralph Ghadban über den Umgang der Mehrheitsgesellschaft und der Politik mit "dem Islam" in Deutschland. Die Diskussion wurde vom hpd-Autoren Walter Otte geleitet. Eingeladen zu dieser Podiumsdiskussion hatten die Säkularen Grünen.

Die Berliner Landeschefin der Grünen, Bettina Jarasch, betonte in ihrem Grußwort, dass die Ausübung von Religion ein Menschenrecht sei. Die Mehrheitsgesellschaft, so Jarasch, "muss ertragen, dass manches seltsam anmutet", was Riten und die Ausübung betrifft. Die bekennende Christin betonte, dass in einer pluralistischen Gesellschaft alle Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften die gleichen Rechte haben müssen.

Lale Akgün stimmte dem generell zu, wies aber darauf hin, dass "Deutschland Politik mit dem Islam macht". Doch dabei stärke die Politik durch die Zusammenarbeit mit den Islamverbänden vor allem den politischen Islam und somit nur eine Spielart dieser Religion. Für sie ist die theologische Debatte über den Islam eine politische Debatte. Deshalb, so Akgün, führe an der theologischen Diskussion über und um den Islam kein Weg vorbei.

Frau Akgün gehört dem Liberal-Islamischen Bund (LIB) an und verwies darauf, dass der Islam neu ausgelegt werden muss, denn "die Position von vor 1.300 Jahren ist nicht zeitgemäß." Die meist strenggläubigen Islamverbände können deshalb dem Staat kein Partner sein. Denn "es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen dem, was die Islamverbände öffentlich zur Schau stellen, (sie bezeichnete das als "Folklore-Islam"), und dem, was in den Moscheen den Kindern eingebläut wird." Den Kindern werde eine islamische Identität vermittelt, etwas, das dem demokratischen Gedanken der Gesellschaft widerspricht.

"Als ich nach Deutschland kam, war der Islam exotisch. Heute ist er politisch." Mit diesen Worten begann Emel Zeynelabidin ihre Einführung. Ihr Schwerpunkt lag an diesem Abend auf der Ausrichtung des islamischen Religionsunterrichts. Sie kritisierte, dass dort gelehrt wird, dass der "Koran die Wahrheit" sei, "dann bleibt kein Raum zum Selberdenken" für die Kinder.

Anders als Lale Akgün vertritt sie die Position, dass es nicht der Islam sei, der reformiert werden muss, "sondern die Muslime". Das wiederum kann nur erfolgreich sein, wenn im islamischen Religionsunterricht das vergleichende Denken gelehrt wird und die Anmaßung deutlich wird, die darin läge, "dass der Mensch glaubt, Gott verstanden zu haben."

Ralph Ghadban stellte gleich zu Beginn seiner Rede klar, dass er sich als Atheist sieht. Als Religionswissenschaftler lieferte er eine Einschätzung der aktuellen innerislamischen Entwicklung und sagte, dass "die Situation des Islam der des Christentums während des Dreißigjährigen Krieges" ähnelt. "Es wird derzeit ausgekämpft, welche Lehrmeinung 'Recht' habe."

Ghadban kritisiert bereits seit längerem die Idee des Multikulturismus: "Multikulti löst keine Probleme, die Politik macht einen Purzelbaum und das hat mit der Realität wenig zu tun." Die Politik beachtet wissenschaftliche Erkenntnisse nicht, sondern tut so, als wären alle religiösen Strömungen des Islam gleich, "um alle gleich zu behandeln." Das jedoch verkennt die Strukturen dieser Religion, die so anders sei als das Christentum.

Insbesondere die Zusammenarbeit der Politik mit den vier großen Islamverbänden griff er scharf an und erklärte, wer sich hinter den 4 Islamverbänden verbirgt bzw. wer diese finanziert.

In der später sich anschließenden Diskussion sprach sich Ghadban dann jedoch auch für einen islamischen Religionsunterricht an Schulen aus - was bei der vorher ausgesprochenen Kritik an den Verbänden (die den Islamunterricht theoretisch vorbereiten) inkonsequent zu sein scheint. Frau Akgün machte an einem Beispiel deutlich, dass nicht nur die Politiker, sondern auch ein Großteil der Bevölkerung viel zu wenig über die Religion "Islam" wissen. Ein Religionsunterricht, der nicht bekenntnisorientiert ist, sondern die Religionen vorstellt und auch in ihrem historischen Kontext beschreibt, könnte dem Unwissen abhelfen.

Auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht angesprochen, sagte Frau Zeynelabidin "Das Kopftuch spaltet die Frauen in zwei Klassen - es ist das Zeichen der 'besseren' Muslimin." Denn es wird innerhalb der islamischen Community als Gradmesser des Glaubens wahrgenommen. Deshalb hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts den liberalen Muslimen einen Bärendienst erwiesen.

In den zweieinhalb Stunden der Veranstaltung konnten selbstverständlich nicht alle Fragen besprochen und geklärt werden. Doch kann das Fazit gezogen werden, dass es überaus wichtig ist, auch und insbesondere mit liberalen Muslimen ins Gespräch zu kommen. Denn diese werden von der Gesellschaft und der Politik viel zu selten wahrgenommen. Dabei sind sie es, die den Islam reformieren können.