Zoos als Schlachthäuser

BERLIN. (hpd) Zoobetreiber versuchen gezielt, das mühsam erkämpfte Tierschutzrecht außer Kraft zu setzen, um völlig gesunde, aber "überzählige" Zootiere töten und an andere Zootiere verfüttern zu dürfen.

Anfang 2016 verlautbarte Dag Encke, Direktor des Nürnberger Tiergartens, in einem öffentlichen Vortrag1, er habe im Vorjahr sechzig "überzählige" Zootiere töten lassen. Es war diese Verlautbarung unschwer als gezielt eingesetzter "Versuchsballon" zu erkennen gewesen, über den die Reaktion der bundesdeutschen Öffentlichkeit auf die Tötung von Zootieren ausgelotet werden sollte.

Ein Aufschrei, wie er vor zwei Jahren in Zusammenhang mit der Tötung des vorgeblich nicht "reinrassigen" bzw. "nicht ins Zuchtprogramm passenden" Giraffenjungbullen Marius im Zoo von Kopenhagen erfolgt war,2 blieb aus. Insofern wird unter der Regie Enckes derzeit der gezielte Versuch unternommen, über flächendeckende Öffentlichkeitsarbeit das Töten "überzähliger" Zootiere gesellschaftsfähig zu machen und in der Folge eine Gesetzesänderung zu erwirken.3

Da deutsche Zoos gemäß den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes keine Tiere töten dürfen - mit Ausnahme eigens gezüchteter "Futtertiere" (Mäuse, Hamster, Kaninchen, Schafe, Ziegen etc., auch größere Huftiere und bestimmte Vögel, die alljährlich in millionenfacher Zahl in den Zoos getötet werden) -, fordern sie seit Jahren über ihren Dachverband (Verband der Zoologischen Gärten e.V./VdZ) eine rechtliche Befugnis, "überzählige" Tiere auch anderer Arten nach Bedarf und Gutdünken töten und ggf. auch verfüttern zu dürfen. Da gemäß § 17 Nr 1 TierSchG das Töten von Tieren nur bei Vorliegen eines "vernünftigen Grundes" erlaubt ist, plädiert der VdZ dafür, die Notwendigkeit des "Populationsmanagements" als ebensolchen Grund für die Tötung von Zootieren nach § 42 Abs.8 Satz 3 BNatSchG anzuerkennen.

Zeitgleich mit der Tötung des besagten Giraffenjungbullen im Zoo von Kopenhagen im Frühjahr 2014 - in Dänemark ist das Schlachten und Verfüttern von Zootieren prinzipiell erlaubt -, hatte der VdZ seine Forderung nach einer insofern "klareren Auslegung" des TierSchG bekräftigt. Da es seinerzeit aber - auch hierzulande - einen Sturm der Entrüstung gegen die Tötung der 18 Monate alten Giraffe gegeben hatte, war seitens des VdZ nichts weiter zur Sache unternommen worden. Erst jetzt, nachdem die öffentliche Empörung um den Tod von Marius sich gelegt hatte, suchte Encke, Vorstandsmitglied des VdZ, erneut auszutesten, auf welche Resonanz die Forderungen seines Verbandes im Jahre 2016 stoßen würden. Es geht Encke und dem VdZ um nichts weniger als den Versuch, das mühsam erkämpfte Tierschutzrecht außer Kraft setzen, um willkürlich nachgezüchtete und irgendwann - spätestens wenn sie ihre Rolle als Publikumsmagneten erfüllt haben - "überflüssige" Zootiere legal töten und ggf. als Futter weiterverwerten zu dürfen.

Da die Tötung der besagten sechzig Tiere im Nürnberger Tiergarten einen offenkundigen Verstoß gegen geltendes Tierschutzrecht darstellte, erstatteten zwei bundesweit agierende Tierrechtsorganisationen Strafanzeige gegen Zoodirektor Dag Encke. Das Ergebnis steht noch aus.

Rechtskräftig verurteilt

Ganz im Sinne des VdZ, gleichwohl nach geltendem Recht unzulässig, entledigte sich im Jahre 2008 der Zoo Magdeburg dreier "unbrauchbarer" Sibirischer Tiger. Die drei Tiere - Angehörige einer akut vom Aussterben bedrohten Art - wurden getötet, da sie nicht die "genetische Variabilität einer Unterart" aufwiesen, sprich: nicht "reinrassig" und damit zuchtuntauglich waren. Der zuständige Zoodirektor Kai Perret sowie drei seiner Mitarbeiter, darunter der angestellte Zootierarzt, wurden in der Folge auf Grundlage von § 17 Nr 1 TierSchG rechtskräftig verurteilt, da es bei der Tötung der Tiger an einem "vernünftigen Grund" gefehlt habe; diese sei, so das Landgericht Magdeburg (bestätigt vom OLG Naumburg), weder erforderlich noch angemessen gewesen.4

Es versteht sich, dass in den Zoos jährlich zigtausende "mysteriöser Todesfälle" auftreten, nach denen, sofern es sich nicht um publikumsattraktive und insofern individuell bekannte Großsäuger handelt, in aller Regel "kein Hahn kräht". Ein Zoo unterscheidet sich insofern nur unwesentlich von einem Schlachthaus.

"Halslangziehen"

Zum Berufsbild von ZootierpflegerInnen zählt zentral die Bereitschaft und Fähigkeit, eigenhändig sogenannte "Futtertiere" zu töten. Im Zuge ihrer Ausbildung werden sie angeleitet, diesen "fachgerecht" den Schädel einzuschlagen bzw. ihnen das Genick zu brechen. Die Fähigkeit, beim Töten von "Futtertieren" zusehen zu können "ohne mit der Wimper zu zucken", ist eines der entscheidenden Kriterien, um in die engere Auswahl für einen der begehrten Ausbildungsplätze zum Zootierpfleger zu kommen. Vielfach wird das "Halslangziehen" (=Genickbrechen) gar als eine Art "Initiationsritus" inszeniert.

Die "Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz" (!) empfiehlt in einem Maßgabepapier von 2011, beim "Töten von Kleinsäugern zu Futterzwecken" eines von drei "physikalischen Tötungsverfahren" anzuwenden: 1. Betäubungsschlag (Schlag auf den Kopf), 2. Dekapitation (Abtrennen des Kopfes), 3. Zervikale Dislokation (Genickbruch). Im Gegensatz zu "nicht akzeptablen Methoden" wie "Schlagen der Tiere über eine Kante oder Werfen auf den Boden", bei denen "Treffsicherheit und damit sicherer Eintritt des Todes nicht gewährleistet" werden könnten (die gleichwohl, wie PraktikantInnen verschiedener Zoos berichten, flächendeckend angewandt.werden, da sie schnell und unblutig vonstatten gehen), gelten die genannten Methoden als "tierschutzgerecht" und damit "akzeptabel". Alternativ seien auch "chemische Tötungsmethoden" wie etwa die Verabfolgung von Kohlenstoffdioxid (CO2) akzeptabel. 5


  1. vgl. www.nordbayern.de/region/nuernberg/im-tiergarten-nurnberg-mussten-60-tie... ↩︎
  2. vgl.www.spiegel.de/panorama/giraffe-marius-zehntausende-fordern-nach-toetung... ↩︎
  3. vgl./www.welt.de/wissenschaft/article155591028/Warum-gesunde-Zootiere-getoete... ↩︎
  4. LG Magdeburg: AZ: 26 Ns 120/10 vom 6.12. 2010 / OLG Naumburg: AZ: 2 Ss 82/11 vom 28.6.2011 ↩︎
  5. www.tierschutz-tvt.de/fileadmin/tvtdownloads/ToetenzuFutterzwecken2011.pdf 30.4.2016 ↩︎