BONN. (hpd) Der von Renate Brucker u.a. herausgegebene Sammelband “Das Mensch-Tier-Verhältnis. Eine sozialwissenschaftliche Einführung” enthält neun Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten des Themas. Zwar handelt es sich nicht um eine wirkliche Einführung, die Beiträge machen aber auf die vielschichtige Dimension des Themas aus sozialwissenschaftlicher Perspektive aufmerksam.
Die Einstellungen und Handlungen von Menschen gegenüber Tieren sind von Ambivalenzen und Widersprüchen geprägt. Kein anderer Buchtitel bringt dies so prägnant auf den Punkt wie “Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen” von der US-amerikanischen Psychologin und Soziologin Melanie Joy.
Denn kaum jemand würde bewusst Hunde- und Katzenfleisch essen, bei Hühnchen- und Schweinefleisch hat man aber keine Probleme. Mitunter gibt es auch absonderliche Reaktionen: Als bekannt wurde, dass eine Giraffe in Kopenhagen im Zoo geschlachtet wurde, empörten sich viele Menschen. Gleichzeitig dürfte sich die absolute Mehrheit von ihnen noch am gleichen Abend ein Stück Fleisch von einem anderen Tier auf den Teller gelegt haben.
Derartigen und noch ganz anderen Fragen und Themen wollen die Autoren des Sammelbandes “Das Mensch-Tier-Verhältnis. Eine sozialwissenschaftliche Einführung”, der von Renate Brucker, Melanie Bujok, Birgit Mütherich, Martin Seeliger und Frank Thieme herausgegeben wurde, auf den Grund gehen.
Am Beginn steht die schlichte Feststellung, dass die Auseinandersetzung mit solchen Fragen bislang in den Sozialwissenschaften nur wenig Aufmerksamkeit fand, während in der Philosophie über Tierethik schon seit längerer Zeit diskutiert wird. Die Herausgeber wollen mit dem Sammelband auch in Deutschland die Debatten und Forschungen im Bereich der “Human-Animal Studies” voranbringen. Ihr Anliegen ist es, “das komplexe Mensch-Tier-Verhältnis mit Hilfe des Theorieangebots von Soziologie, Sozialpsychologie, Anthropologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Erziehungswissenschaft sowie der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte aufzuarbeiten” (S. 15).
Um es gleich vorweg zu sagen: Ein derart ambitioniertes Anliegen kann man schwerlich in einem einzelnen Sammelband umsetzen. Auch der Untertitel des Bandes passt nicht ganz: “Eine sozialwissenschaftlich Einführung”. Denn die einzelnen Beiträge liefern nur Fragmente für eine solche Einführung, wobei die neun Beiträge auf die unterschiedlichsten Themen eingehen:
Martin Seeliger fragt nach den Gründen für die scheinbare Selbstverständlichkeit des von Ausbeutung, Gewalt und Unterwerfung gekennzeichneten Mensch-Tier-Verhältnisses. Birgit Mütherich erklärt sich dies durch eine Konstruktion des Anderen, wobei vergleichende Betrachtungen zu Rassismus und Sexismus vorgenommen werden. Arnold Arluke, Clinton Sanders und Patricia Morris geht es um das Denken von Tieren in den Kategorien von “Funktion” und “Projektionsfläche”. Melanie Bujok erörtert, ob Tiere eine eigene Sozialkategorie in der Ungleichheitsforschung darstellen. Michael Fischer fragt danach, inwieweit die Mensch-Tier-Verhältnisse im etablierten sozialwissenschaftlichen Exklusionsdiskurs berücksichtigt werden müssten. Renate Brucker geht den Anfängen der Tierrechtsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert nach. Christina Möller untersucht die Nutzung von Tieren in der Werbung. Und Jutta Buchner-Fuhs analysiert die Rolle des Tiers als pädagogisches Instrument am Beispiel von Bilderbüchern für Kinder.
Demnach hat man es mit einzelnen Bestandteilen für eine nähere Beschäftigung mit dem Mensch-Tier-Verhältnis zu tun. Indessen können sie noch nicht einmal ansatzweise den gesamten Bereich aus sozialwissenschaftlicher Perspektive thematisieren, denn ein Gesichtspunkt wie die Ernährungsindustrie und Wirtschaft fehlt etwa komplett. Darüber hinaus ist die einleitend erwähnte Ambivalenz in der Einstellung von Menschen gegenüber den Tieren ein bemerkenswertes Beispiel für Ignoranz und Verdrängung.
Allein aus der Analyse derartiger Auffassungen und Handlungen ließ sich eine Fülle von Erkenntnissen gewinnen, um die Doppelmoral und Widersprüchlichkeiten menschlichen Sozialverhaltens auch in anderen Zusammenhängen zu verstehen. Insofern regt der Band zu einer Intensivierung der Diskussion und Forschung an. Diese bereichern die Erkenntnisse der Menschen und schützen das Leben der Tiere. Denn deren Leidensfähigkeit ist ein Ausgangspunkt für eine kritische Erörterung damit einhergehender Fragen.
Renate Brucker/Melanie Bujok/Birgit Mütherich/Martin Seeliger/Frank Thieme (Hrsg.), Das Mensch-Tier-Verhältnis. Eine sozialwissenschaftliche Einführung, Wiesbaden 2014 (Springer-VS), 343 S.
1 Kommentar
Kommentare
hans wunsch am Permanenter Link
.... keine frage ...wir alle projizieren in allesmögiche etwas hinein . deshalb ist
evidenzbasierte ( natur -)wissenschaft so
zukunftswichtig . die soziopsychologie
man mit mensch und tier viel leidverhindernder um . ... so wünsch ich
ein fröhliches u. erkenntnisreiches 2016