"Europa ist ratlos, weil selbst die politischen Spitzen sich weigern, einen Blick auf die Probleme zu werfen, die der Islam mit sich selbst und dem Rest der Welt hat". Diese Aussage kennzeichnet den Grundtenor des Buches, dessen Autor sich der Aufgabe stellt, einerseits die vom gegenwärtigen Islam ausgehenden Gefahren deutlich aufzuzeigen und andererseits die seiner Meinung nach diesbezüglich vorhandene Blauäugigkeit und Ignoranz mancher Institutionen und zahlreicher "linker" Politiker in den westlichen Demokratien anzuprangern. "Islamkritik bedeutet mitnichten, Muslime anzugreifen, sondern Schutz vor seinen menschenverachtenden Auswüchsen, die sich gegen Frauen, Homosexuelle, gegen eigenständig Denkende und sogenannte Ungläubige richten – also auch gegen Millionen von Musliminnen und Muslimen".
Samuel Schirmbeck, ein studierter Soziologe und Philosoph, der sich selbst als liberaler Linker bezeichnet, ist ein ausgewiesener Islam-Kenner; er baute 1991 das ARD-Fernsehstudio in Algerien auf und berichtete viele Jahre über den algerischen Bürgerkrieg und die Entwicklungen in Marokko und Tunesien. Im vorliegenden Buch beschreibt er - scharfzüngig, pointiert - seine Erfahrungen mit dem Islam und Islamismus, mit intoleranten, fundamentalistischen, aber auch mit liberalen und aufgeklärten Muslimen, wobei von letzteren viele zu seinen guten Freunden zählen.
"Hat alles nichts mit dem Islam zu tun" ist ein von den europäischen Islamverbänden, aber auch von westlichen Intellektuellen häufig zu hörender Satz, wenn von islamistischen Anschlägen, Gräueltaten, Menschenrechtsverletzungen, religiöser Intoleranz etc. die Rede ist; ein Satz, der nach Ansicht des Autors überwiegend aus Unwissenheit und der Angst vor "Geruch von Fremdenhass" resultiert; ein Satz, dem aber nicht nur von westlichen Islamkennern, sondern auch von zahlreichen muslimischen Islamwissenschaftlern, Literaten, Philosophen etc. heftig widersprochen wird – der Autor belegt dies mit zahlreichen Beispielen. Nicht wenige islamische Intellektuelle sehen die Exzesse des Islam in seinem Inneren selbst angelegt, und zwar von Anfang an, wobei sie eine Entwicklung, die in den Worten "Der Islam ist die Lösung!" gipfelt, zutiefst bedauern. Mit dieser wahnhaften Aussage werden andere Gedanken und Lebensmodelle für null und nichtig erklärt und schreckliche Taten und Entwicklungen gerechtfertigt.
Die meisten Menschen in Westeuropa lehnen nicht den Islam an sich ab, wohl aber seine frauenfeindlichen und gewalttätigen Exzesse, seine Intoleranz gegenüber anderen Lebensweisen, seine Brutalität in der Rechtsprechung, seine unnachgiebige Verfolgung kritischer Stimmen. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland, und er gehört nicht zu Westeuropa, so lange nicht, bis Muslime geklärt haben, warum der Islam Monster hervorbringt und so lange nicht, bis sie die Ideen nennen, die das weitere Entstehen solcher Monster verhindern" – so der Autor, der daraus, neben zahlreichen anderen, zwei grundlegende Forderungen an die Islamverbände ableitet:
- Fördert freies eigenständiges Nachdenken über den Islam, lehnt die wortwörtliche Auslegung des Korans ab.
- Verkündet, dass es keinen Unterschied zwischen "Gläubigen" und "Ungläubigen" gibt und erklärt eine solche Unterscheidung für diskriminierend.
In zahlreichen biografischen Szenen berichtet der Autor von seiner Korrespondentenzeit in Nordafrika und beschreibt, wie sein Blick auf den Islam nach und nach immer kritischer wurde (der islamistische Kreuzzug von 1991 bis 2001 der GIA ("Bewaffnete Islamische Gruppe") in Algerien führte zu 150.000 Toten und nahezu unbeschreiblichen Gräueltaten gegen alles "Westliche", worunter auch einheimische Intellektuelle sowie aufklärte und liberale Muslime verstanden wurden) und beschreibt seine Empörung, wenn er, heimgekehrt nach Deutschland, von Vertretern der Islamverbände, aber auch von seinen linken Freunden, immer wieder zu hören bekam, "das hat nichts mit dem Islam zu tun".
Für Samuel Schirmbeck steht fest, "Islam und Islamismus lassen sich nicht voneinander trennen, die führenden Repräsentanten der Islamverbände sollten sich dieser Tatsache und einer selbstbewussten Islamkritik endlich stellen" (S.53) und er zitiert namhafte Islamwissenschaftler, die auffordern, "die Schutzwand zwischen Islam und Islamismus endlich zu durchbrechen".
Aber nicht nur islamischer Terror, auch der "normale Islam", der Alltagsislam, verstört und macht betroffen. Schirmbeck beschreibt - eindrucksvoll farbig - persönliche Begegnungen und Erlebnisse, die zeigen, wie Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt und liberal denkende Muslime verfolgt werden und wie auch einfache Menschen unter rigiden Koranauslegungen leiden. Er weist mit Beispielen darauf hin, dass viele Musliminnen und Muslime aus verschiedensten Gesellschafts- und Bildungsschichten die rasante Rückwärtsentwicklung ihrer Religion und die Tyrannei ihrer Anhänger nicht länger hinnehmen wollen. Schirmbeck verwahrt sich auch mit aller Entschiedenheit dagegen, dass die an die deutschen Islamverbände gestellte – und bisher nicht einmal ansatzweise erfüllte - Forderung nach einer klaren Grenzziehung zwischen Islam und Islamismus als "Islamophobie" bezeichnet wird und er wendet sich vehement gegen die in Westeuropa zu hörende, weit verbreitete Meinung ("Mär"), Islamismus habe nichts mit dem Islam zu tun. "Der Islam (und nicht irgendein Islamismus) beinhaltet eine Gewalt, die für "Ungläubige" bereits zu Lebzeiten die Hölle bedeutet" (S. 114).
Neben geschichtlichen, kulturgeschichtlichen und religionsphilosophischen Darstellungen und Erläuterungen ist es Samuel Schirmbeck ein großes Anliegen, seiner persönlichen Betroffenheit und Empörung über die Verniedlichung islamischer Problematik Ausdruck zu verleihen. Er zitiert Literaten und Philosophen - namentlich z.B. Peter Sloterdijk - sowie diverse Politiker der Grünen, SPD und Die Linke, deren Hauptsorge seiner Ansicht nach nicht den Opfern islamischer Gewalt, sondern dem Image des Islam und der Angst vor dem "Überwachungsstaat" gilt. "Dass der Islam eine religiöse Zwangsgemeinschaft ist, wird in der deutschen Debatte um Religionsfreiheit so gut wie ausgespart" (S. 245). Aussagen wie "Religion hat mit Terror nichts zu tun" des deutschen Justizministers Heiko Maas empören ihn und beweisen seiner Ansicht nach, wie ratlos Europa (siehe Buchtitel) den islamischen/islamistischen Herausforderungen gegenübersteht. Auch, dass Islamkritik häufig als Islamophobie diffamiert und mit Rechtspopulismus gleichgestellt wird, weist Schirmbeck entschieden zurück, wobei er darlegt, dass rechte Parteien wie die AfD keinerlei Lösungen bieten: "In ihrer Abwehr von allem Fremden sind sie dem Islam ähnlicher, als sie denken, Anti-Amerikanismus eingeschlossen" (S.264).
Ein sehr persönliches, gut lesbares Buch eines Autors, der aufgrund seiner Erfahrungen und auf der Basis soliden Wissens Gefahren aufzeigt und auf kritische islamische/islamistische Entwicklungen hinweist, die seiner Ansicht nach – und er findet gewichtige Argumente dazu – von den Islamverbänden, aber auch von vielen "linken" Politikern geleugnet, oder zumindest nicht genügend beachtet werden. Diesbezügliche Aussagen werden von den kritisierten Institutionen und Personen vermutlich zurückgewiesen werden, auf Gegendarstellungen kann man gespannt sein. Manche streitschriftähnlichen Passagen des Buches und manche Kritikpunkte wirken etwas überzeichnet, insgesamt aber bieten die Ausführungen einschlägig interessierten Leserinnen und Lesern neben interessantem Grundwissen sehr viel Stoff zum Nach- und Weiterdenken.
Samuel Schirmbeck: "Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen", © 2016, Orell Füssli Verlag AG, Zürich, ISBN 978-3-2080-05636-3, 285 Seiten, 19,95 Euro
10 Kommentare
Kommentare
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Wir haben mehrere Gegner, die uns lähmen, einer uns feindlich gesinnten Ideologie Widerstand zu leisten, die scheinheilig in einem religiösen Gewand daher kommt, wenn sie nicht gar offen als Gewalt sich zeigt.
Die Repräsentanten der christlichen Kirchen (und weite Teile der ihnen ergebenen Politiker, hier ist – wie der Artikel erwähnt – auch an den Erzkatholiken Heiko Maas zu erinnern) wehren jede essentielle Kritik am Islam ab. Ahnen sie doch, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit dieser Religion letztlich auch ihre Glaubenslehre treffen würde. Die Kirchen sehen vielmehr in einer weiteren betont gelebten Glaubenslehre eine willkommene Aufwertung der Religion in unserer Gesellschaft und eine bestärkende Rechtfertigung ihrer Privilegien. Darüber hinaus eine Verstärkung der Front gegen die verachteten, zumindest unerwünschten Säkularen und Humanisten.
Der zweite Gegner, der unsere Abwehrkräfte erlahmen lässt, ist die Saturiertheit einer Gesellschaft, die ihre Freiheiten und Rechte wie selbstverständlich in Anspruch nimmt, aber nicht mehr ernsthaft bereit ist, sich für ihre Bewahrung einzusetzen. Kritik am Islam im Sinne einer philosophischen und sachlichen Auseinandersetzung, wie sie über Jahrzehnte und bis heute am Christentum selbstverständlich ist, wird eben – wie der Artikel betont – vielfach böswillig als Fremdenfeindlichkeit gebrandmarkt und einer politisch »rechten« und rechtsextremen Ecke zugeordnet. Die Diskussion aktueller und tatsächlicher Probleme mit muslimischen Zugewanderten wird oft genug scheinheilig als »durchsichtige Instrumentalisierung« abgewiesen. Man registriere nur mal, wie überwiegend ablehnend gut begründete Thesen z.B. von Hamed Abdel-Samad oder Necla Kelek von unseren Verharmlosern und Kulturrelativisten behandelt werden.
Aber es gibt weitere verdeckte Komplizenschaften mit einer Ideologie, die so mancher politischen oder politisch agierenden Gruppierung in die eigene Strategie passt. Viele Linke und die Repräsentanten der Muslime vereint der Hass auf »den Westen«, auf den Kapitalismus und auf die USA. Darüber hinaus sehen die Vertreter der Partei DIE LINKE in den hier sozial und ökonomisch scheiternden Muslimen vermutlich das ihnen inzwischen abhanden gekommene Proletariat, das ihnen dereinst wieder zur Macht verhelfen könnte. Ganz viele unserer GRÜNEN Sozialromantiker sehnen sich immer noch nach der bunten multikulturellen, sich selbst formierenden Gesellschaft, ohne den damit einhergehenden Verlust an Aufklärung und Rationalität sehen zu wollen.
Der Rezensent hat mit Gründen auf ein wichtiges Buch aufmerksam gemacht.
Rainer Bolz am Permanenter Link
So sehe ich das auch Herr Lehnert,
Das ist mit ein Grund, warum die "Kreuzfahrer" immer mehr werden, immer mehr wollen, immer mehr beherrschen.
In der Tat, mit Ihnen zu verhandeln ist unmöglich. Vernünftig zu reden, undenkbar. Sie mit Nachsicht zu behandeln, ein Selbstmord. Und wer das Gegenteil glaubt, ist euphemistisch gesagt, ein Narr.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Als wesentliche Ergänzung zu den als gelungen zu bezeichnenden Kommentaren wäre der Begriff "Geschäftsmodell" anzusehen. Es geht um Macht, Marktmacht und Kommerz.
Angela am Permanenter Link
Hinzuzufügen wäre noch, dass es hierzulande kaum noch jüngere Leute gibt, die sich über die JEGLICHER Religion inhärenter Gewalt bewusst sind.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Eine wichtige, wertvolle Ergänzung - Danke!
Constanze Cremer am Permanenter Link
Hallo Uwe,
wieder und wieder schreibst Du Dein:
"Ahnen sie doch, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit dieser Religion letztlich auch ihre Glaubenslehre treffen würde."
Das ist doch Unsinn.
Bei der Diskussion um die großen Probleme, die der Islam in unserer Gesellschaft verursacht, ginge es doch nicht um Theologie und Wahrscheinlichkeit von Gottesexistenzen. Und das auch völlig zu Recht!
Es ginge um Terror, Gewalt, um Frauenrechte und Ablehnung von Demokratie.
Letztlich würde es darauf hinauslaufen, dass gefragt würde:
Wie können wir nur bewirken, dass der Islam so großartig kompatibel mit, ja so bereichernd für die Gesellschaft wird, wie die Kirchen?
Nein, der Punkt ist der, dass die Kirchen wie die Politiker, die ihnen so stark verbunden sind, immer noch etwas Gutes im Islam sehen, weil Religion aus ihrer Sicht ja ansich etwas Gutes ist. Immer.
Und lieber eine strenge und nicht ganz so einfache Religion, als die grauenvolle Gottlosigkeit, die sich überall hier so ausbreitet...
Sie lieben es, wenn Menschen gläubig sind! Und weil sie ja sooooo aufgeklärt sind und wissen, dass ja ohnehin derselbe Gott gemeint ist, ist es ihnen relativ egal, dass er halt Allah genannt wird...
So die Kirchen.
Die Kanzlerin hingegen hat ja schon zwei mal klar gesagt: Wer den Islam fürchtet, soll halt sich dem Christentum zuwenden. Die freute es wirklich, wenn dadurch das Christentum wieder gestärkt würde und ich fürchte, genau das wird auch geschehen...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Hört sich gut begründet an von Schirmeck, Gerfried Pongratz.
Ggb. deren vollendeten Kreuzzug ist der Westen weitaus ratloser. Und deren Verfilzung mit und Indoktrination unserer Gesellschaft halte ich persönlich noch für viel gefährlicher, weil bereits angekommen und klammheimlich akzeptiert - fast.
Roland Fakler am Permanenter Link
Danke Uwe! So schön kann ich’s nicht sagen, aber kurz bestätigen:
Sie teilt die Menschen in wertvolle Rechtgläubige und wertlose Falschgläubige ein und ist damit faschistisch!
Ich hab nichts gegen Muslime, aber ich hab was gegen den Islam, weil er totalitär und faschistisch ist und mir als Ungläubigem keine Daseinsberechtigung einräumt. Also muss ich entweder die Scharia bekämpfen oder meine Daseinsberechtigung aufgeben.
Ich hab mich für die Bekämpfung der Scharia entschieden! Ich bin ein Feind aller totalitären Weltanschauungen - dazu gehören Islam und Faschismus - weil ich in einem freiheitlich demokratischen Gemeinwesen meine Menschenrechte und meine Menschenwürde genießen möchte!
Übrigens hat Religion sehr viel mit Terror zu tun! Gott hat’s vorgemacht: Er wollte die ganze Menschheit ersäufen!
Wolfgang am Permanenter Link
Jede Religion von sich aus, behauptet die einzige Richtige zu sein aber keine hat recht.
Jede Religion ist Aberglaube.
Unter allen Aberglauben ist die Religion die höchste.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Meiner Meinung nach liegt die Gleichsetzung von Islamkritik und Rechtspopulismus darin, dass Rassisten ihren Rassismus als Islamkritik verkaufen. Also in der Form, daß sie Islam sagen aber Türken meinen.