Fronleichnam

Träumt eine Nonne, trägt Deutschland die Folgen

BERLIN. (hpd) Noch ein Fest? Die gewöhnungsbedürftig klingende Bezeichnung Fronleichnam leitet sich vom mittelhochdeutschen vrône lîcham für 'des Herren Leib' ab, hat also nichts mit einem Leichnam (spöttisch: "happy cadaver") zu tun. Es handelt sich um ein Hochfest der katholischen Kirche, das öffentlich den Leib und das Blut Christi verehren will, die im Sakrament der Eucharistie gegenwärtig sind (Dogma von der Transsubstantiation, "Wesensverwandlung" von Brot und Wein).

Bis heute wird dieses Fest besonders feierlich begangen. Zwar schwindet theoretisch die frühere Ausrichtung der Hardliner, die sich in ihrem zur Schau getragenem Glaubensstolz gegen Anders- und Nichtgläubige wandte, um der Restwelt missionarisch den "wahren Glauben" vorzuweisen. Doch wirken die vielerorts durchgeführten Umzüge noch immer aufs Gemüt mancher Menschen. Bei so außenwirksamen Prozessionen wird von einem Geistlichen eine konsekrierte Hostie im Zentrum (Fensterbereich) einer so genannten Monstranz (aufwendig gestaltetes "Vorzeige- und Schaugerät") unter einem Baldachin ("Himmel") getragen. Die Bezeichnung "Gottestracht" fasst dies prägnant zusammen: Hier wird "Gott" sichtbar vorgezeigt und vorgetragen.

Eine derart mit Bürgerwehren, Trachtenvereinen, Honoratioren ausgestaltete Prozession führt in der Regel durch die wichtigsten, von Einwohnern geschmückten Straßen einer Ortschaft. Sie ist verkehrspolizeilich geregelt und trifft auf vier Altäre, an denen eigene Blumenteppiche (mit frisch geschnittenen oder gepflückten Blumen) ausliegen, die nur der Träger der Monstranz betreten darf. Mit dieser wird ein besonderer (Flur-) Segen erteilt.

Fronleichnam wurde 1264 von Papst Urban IV. zum Fest der Gesamtkirche erhoben. Zuvor hatte eine Nonne angegeben, sie habe vom Mond geträumt, der an einer Stelle verdunkelt war, und Christus habe ihr persönlich erklärt, der Mond bedeute das Kirchenjahr, der dunkle Fleck aber das Fehlen eines eigenen Festes der Eucharistie.

Ein Beispiel für Nachhaltigkeit: Der Traum einer Nonne aus dem 13. Jahrhundert überzeugte nicht nur einen Papst, er hat, so seltsam es klingt, sogar bis heute gesetzliche Folgen: In Deutschland, einem Land mit einer vom Grundgesetz geforderten Trennung von Staat und Kirche und einem Land, das beispielsweise keinen eigenen Tag der Menschenrechte vom Gesetz schützen lässt, finden sich nach wie vor Regulierungen, die zum Bestand eines ausschließlich katholischen Straßen- und Schaufestes beitragen sollen.

Fronleichnam ist ein gesetzlicher Feiertag in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland sowie in einigen Gemeinden in Sachsen und Thüringen. Sachsen hat noch 1993 eine spezielle Fronleichnamsverordnung erlassen, die für überwiegend katholische Ortsteile gilt. Es handelt sich um insgesamt 25 Ortschaften im Landkreis Bautzen, die von Sorben bevölkert und mehrheitlich katholisch geprägt sind. Außerhalb dieser Regionen und damit im überwiegenden Teil Sachsens kommt Fronleichnam keine besondere Bedeutung zu. Infolge verschiedener nach 1993 erfolgter Eingemeindungen und Gemeindeauflösungen ist Fronleichnam kurioserweise sogar nur in den Ortsteilen mancher Gemeinden, nicht aber grundsätzlich arbeitsfrei.

Übrigens sieht sich Fronleichnam dieses Jahr listig in den "Deutschen Katholikentag" integriert. So kann das Glaubensfest einer Minderheit in Leipzig, dessen Bevölkerung zu 80% konfessionsfrei ist, noch effektiver gefeiert werden. Die Medien sind nicht ohne Grund bereits in Hochstimmung. Und wir Steuerzahler finanzieren, als sei dies keiner Nachfrage wert, mit ansehnlichen Stützgeldern die Spätfolgen eines Nonnentraums. Solange eben die Kollateralschäden einer "Partnerschaft" von Staat und Kirche politisch nicht ins Gewicht fallen dürfen, bleibt der Vorzeigeglaube einer bestimmten Gruppe millionenschwer von allen Steuerpflichtigen subventioniert.