MÜNSTER. (hpd) Am Mittwoch lud das Institut für Kriminalwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu einem Kolloquium über das Verhältnis von Religion und Gewalt. Da in der Öffentlichkeit aktuell besonders das Verhältnis des Islam zur Gewalt diskutiert wird, legte auch das Kolloquium hierauf seinen Schwerpunkt.
Unter der Moderation des Kriminologen Prof. Dr. Klaus Boers beleuchteten Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster, sowie Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack, Sprecher des Exzellenzclusters "Religion und Politik", das Verhältnis von Religion und Gewalt aus theologischer und soziologischer Perspektive.
Khorchide stellte mit erstaunlicher Offenheit fest, dass es bei den monotheistischen Religionen ein Gewaltpotential gibt. Die Frage sei jedoch, woher dieses Gewaltpotential stamme und ob Religionen tatsächlich die Ursachen für gewalttätige Konflikte seien oder ob diese nicht eher ein multifaktorielles Problem darstellten. Auch wenn Letzteres sicherlich der Fall sei und insbesondere hinsichtlich der Radikalisierung junger Europäer für den IS das Phänomen der "ausgehöhlten Identität" durch die Arbeitermigration eine Rolle spiele, zeige sich jedoch, dass die monotheistischen Religionen Merkmale hätten, die für eine Radikalisierung missbraucht werden könnten.
Allerdings, so Khorchide, würden nicht nur die Anhänger von Religionen zur Gewalttätigkeit neigen. Dies zeigten die großen atheistischen politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts. – Eine bekanntermaßen problematische Verkürzung von Nationalsozialismus und Stalinismus, da diese ihre Verbrechen eben nicht im Namen des Unglaubens, sondern im Namen ihrer jeweiligen Ideologie begingen, die selbst wieder quasi-religiösen Charakter hatte. Bedauerlich an diesem Teil von Khorchides Ausführungen ist vor allem, dass es dieses ins Leere treffenden Schlags gegen den Atheismus überhaupt nicht bedurft hätte, um die simple Tatsache darzustellen, dass religiöse Menschen manchmal gewalttätig sind, manchmal aber auch nicht, und dass manchmal auch nicht-religiöse Menschen zu Gewalt neigen.
Was das Potential vor allem monotheistischer Religionen zum Schüren der Gewalttätigkeit ihrer Anhänger betrifft, sah Khorchide das Problem in der Möglichkeit einer exklusivistischen Interpretation dieser Religionen durch ihre Funktionäre und Anhänger. Das Problem, so Khorchide, sei das falsche Gottesbild, das hier den Gläubigen vermittelt würde – teilweise gezielt, um Religion als Mittel für den Machterhalt zu missbrauchen. Wer Gott als "Anti-Humanisten" zeichne, der nur jene liebe, die genau ihn verehren – und dies noch dazu in der richtigen Weise –, der erzeuge eine künstliche Spannung zwischen Gott und der Menschlichkeit. Außerdem werde so die Grundlage für eine religiös begründete Hierarchie geschaffen. Wenn Gott Andersgläubige bestraft, so Khorchide, warum soll dann nicht auch ein Fundamentalist in seinem Namen Strafen vollziehen?
Khorchide sieht die Lösung der Gewaltproblematik in Hinblick auf die monotheistischen Religionen im Allgemeinen und den Islam im Besonderen daher in der Durchsetzung eines anderen Gottesbildes. Als islamischer Theologe vertritt er die Auffassung, dass die Gott-Mensch-Beziehung als Liebe interpretiert werden müsse und dass Gott "ein humanistischer Gott" sei. Durch die Ausbildung von Islam-Lehrern am Zentrum für Islamische Theologie in Münster und andernorts hofft Khorchide, seine theologische Auffassung unter kommenden Generationen von Muslimen verbreiten zu können. In Anbetracht der überwältigenden Mehrheit von Muslimen, die doch eher einer exklusivistischen Interpretation ihrer Religion anhängt, ein hehres Ziel. Ganz abgesehen von der üblichen Problematik jeder Theologie, dass der Wahrheitsgehalt einer Theorie über das Wesen Gottes in Ermangelung eines fassbaren göttlichen Subjekts nicht überprüfbar ist.
Religionssoziologe Detlef Pollack, obwohl selbst gelernter Theologe, umschiffte die Untiefen der Gottestheorien und konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf empirisch belegbare soziologische Aspekte des Verhältnisses von Religion und Gewalt.
Deutlich sei, so schickte Pollack seinem Impuls-Vortrag voraus, dass sich in Deutschland die Beurteilung von Religion während der vergangenen Jahre und Jahrzehnte dramatisch gewandelt habe. Während früher Religion mehrheitlich als friedensfördernder Faktor wahrgenommen wurde, werde Religion von einer Mehrheit der Deutschen heute als Brandbeschleuniger betrachtet. In der Tat, so Pollack, böte Religion beide Möglichkeiten, da sie eine Art plastischer Stoff sei, der von verschiedenen Seiten verformt werden könne.
Eine Religion wird laut Pollack in der deutschen Bevölkerung besonders stark als Bedrohung wahrgenommen: der Islam. Zur Frage, ob dieses Bedrohungsempfinden gerechtfertigt ist, ob also Muslime tatsächlich ein erhöhtes Gewaltpotential und einen Hang zum Fundamentalismus haben, verwies Pollack auf eine aktuelle Emnid-Umfrage über Integration und Religiosität unter Türkeistämmigen in Deutschland. Die Ergebnisse dieser Umfrage, die im Auftrag des Exzellenzclusters "Religion und Politik" durchgeführt wurde, wird Pollack am kommenden Donnerstag in Berlin öffentlich vorstellen.
Grundsätzlich, so hielt Pollack fest, hänge das Friedenspotential einer Religion von ihrer Fähigkeit zur Selbstkritik ab sowie ihrer Befähigung, ein kritisches Verhältnis zur eigenen Tradition einzunehmen. Diese Kritik funktioniere jedoch nur, wenn sie sich innerreligiös und freiwillig vollzöge. Als positives Beispiel für die Entwicklung einer solchen Selbstkritik nannte Pollack die Katholische Kirche und das Zweite Vatikanische Konzil.
Unwirksam sei es hingegen, einer Religion die Selbstkritik von außen zu verordnen. Insbesondere hinsichtlich des Islam sei der diesbezüglich ausgeübte Druck der westlichen Welt kontraproduktiv, da die Kolonialismus-Erfahrung in der Selbstwahrnehmung vieler Muslime noch immer eine große Rolle spiele und zu einem Gefühl des Verletzseins führe. In gewisser Weise müssten Terrorakte daher auch als Form der Kommunikation verstanden werden: Nehmt uns ernst! Versucht nicht, uns zu kolonialisieren!
Abschließend unterstützte Pollack Khorchides These, dass die großen aktuellen gewalttätigen Konflikte sicherlich mehrere Ursachen hätten, dass es jedoch falsch sei zu sagen, sie hätten nichts mit Religion zu tun. Vielmehr wirke Religion bei diesen Konflikten, in denen es um ethnische und politische Interesse gehe, als dynamisierende Kraft.
15 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
In dem Interview, dass ich mit Prof. Khorchide für den hpd führen durfte (http://hpd.de/artikel/12305/seite/0/1), hat er sich folgendermaßen zum Thema "Islam und Gewalt" geäußert:
"Natürlich hat das [Gewalt, Anm.] mit Religion zu tun. Auch überhaupt die Frage nach Gewalt im Islam: Hat es mit dem Islam zu tun? Weil auch innerhalb der islamischen Tradition – nicht viele -, aber Positionen gibt, die gewaltbejahend sind, das muss man klar sagen. Und es gibt im Koran auch Stellen, die auf Gewalt eingehen. Die Frage, die ich immer stelle, ist die Frage der Lesart. Wie lese ich diese Positionen? Positionen von Gelehrten, die Gewalt bejahen, die muss man ohne Wenn und Aber verwerfen. Koranische Texte - weil ich eben als Theologe davon ausgehe, dass diese Texte eine gewisse göttliche Legitimation haben - kann ich nicht verwerfen, sondern ich muss die jeweilige Lesart verwerfen, die Gewalt bejaht und das im historischen Kontext verorten."
Er hebt also sehr stark auf die "Lesart" ab. Diese muss - da Prof. Khorchide seinen Kollegen verschiedene Lesarten attestiert - im Grunde beliebig sein.
Das ist in jeder Religion so, weil es keine objektive "Qualitätskontrolle" gibt. Natürlich gibt es viele (heute sicher alle (?)) evangelische Theologen, die Gewalt gegen Andersdenkende ablehnen. Doch hat nicht gerade der Begründer des Protestantismus, Dr. Martin Luther, mit seiner "sola scriptura"-Lesart - indem er die Bibel wörtlich auslegte - zum Hass und zur Gewalt gegen Andersdenkende (Juden, Muslime und Papstanhänger) aufgerufen? Wenn also heute ein gutmütiger Theologe auf dem biblischen Herd sein eigenes Ei backt und freudestrahlend verkündet, seines sei z.B. nicht rassistisch (im Gegensatz zu Luthers Ei), welchen Wert und welche Beweiskraft hätte dies? Beide nutzen die Bibel, Luther liest jedoch daraus, dass alle Juden Lügner seien, während sein heutiger Kollege aus denselben Worten herausliest, dass man Nächstenliebe auch Juden entgegenbringen muss.
Für mich ist also letztlich völlig irrelevant, was ein heutiger christlicher Theologe oder Prof. Khorchide für den Islam über sein "heiliges" Buch aussagt, welche Lesart er persönlich bevorzugt. Denn bereits morgen (und im Fall des Islams, wie Khorchide selbst zugibt, bereits heute) könnte ein wirkmächtiger Theologe Gewalt aus Bibel oder Koran begründen und als göttlich legitimiert darstellen.
Welche Maßnahmen gegen diese Gefahr sind denkbar? Sämtliche "heiligen" Bücher werden als Menschenwerk ohne jede "göttlich" Legitimation deklariert - also nicht "ich glaube, Gott ist barmherzig" (Khochide) oder "ich glaube, Gott verlangt von uns, alle Ungläubigen zu töten", sondern ohne Wenn und Aber: "Alle Bücher der Erde, die je geschrieben wurden, sind Menschenwerk!"
Doch würde dies allein keinen echten Fortschritt bringen, weil nun praktisch jeder Theologe anderer Meinung sein und Bibel und Co. doch als "Gottes Wort" ansehen könnte. Selbst ein Verbieten dieser Bücher brächte keinen Gewinn, weil sie bereits viel zu verbreitet sind. Und Werke im Untergrund - siehe "Mein Kampf" - üben eine besondere Strahlkraft auf ihre Anhängerschaft aus. Deshalb scheiden auch kommentierte oder redigierte Versionen als Lösung aus.
Aus meine Sicht hilft nur konsequente Vermeidung frühkindlicher Indoktrination und aufklärerischer Religionskundeunterricht anstelle von Bekenntnisunterricht.
Schule soll Wissen vermitteln. Wissen, das hilft, die Welt besser zu verstehen. Wenn Kinder frühzeitig darüber informiert werden, dass Religionen einst Krücken waren, sich die Welt zu erklären und identitätsstiftende Gemeinschaft zu bilden und dass diese beiden Ansprüche mittlerweile durch Wissenschaft und moderne Theorien über das Staatswesen abgelöst wurden, dann könnte dies die Gefahr, die von "heiligen" Büchern ausgeht, mindern.
So sehr ich also Prof. Khorchide bei seinem Weg zum humanistischen Islam Glück wünsche, so sehr zweifele ich daran, dass er Erfolg haben kann. Bei Einzelnen gewiss, doch nicht bei allen und für immer.
Allmacht und Ewigkeit ist den Göttern vorbehalten...
Dieter Bauer am Permanenter Link
Erkennt man die Dialektik der "Glaubensverteidiger", so wird uns bewusst, dass keinerlei Bereitschaft hin zu Wissenseinsatz und daraus resultierendem Handeln gegeben ist.
little Louis am Permanenter Link
Zur Rede von der "Lesart" :
Wenn jemand (einGläubiger) sagt, ein Text sei nur in einer "neuen Lesart" gültig, dann kann das eigentlich nur bedeuten, dass er nicht oder nicht mehr (ganz) an den OriginaltextText( in der alten Lesart) glaubt.
Insofern und in einem etwas formalen Sinn haben eventuell alle Fundamentalisten mit ihrer Kritik an den "Reformern" als Ungläubige recht.
Schwierige Frage: Wer von beiden Gruppen sind die Ehrlicheren oder welche Position (diesbezüglich) ist intellllektuellll konsistenter?
David am Permanenter Link
Ich schätze Herrn Khourchide. Aber hier greift sein Ansatz zur kurz. Wer Religionen und speziell die Monotheismen hinsichtlich ihrer Ideen und Konzepte pauschalisiert, verbaut sich den Weg zu einer Lösung.
Religionen sind nicht alle gleich, genau so wenig wie Ideologien alle gleich sind. Sie unterschieden sich sowohl in Anzahl als auch Ausmaß der schlechten Ideen. Den Zusammenhang zu Ideologien stellt Herr Khourchide ja offensichtlich sogar selbst her und es verwundert, warum er diesen Gedanken hinsichtlich der Unterschiedlichkeit nicht zuende denkt.
"Das Problem, so Khorchide, sei das falsche Gottesbild, das hier den Gläubigen vermittelt würde "
Dieser Ansatz ist löblich, bringt uns aber auch nicht weiter als das übliche "meine Interpretation vs deine Interpretation". Wichtig ist zuvor ganz maßgeblich die Historifizierung der Religion. Mohammed gehört ins Frühmittelalter genau so wie seine Religionsdefinition ("die wörtliche, unveränderbare und letzte Offenbarung Gottes"). Solange dieses Umdenken nicht erreicht wird, verbleiben wir im intellektuell so über alle Maßen unehrlichen Interpretationsspiel: "und dann schlagt sie" wird fröhlich zu "und dann streichelt sie" uminterpretiert, was freilich weder für die eine noch die andere Seite gesund ist.
"Diese Kritik funktioniere jedoch nur, wenn sie sich innerreligiös und freiwillig vollzöge. Als positives Beispiel für die Entwicklung einer solchen Selbstkritik nannte Pollack die Katholische Kirche und das Zweite Vatikanische Konzil"
Na diese Behauptung ist aber sehr gewagt. Als ob nicht vielmehr von aussen eindringende Gedanken den Denk- und Reformprozess eingeleitet und kontinuierlich pressiert hätten. Ohne Druck von aussen hätte sich kaum etwas bewegt.
"Insbesondere hinsichtlich des Islam sei der diesbezüglich ausgeübte Druck der westlichen Welt kontraproduktiv, da die Kolonialismus-Erfahrung in der Selbstwahrnehmung vieler Muslime noch immer eine große Rolle spiele "
Sorry, aber dies halte ich für eine ziemlich feige Position. Wie soll man denn sonst den wenigen progressiven Muslimen den Rücken stärken, wenn noch nicht mal der Westen für seine Positionen eintritt und folglich auch kritisch mit anderen Positionen umgeht.
"In gewisser Weise müssten Terrorakte daher auch als Form der Kommunikation verstanden werden: Nehmt uns ernst! Versucht nicht, uns zu kolonialisieren!"
Diesen Satz halte ich für ziemlich ignorant. Er zeigt einmal mehr den üblichen Unwillen, sich der tatsächlichen Problematik zu stellen: Dänische Zeitungen haben niemanden kolonialisiert. Die Schwulen in Orlando haben niemanden kolonialisiert. Die unter Polizeischutz stehende Ayaan Hirsi Ali hat niemanden kolonialisiert usw. Die allseits bekannte religiöse Gewalt als banales Aufmerksamkeitsdefizit zu deuten, ist so falsch wie gefährlich.
Und überhaupt, wieviel Zeit muss eigentlich noch vergehen, bis dieses "Argument Kolonisation" seinen Reiz verliert? Noch einmal 100 Jahre? 200 Jahre? Und warum spielt immer nur die Kolonisationen "des Westens" eine Rolle, die eines der größten imperialistischen Reiche der Geschichte, dem Osmanischen Reichs, aber nie?
Markus Schiele am Permanenter Link
"Als positives Beispiel für die Entwicklung einer solchen Selbstkritik nannte Pollack die Katholische Kirche und das Zweite Vatikanische Konzil."
Man möge mir nachsehen, dass ich an dieser Stelle laut lachen musste.
In gewisser Weise "süß" empfand ich folgende Stelle:
"In gewisser Weise müssten Terrorakte daher auch als Form der Kommunikation verstanden werden: Nehmt uns ernst! Versucht nicht, uns zu kolonialisieren!"
Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass die Herren Khorchide und Pollack wohlmeinende Menschen sind, aber neue Einsichten scheint man von dieser Seite nicht erwarten können. Bemerkungen zum Begriff "Excellenzcluster" erspare ich mir an dieser Stelle lieber ...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Selbstverständlich zog der Nationalsozialismus "nicht im Namen des Unglaubens" in den Angriffskrieg, sondern im Namen des Glaubens: GOTT MIT UNS.
Konsequent zu Ende gedacht: Humanismus benötigt keinen einzigen Gott.
Doch, das geht.
Mad Scientist am Permanenter Link
"Gott mit uns " war der Schlachtruf des späten Römischen Reiches und des Byzantinischen Reiches, auf deutsch wurde dieser Ausspruch zuerst vom Deutschen Orden verwendet und war seit 1701 der Wahlspruch Preus
Hans Trutnau am Permanenter Link
Na, dann den Wiki-Eintrag nur ein paar Sätze weiterlesen...
Philo am Permanenter Link
Solange Menschen um ihre existenziellen Sicherheiten fürchten, wird es keine friedliche Menschheit geben.
Thomas am Permanenter Link
Ich hab in dem Kontext schon an anderer Stelle diesen Link zu ebendieser Thematik gepostet: http://www.violence.de/prescott/bulletin/article-d.html
Oliver Tausend am Permanenter Link
Diese beiden Absätze muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Leider hinterlassen sie bei mir einen sehr bitteren Nachgeschmack.
Ich zitiere aus obigem Artikel:"Insbesondere hinsichtlich des Islam sei der diesbezüglich ausgeübte Druck der westlichen Welt kontraproduktiv, da die Kolonialismus-Erfahrung in der Selbstwahrnehmung vieler Muslime noch immer eine große Rolle spiele und zu einem Gefühl des Verletzseins führe."
Es gibt auf dieser Welt leider viele Gruppen, viel zu viele, die sich zu Recht ausgegrenzt und kolonialisiert fühlen könnten und dies vielleicht auch tun: Armenier, Juden, native Americans, Hispanics, Aborigines, Maori, SPD-Parteimitglieder usw.
Keine dieser Gruppen greift zu solchen Mitteln wie bestimmte Anhänger Mohammeds. Nicht das Gefühl der Ausgegrenztheit ist der Treiber für Gewalt und Terror, die Ideologie der Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen, ist es, die manche gewalttätig werden lässt und andere nicht.
Und gibt der Urheber dieser Zeilen nicht automatisch zu, dass die islamische Ideologie per se gefährlich ist, wenn man Anhänger derselben angeblich nicht "unter Druck" setzen darf? Das Gegenteil ist richtig: Der Druck muss erhöht werden! Immer gegen die Ideologie, nicht gegen die Menschen, die an diese glauben, denn diese sind im Grunde Opfer, Opfer frühkindlicher Indoktrination.
Das Narrativ "Kolonialisierung und Ausgegrenztheit" verfehlt leider komplett das Thema.
Und weiter:"In gewisser Weise müssten Terrorakte daher auch als Form der Kommunikation verstanden werden: Nehmt uns ernst! Versucht nicht, uns zu kolonialisieren!"
Erschreckend, einfach nur erschreckend, ist das eine Erklärung des islamischen Terrors oder eine Rechtfertigung?
little Louis am Permanenter Link
Zu:
"..."In gewisser Weise müssten Terrorakte daher auch als Form der Kommunikation verstanden werden: Nehmt uns ernst! Versucht nicht, uns zu kolonialisieren!"......"
Ich weiß nicht, ob dem Autor solcher Zeilen bewusst ist, dass sich (neben einer Religionsgruppe) auch gegenwärtig ein noch weit größerer Teil der Weltbevölkerung zumindest in ökonomischer Hinsicht in gewisser Form "kolonisiert" fühlen könnte.
Da er den Terror der historisch kolonisierten offenbar zumindest ansatzweise für moralisch berechtigt zu halten scheint, würde mich interessieren, ob er für Terrorismusphantasien dann auch Verständnis hätte, wenn sie innehalb der (Mehrheit) der ökonomisch (bis zur Existenzkrise) unterprivilegierten Verbreitung fänden. Das wäre ja nicht neu. Einen solcherart moralisch legitimierten Anarchismus/Terrorismus gibt es ja schon lange.
Mark Keller am Permanenter Link
Ich finde es immer interessant, wie hier der Vorwurf des "Missbrauches" der Religion immer wie ein Schild vor sich her getragen wird - als ob die Interpretierbarkeit der Religionen nicht schon der Denk- und
Eine angeblich "wahre" und "perfekte" Religion hätte keinen Interpretationsspielraum, der sie sowohl als Anleitung zu "Liebe und Frieden", aber genauso plausibel als Anleitung zum "Bombenbau" mutieren lässt.
Mir stellt sich dabei nur die Frage, welche Implikationen und Handlungsimperative diese Erkenntnis dann mit sich zieht.
Soll man den Gläubigen nun die "Friedensreligion" predigen, um schlimmeres zu verhindern, oder ihnen diesen Umstand um die Ohren hauen, auch auf die Gefahr hin, dass "die Schotten dicht" gemacht werden und sich dadurch unter Umständen noch mehr Gläubige radikalisieren?
Ich sehe darauf keine befriedigende Antwort, und ich frage mich dabei, ob sich Khorchide und viele andere Theologen dieser Problematik bewusst sind, dies aber verschweigen.
Außerdem würde ich gerne wissen, wie jemand wie Khorchide auf den Einwand reagieren würde, dass es für den "humanistischen Gott" eines äußeren humanistischen Bewertungsmaßstabs bedarf, der die Religion dann an sich gleich obsolet macht, weil man sich dann gleich an bei der äußeren Bewertungsquelle bedienen könnte.
Irgendwelche Taschenspielertricks werden sich da bestimmt schon aus dem Hut zaubern lassen. Dennoch würde mich die Antwort interessieren, weil ich daraus ableiten würde, wie dieser Mann überhaupt tickt, und ob seine Versuche überhaupt von Erfolg gekrönt sein könnten.
little Louis am Permanenter Link
@ Mark K. zu:
Meine Meinung (!) dazu:
Man soll in der privaten und öffentlichen Diskussion mir ihnen, bei den (für wen auch immer unangenehmen ) "Wahrheiten " über die Religion(en) zu bleiben und versuchen, diese sogur es geht zu beweisen, auch wenn man immer damit rechnen muss, dass rationale Argumentation für sie (zumindest was Religion betrifft) oft keinerlei Wert besitzt, da in ihrer Denkweise das Wort eines Proheten oder die Offenbarungen/Schriften so ewas ja überflüssig machen.
Strategische Relativierungen der eigenen Position und die Rücksichtnahme auf reales oder strategisches Beleidigtsein wird erstens in vielen muslimischen Kulturkreisen als "Schwäche" und Hinweis auf die Untelegenheit liberaler Demokratien interpretiert.
Und zweitens ist es völlig ungewiss,ob eine "Umerziehung" zu einer erhofften "Friedensreligion" überhaupt funktioniert oder überhaupt möglich ist. Überdies halte ich es für ethisch zweifelhaft, ob "wir " das Recht haben, den Gläubigen einen modifizierten Glauben zu predigen.
Sehr wohl haben wir allerdings das Recht und sogar die Pflicht, sie auf (eventuelle) unvereinbarkeiten ihres Glaubens mit mit den liberaldemokratischen Grundlagen einer offenen Gesellschaft hinzuweisen.
(Und auch darauf zu verpflichten - und zwar unabhängig davon, ob sie deutsche Staatsbürger sind oder nicht).
Und das ohne irgendwelche Rücksichten auf deren eventuelle negativen psychologische Befindlichkeiten.
Die Intoleranz zu tolerieren ist weder demokratisch noch humanistisch, sondern führt letztendlich zum demoratisch- humanistischen Selbstmord (auf Raten).
Mark Keller am Permanenter Link
Klar, die Entwicklung einer gemäßigten Religion, die dann auch Anhängerschaft findet, kann nur von den Gläubigen selbst ausgehen.
Einflussnahme beginnt aber vielleicht schon früher, nämlich dort, wo man in den innereligiösen Diskurs eingreift, indem man bestimmte Fraktionen bevorzugt und begünstigt, während man andere willentlich abkanzelt.
Konkret: jemanden wie Khorchide würde ich aus meiner subjektiven Sicht heraus vielleicht noch ideell unterstützen, Salafisten hingegen nicht - selbst wenn ich die Positionen beider nicht für rational halte.
Weiterhin stellt sich dann die Rolle des Staates dabei.