Mit Sascha Bisley im Gespräch

Nazis, Hools und desaströse Integration

Rechtsextreme, Fußballfans oder bürgerliche Mitte: "Der Rassismus ist nicht in der Gesellschaft angekommen, er war schon immer da", sagt Sascha Bisley. "Wahrscheinlich wird er auch nie verschwinden." Der Dortmunder Autor und Filmemacher kennt die gewaltbereite Szene. Zuletzt sprach er als Reporter für ZDFinfo mit deutschen Hooligans – mit Zahnärzten und Polizistensöhnen.

Jeder Reporter hat seine eigenen Wege, zu einem Thema zu finden: die einen wühlen sich durch Aktenberge, manche recherchieren vor Ort. Sascha Bisley schöpft aus seiner Vergangenheit und findet so oftmals einen ganz anderen, intensiveren Zugang zu Geschichten.

Als Jugendlicher nahm ihn die rechte Szene auf, gab Bisley das Gefühl von Anschluss und Zugehörigkeit. Entscheidende Anreize extremistischer Gruppierungen, wie er sagt. "Hätten damals die Linken vor meiner Tür gestanden, ich wäre wahrscheinlich dort gelandet." Denn: Extremisten – egal ob Linke, Rechte oder Salafisten – nutzen dieselben Mechanismen, um Menschen von den Straßen zu rekrutieren. "Die Belohnungssysteme sind immer die gleichen", sagt er.

Mit den neuen Freunden verlor er sich in gesellschaftlichen Abgründen, in Gewalt- und Alk-Exzessen, die im Gefängnis  und schließlich in einem Selbstmordversuch endeten. Diesen Weg und Wendepunkt hat der Dortmunder in seiner Autobiographie "Zurück aus der Hölle" verarbeitet.

Den Zeigefinger unten lassen

Mittlerweile spricht Bisley fürs Innenministerium mit Jugendlichen an Schulen, erzählt seine Geschichte, setzt sich für Gewaltprävention und Aussteiger der rechten Szene ein. Auch dort findet er oft einen anderen Draht zu den Jugendlichen. Ob als Sozialarbeiter oder Reporter – er passt selten ins klassische Bild: Tätowierungen überziehen fast vollständig Bisleys Körper, ein Goldzahn blitzt, wenn er lacht.

Für die Doku-Reihe "Szene Deutschland" ist er nun in die Randgebiete unserer Gesellschaft vorgedrungen, bekam Zugang zu Menschen, die sonst verschlossen bleiben, bewegte sich "unter Junkies" und "unter Hooligans". "Wir wollten nicht im klassischen Sinne an die Themen rangehen, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger", sagt er.

Nährboden für Rassismus

Mit der Hooligan-Szene kennt sich Bisley aus. Er selbst hätte sich zwar nicht als einen solchen bezeichnet, "dafür war ich zu jung. Ich war eher das Maskottchen, das dort mitgelaufen ist, wo es was zu prügeln gab", sagt er, habe damals wie heute "einfach Spaß an Grenzgebieten gehabt."

Und so redete der Reporter mit aktiven und ehemaligen Hooligans über deren Leben und Beweggründe. Als getriebene und suchende Menschen beschreibt Bisley seine Protagonisten. Rund 13.500 Fußballfans gehören zur prügelnden Szene: vom Zahnarzt bis zum Polizistensohn - Hooligans finden sich überall. Außerdem gäbe es eine deutliche Tendenz nach Rechts. Die Gewaltbereitschaft sei, sagt Bisley, ein "super Nährboden sowas in einer Gruppierung gedeihen zu lassen".

Selbstherrlicher Nazi-Kiez

Eine rechte Speerspitze der Hooligan-Szene im Ruhrgebiet der 1980er Jahre war zum Beispiel die Dortmunder "Borussenfront", damals eine der zentralen Figuren der gewaltbereiten Gruppierung das Neonazi-Urgestein Siegfried "SS-Siggi" Bochardt. 2014 wiederum bekam Borchardt ein Mandat im Dortmunder Stadtrat für die Nazi-Partei "Die Rechte". Gewalt, Hools und Politik spielen oft eng zusammen.

Dortmund ist bekannt für seine rechtsextreme Szene. Besonders der Stadtteil Dorstfeld. Ganze Wohnblöcke stehen dort unter der Kontrolle bekannter Neonazis. Reporter werden auf den Straßen angefeindet, Häuserfassaden in erschreckend selbstherrlichem Auftreten mit schwarz-weiß-roten Fahnen und dem Schriftzug "Nazi-Kiez" besprüht.

Für die letzten zwei Monate in diesem Jahr haben die Rechtsextremen allein in Dorstfeld neun Demonstrationen angemeldet. Prinzip: Gesicht und Präsenz zeigen. Allerdings spielt die Öffentlichkeit den Rechten ebenso in die Hände, meint Bisley.

Vollidioten im Falle einer Regierungsbildung

"Integration hat in Deutschland nie richtig stattgefunden", sagt er. Es sind selbst gemachte Probleme, durch eigene Versäumnisse. Seien es die Türken in den 1970ern oder die heutigen Flüchtlinge. "Die Stadt hat immer noch nicht gelernt, die Ghettoisierung zu vermeiden." Es sei verheerend, zu glauben, dass es funktionieren könne, alle in einen Stadtteil – in diesem Falle die Dortmunder Nordstadt – zu sperren. "Da kann man dann auch nachvollziehen, wenn dieses Bild in der Öffentlichkeit auftaucht, die Leute entsprechend dieses Klischee weiterleben und denken, die sind alle so."

Im Hinblick auf die Landtagswahl befürchtet Bisley, dass das Kind längst in den Brunnen gefallen ist. "Manchmal wünsche ich mir aber, dass die Rechten einmal richtig absahnen und die Möglichkeit kriegen, zu beweisen, was für Vollidioten sie im Fall einer Regierungsbildung wären."