Trumps Wähler sind eher alt als jung, eher männlich als weiblich, eher ohne höhere Schulbildung als mit, eher protestantisch als katholisch. Sie alle eint ihre Abneigung gegen "die da oben", die Meinungsführer in Politik, Wirtschaft und Medien. In Deutschland entspricht das ungefähr dem Anhang der AfD.
Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Pessimisten und einem Optimisten? Der Pessimist sagt: Schlimmer kann's nicht mehr kommen. Der Optimist sagt: Doch.
An diesen Witz musste ich denken, als ich heute morgen seit 5.30 Uhr am Fernseher hing und verfolgt habe, wie Donald Trump einen US-Bundesstaat nach dem anderen gewann und es gegen 8.30 Uhr zur Gewissheit wurde, dass er der neue US-Präsident wird.
Welche Folgen diese Präsidentschaft haben wird, ist schwer vorhersagbar, weil Trump bisher höchst wankelmütig war. Glaubt man seinen Ankündigungen im Wahlkampf, wird seine Politik verheerende Folgen für den Klimaschutz haben, weil er die globale Erwärmung ignoriert. Die Weltwirtschaft droht in eine Krise zu rutschten, wenn er Amerika abschotten will gegen Produkte aus dem Ausland. Das gesellschaftliche Klima droht kleingeistig bis reaktionär zu werden. In seiner erste Ansprache heute morgen um 9 Uhr deutscher Zeit, hat er einen wirtschaftlichen Aufschwung versprochen, eine Verdopplung des Wachstums und ein großes Infrastruktur-Programm (das natürlich nur über Schulden finanziert werden wird).
Warum aber hat ein Populist wie Trump so einen großen Erfolg? Es sind nicht nur die Abgehängten, die ihn wählen. Es ist eine radikalisierte Mittelschicht, die zwar Arbeit hat, der aber die Aufstiegsperspektiven abhanden gekommen sind und die nun den Abstieg fürchtet. Genau dies ist im Übrigen auch die Basis der AfD. Diesen Menschen hat Trump Hoffnungen gemacht auf eine bessere, rückwärtsgewandte Zeit ("Make America great again").
Trump hat die USA als ein Land im Verfall beschrieben. Das war maßlos übertrieben. Er hat gezielt Ängste hervorgerufen und verstärkt. Das war verlogen und unverantwortlich. Dennoch: Die Sorgen vieler Mittelschichtler sind nicht aus der Luft gegriffen. Das übersieht, wer zum Beispiel nur auf die historisch niedrige Arbeitslosenquote in den USA (derzeit 4,9 Prozent) oder in Deutschland schaut.
Denn hinter dieser Quote verbergen sich Veränderungen in der Arbeitswelt und im Alltag, die viele Menschen hart treffen. Jeder zweite Beschäftigte in Deutschland arbeitet heute ohne Tarifvertrag, jeder siebte hat nur einen befristeten Job, eine Million Menschen sind in Leiharbeit, 5,9 Millionen leben von Hartz IV oder Sozialgeld.
Diese Abwärtsentwicklung bereitet auch jenen Leuten Sorge, die noch in regulären und abgesicherten Verhältnissen leben, die sie durch die Globalisierung und neue Freihandelsabkommen aber zunehmend bedroht sehen. Genau diese Menschen waren für Trumps Botschaften empfänglich: Gegen TTIP, gegen Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, gegen illegale Einwanderer.
Viele Menschen empfinden die wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre als Zumutungen. Sie haben zudem das Gefühl, dass die Themen, über die Politiker reden, sie nicht wirklich betreffen – und das auch noch in einer Sprache, die unaufrichtig klingt. Das erklärt nicht nur den Erfolg Trumps, sondern auch den Erfolg von Bernie Sanders, der in gleicher Weise die Abneigung vieler Jüngerer gegen ein System aufgegriffen und artikuliert hat, das nichts an der wachsenden sozialen Ungleichheit ändert. Und nichts an der obszönen Anhäufung von Reichtum beim obersten Prozent der Gesellschaft, das sich mit Hilfe versierter Finanzberater zudem häufig davor drückt, angemessene Steuern zu zahlen.
US-Präsidenten werden dann gewählt, wenn sie den Menschen versprechen, dass irgendetwas besser wird. Das Versagen der demokratischen Partei in den USA war es, einer Kandidatin aufs Podest zu verhelfen, die genau diese Hoffnung nicht anbieten konnte.
15 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Ich verstehe nicht die Aufregung immer nach einer Wahl: Aufregung beim Brexit und Aufregung bei Trump. Die Wähler wissen nicht oder sie wollen auch nicht wissen, was die
Warum haben die Menschen immer noch nicht kapiert, das vor den Wahlen immer gelogen wird?
Martin Mair am Permanenter Link
Hillary Clinton ist selbst mit verantwortlich, weil sie den linken Flügel um Bernie Snaders, der eben die Unterschicht besonders ansprach, bei der Wahl des Kandidaten um den/die VIizepräsidentin umgangen hatte.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Bernie Sanders hat keineswegs die Unterschicht in Amerika angesprochen, sondern eher gebildete junge Amerikaner.
Stefan Dewald am Permanenter Link
»Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern«
Keine weiteren Fragen, ihr Zeuge.
Volkmar H. Weber am Permanenter Link
Das Problem ist, dass die Mittelschicht von Individualismus geprägt wird, welcher nicht für Zusammenhalt steht und dadurch von der Politik benachteiligt wird, zu Gunsten weniger Reicher.
agender am Permanenter Link
Die Diskussion was "Mittelschicht" ist, ist auch auf pharyngula heute aufgetaucht - ab Kommentar 3:
http://freethoughtblogs.com/pharyngula/2016/11/10/what-happened-2/#comments
Stefan Wagner am Permanenter Link
Schade, dass die Zahlen des Anreißers nicht aufgeschlüsselt sind. Sind 55% seiner Wähler männlich, 60%, 75%, 90%? Ab wann zählt man als Alt? Auch eine Quelle wäre schon schön.
Bernie am Permanenter Link
Wieso nur "empfinden"? Was sagt man den zu jemandem, der jahrelang selbständig war und dann, z.B. aufgrund nichtselbstverantwortender Schicksalsschläge, auf Hartz IV angewiesen ist?
Ich selbst wähle bestimmt nicht rechtsextreme Parteien, zu denen ich die AfD zähle, aber ich kann die Verärgerung durchaus verstehen, die Menschen in .de zur Protestwahl antreibt.
Was die USA angeht, da ist eines doch anders, denn man wird dort für sein Unternehmertum belohnt, und nicht bestraft, zumindest das ist, bei aller Kritik an den USA, anders als bei uns wie Kleinunternehmer oft in Hartz IV und Sozialhilfe abgeschoben werden wenn diese mit ihrem Unternehmen "scheitern", wie es im Amtsdeutsch so schön heißt.
Gruß
Bernie
little louis am Permanenter Link
Zu Bernie und seiner Aussage:
Dann tun Sie (auch hier) etwas dafür, dass eine kapitalismuskritische aber humanistische "Linke" (Partei) nicht wie vor ein paar Jahren die "Piraten"
von getarnt neoliberalen "Antideutschen" Pseudolinken unter Zuhilfenahme von unredlichen Totschlagargumenten ( unterstellter Rassismus und Antisemitismus) zerlegt wird.
Jeder kann sehen ,dass dort mit ethischen Doppelstandards perfide Propaganda betrieben wird.Das ist inzwischen selbst den meisten linken "Semiten" peinlich .
Und allen ehrlich und konsequent "ANTI völkischen" (wie man sie zum Beispiel in Teilen der "Friedensbewegung" findet) soundso.
Paul am Permanenter Link
Dann wird es höchste Eisenbahn, dass die Politik daran etwas ändert, als nur die Hand aufzuhalten und sich der Wirtschaft anzubiedern.
Und zu Trump, der hatte clevere Berater, der hat es fertig gebracht, so wie die AFD, die Nichtwähler zu aktivieren und es war ihm komplett egal mit welchen Mitteln. Die hässlichste Schlammschlacht war ihm nicht zu wider. Was er eigentlich im Sinn hat wird sich jetzt erst zeigen.
Sven Schillings am Permanenter Link
Tja Herr Grill, da hätten Sie wohl den dummen amerikanischen Wählern vor der Wahl besser erklären müssen, wie sie richtig hätten wählen sollen.
Bernd aus B am Permanenter Link
Zitat Markus Grill:
Schulden sind nicht das Problem. In einer Volkswirtschaft sind Schulden und Ersparnisse immer ausgeglichen. Ihre Summe in der Bilanz ist immer gleich Null. Wenn private Haushalte sparen, wenn Firmen ihre Budgets durch Sparmaßnahmen "in Ordnung" bringen und wenn das Ausland als Schuldner ausfällt, bleibt allein der Staat, der auf die Soll-Seite der Bilanz gehen muss. Das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern mit schlichter Mathematik oder Logik.
Deutschland kann seine schwarze Null der "Haushaltskonsolidierung" nur deshalb erwirtschaften, weil das Ausland pro Jahr 250.000.000 Euro an neuen Krediten aufnimmt, um deutsche Waren und Dienstleistungen zu erwerben. Was Staat, Firmen und private Haushalte an jährlich neuen Ersparnissen aufgehäuft haben, dafür hat sich das Ausland in entsprechender Höhe verschuldet, nicht zuletzt auch die USA, deren noch amtierender Präsident immer wieder mal die Deutschen aufgefordert hat, mehr amerikanische Waren zu importieren. Niemand möchte gern Schuldner sein. Denn man weiß ja: Wer Schulden hat, ist immer schuld.
Trump hat verstanden, dass u. a. die deutsche Wirtschaft zu einem großen Teil davon profitiert, dass sein Land sich in der Außenhandelsbilanz ihr gegenüber in der Rolle des Schuldners befindet. Das kritisiert er und kündigt an, nun die amerikanische Binnenwirtschaft beleben zu wollen. Da aber das Ausland, die privaten Haushalte und die Firmen auf der Seite der Sparer liegen, bleibt nichts anderes übrig, als dass der Staat die Rolle des Schuldners übernimmt. Ich kann daran nichts Kritikwürdiges erkennen.
Wir sollten auch in Deutschland endlich begreifen, dass Schuldenmachen per se weder schlecht noch gut ist. Weltwirtschaftlich gesehen stehen den Ersparnissen immer Schulden in exakt gleicher Höhe gegenüber. Oder wie es Heiner Flassbeck ausdrückt: "Die Welt hat keine Schulden. ... (Sie hat aber auch keine Ersparnisse.)". Bei wem sollte sie sie auch haben? Bisher haben weder Mars noch Venus sich bereit erklärt, die Schulden der Welt zu übernehmen.
Solange hierzulande nicht begriffen wird, dass man Wirtschaft ohne grundlegende Kenntnisse der "Saldenmechanik" gar nicht verstehen kann, wird jeder, der in einer Volkswirtschaft die Rolle des Schuldners innehat, beschimpft und verunglimpft werden. Obige Ausführungen sollen zeigen, wie unsinnig ein solches betriebswirtschaftliches Denken auf Volkswirtschaftsebene ist. Um es einfach und pointiert zu sagen: Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau.
Man kann und soll Trump kritisieren, wo immer es nötig ist; Gründe gibt es zuhauf. Aber dass er anmerkt, dass sein Land nicht unentwegt eine negative Außenhandelsbilanz hinnehmen will (z. B. gegenüber dem "Exportweltmeister" Deutschland), das kann ich nicht kritisieren.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Ja so etwas.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Zum Verstehen der "Saldenmechanik": www.saldenmechanik.info
little louis am Permanenter Link
Lieber Markus Grill
Es soll halt, so (unglaublich weh das auch tut) auch ab und zu mal vorkommen, dass auch ideologische Gegner in der Lage sind, die sie betreffenden Realitäten richtig einzuschätzen.
Und das trotz all der Nebelwerfer, die glauben, ihr fest geglaubtes "Gute" dadurch durchzusetzen, dass man den Leuten pädagogisch fürsorglich permanent "eintrichtert", dass nur die eigene Kandidatin die Erlösung bringt.
Und dann mit großen Augen moralisch"entrüstet" am Wahlmorgen feststellt ,dass es diesmal dort nicht funktioniert hat, weil die Menschen dort genügend Zeit hatten ( "empirisch") zu erkennen, was wirklich los ist.