Thomas Strobl verleumdet Ungläubige

Meisen bei Menschberger

Was die diversen Schwatzbuden im abendlichen Fernsehen betrifft ist man ja Kummer gewohnt. Bei der gestrigen Talkrunde – nein, nicht bei Maischberger – bei Maybrit Illner zu dem Thema "Wer folgt noch Angela Merkel?" hatte sich eine zugegeben eher wenig illustre Runde versammelt. Dennoch hoffte man, die Zeit bis zum Umschalten zu Dieter Nuhr mit einer zumindest halbwegs erhellenden Debatte überbrücken zu können. Nun soll an dieser Stelle keine Kritik an besagter Sendung erfolgen, denn sie war es vielleicht gar nicht wert, viele Worte über sie zu verlieren.

Vielleicht? Nun, um das redlich beurteilen zu können, hätte man natürlich die ganze Diskussion anschauen müssen. Aber in der Tat war das Niveau nicht dazu angetan, so gefesselt zu werden, dass man nicht "nuhr" die Fernbedienung zu betätigen vergessen könnte. Ja, ich habe nur einen Teil gesehen, und insofern verbiete sich ein Gesamturteil meinerseits.

Jedoch sollte eines nicht unerwähnt bleiben: Dass sich Thomas Strobl (CDU) – im Kabinett Kretschmann ist er baden-württembergischer Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident – erdreistet, die übliche Leier der christlich-abendländischen Werte zu drehen, überrascht zwar nicht wirklich, wenn gleich es auch immer wieder verärgert, wenn zum einen humanistische Werte trivial vereinnahmt, und zum anderen dann aber auch wie dort erkennbar missbraucht werden, um den (rechten) Parteiflügel unter das "C" der Partei zu pressen, nach dem Motto: Hilfsbereitschaft (gegenüber Flüchtlingen) mag ja schlecht ankommen, aber redet nicht darüber; wir sind ja eine christliche Partei, deswegen mussten wir so handeln. Und mit dieser Auslegung könnt ihr euch gegenüber den Richtung AfD abdriftenden Wählern (oder gar Parteimitgliedern) artikulieren.

"AfD ist atheistisch"

Richtig übel aber wurde es, als Strobl nach seiner x-ten Wiederholung der christlichen als die per definitionem einzig guten Werte den anwesenden AfD-Politiker Matthias Manthei (AfD-Landesparteivorsitzender Mecklenburg-Vorpommern) und die flüchtlingsfeindliche Haltung dessen Partei pauschal als atheistisch bezeichnete, bzw. in Strobel’schen Tonfall als atheistisch "beschimpfte".

Die Konnotation der "Szene" war natürlich eindeutig abwertend gemeint und unumwunden auch so zu verstehen, aber in einer Weise, die die Grenze des Erträglichen bei weitem überschritt. Das eine sind die durch und durch Guten, weil Christen, das andere sind die unsäglich Schlechten, also die Atheisten. Und so hat er zwei Fliegen mit einer Klappe zu erledigen geglaubt: die AfD ist schlecht (wer würde ihm da bei aller Einfalt der simplen Kategorie widersprechen wollen) und damit atheistisch, und Atheisten hat er dann sogleich in die unmittelbare Nähe zur "Gedankenwelt" der AfD gerückt. (Vermutlich verfolgt er auch hier das Ziel, zu verhindern, dass sich noch mehr christlich verortete Wähler der AfD (weil angeblich "atheistisch") zuwenden; Petry, von Storch und andere werden einfach ausgeblendet.)

"Gute Werte" (hier Hilfsbereitschaft) gleich christlich, das Gegenteil davon muss dann also atheistisch sein. In dieser dreisten Simplifikation hat man vor allem so manchen reaktionären religiösen Würdenträger in Erinnerung (Marke Dyba, Mixa, Meisner und Co.), andere tarnen diese Denkweise etwas "geschickter" und versuchen die an sich gleiche Haltung durch pseudo-differenzierte Schwurbelei zu kaschieren.

Nun also Schäubles Schwiegersohn Strobl ("Der Grieche hat jetzt lang genug genervt!"); er ist bekannt für simplifizierende Direktheit und hat sich wieder einmal dergestalt offenbart.

"Und ich bin doch gläubig!"

Noch irritierender und eigentlich skandallöser war allerdings, dass sich niemand der Anwesenden zu dieser Diffamierung zu äußern wusste, weder Manuela Schwesig, SPD, noch Gabor Steingart (Handelsblatt) noch Albrecht von Lucke (Politikwissenschaftler). Auch Maybrit Illner lies dies unhinterfragt so stehen. Sollte aber im umgekehrten Fall jemand eine Religion so plattitüdenhaft pauschal negativ konnotieren, würden die Zurückweisungen mutmaßlich auf dem Fuße folgen.

Allein der in dieser Weise angegriffenen AfD-Politiker (zuvor in der CDU!) mochte sich dazu äußern. Aber anstatt das Kompliment dankend anzunehmen bezichtigte er sich in demütiger und offen-ehrlicher Weise, selbst durchaus gläubig zu sein. Da sage noch jemand, Politiker seien nicht ehrlich!

Welche eine Ironie. Seine weitere Einlassung könnte man zunächst sogar so stehen lassen, da er sagte, dass Religion aber nicht politisches Handeln bestimmen dürfe. Allerdings hat auch er damit wiederum Hilfsbereitschaft und Empathie als ausschließlich religiös motiviert denunziert. Oder reklamierte er gar Rationalität für sich? Und ist dann in seinem Sinne Hilfsbereit­schaft und empathisches Handeln als bar jeglicher Rationalität anzusehen? Und inwieweit treffen diese Kategorien auf das gegenwärtige politische Handeln überhaupt zu?

Nein, da wurde nichts weiter hinterfragt. Religion ist gut, Unglaube schlecht. So einfach ist die Welt. Und natürlich gilt auch der bekanntermaßen sich "daraus ableitende" Umkehr­schluss: weil etwas "gut" ist, muss es mit Religion zu tun haben, und wird etwas als "schlecht" angesehen, ist es "folglich" atheistisch. Oder konkret in diesem Fall: die AfD ist atheistisch, weil sie gegen Flüchtlinge hetzt. Beweis für diese These: Weil ja ein Herz für Flüchtlinge zu haben (nur) christlich sei, ist also das Gegenteil davon gleich atheistisch. Diese brillante logische Schlussfolgerung, die sich aus Strobls Äußerungen heraus­destillieren ließ, macht ihn verdächtig, den nächsten Nobelpreis für Philosophie zu bekommen. Was, den gibt es gar nicht? Na, dann bleibt zumindest das "Goldene Brett".

Das bei weitem größte Ärgernis, welches mir persönlich bei dieser Sendung widerfuhr, war aber, da ich redlicherweise abgewartet hatte, ob nicht doch noch jemand den Strobel’schen Ausfällen entgegenzutreten gedenkt, dass ich das rechtzeitige Umschalten (dann doch) für eine kleine Weile vergessen hatte und so ein gutes Stück des Satiregipfels nicht mitbekommen (mit erklommen) habe. Allerdings entschädigte Dieter Nuhr dann sogleich und wie gerufen mit seinem Statement, dass nämlich die Rechten und Braunen mit ihren dumpfbackenen Attitüden der wichtigen und unbedingt notwendigen Religionskritik einen Bärendienst erweisen würden. Wie wahr! Immerhin der echte Satiregipfel…!

Ob Maybrit Illner, Sandra Maischberger oder Frank Plasberg, ob Anne mal wieder will oder gar Markus eine Lanz(e) für tiefergelegte Mittelmäßigkeit bricht, Religionskritik verliert sich bei diesen Formaten – wenn sie überhaupt thematisiert wird – i.d.R. in Äußerlichkeiten; substantielle Auseinandersetzung meidet man dann doch lieber.

Stattdessen können sich nicht selten so manche Schaumschläger wichtig tun, oder "Simplifikateure" wie Strobl ihre flachen Statements raushauen, so dass man von dieser Weise angesteckt in ähnlicher Manier seufzt: "Mensch, der hat wohl ne Meise!"

Und so pflege ich eine vergleichsweise misslungene Talkrunde zu nennen (einerlei, wer moderiert): "Meisen bei Menschberger". Eventuelle Ähnlichkeiten mit bestehenden Formaten sind rein zufällig.