Kommentar

Schweiz: Krankenversicherte sollen ihre Fitnessdaten offenlegen

Vor fast eineinhalb Jahren warnte ich davor, dass die Daten von Fitness-Apps und -armbändern eine Gefahr für die informationelle Selbstbestimmung bedeuten könnten. Nun scheint sich die Warnung zu bewahrheiten. In der Schweiz sollen Krankenkassen Fitness-Daten auswerten und bei der Berechnung der Beiträge nutzen dürfen.

Auch für die Schweiz wird prognostiziert, dass sich die Krankenkassenprämien bis 2030 verdoppeln werden. Deshalb machte das in der Schweiz angesiedelte Beratungsunternehmen Ernst & Young jetzt den Vorschlag, Fitness-Daten den Versicherern und Spitälern zugänglich zu machen, um damit die Kosten der Krankenkassen sinken. 

"Wenn Ärzte und Spitäler die komplette Krankengeschichte kennen, können sie effizienter behandeln", sagte zum Beispiel die Direktorin des Versicherungsunternehmens Ernst & Young, Yamin Gröninger. Was sie dabei nicht erwähnt: "Komplette Krankengeschichte" meint auch die Auswertung von Daten aus Fitness-Apps und Trackingarmbändern. Dass dabei auch sehr persönliche Daten an ein privates Unternehmen gegeben werden, verschweigt Gröninger diskret.

Und tatsächlich macht die Versicherung CSS das bereits: Wer ein Fitnessarmband trägt und seine Daten an die Versicherung übermittelt, erhält eine Prämiengutschrift.

Peter Ohnemus ist Chef der Firma Dacadoo und seine Forderung in der aktuellen Debatte liest sich wie eine Erpressung. Er fordert gleich einen kompletten Umbau des Krankenkassensystems: Wer weiterhin das reguläre Modell der Grundversicherung will, muss keine Daten preisgeben. Wer sich den Versicherungskonzernen gegenüber generös zeigt und seine Daten zur Verfügung stellt, kann mit einer Belohnung rechnen. Derjenige aber, der auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung beharrt, soll damit bestraft werden, allein die Prämienerhöhungen von bis zu sechs Prozent jährlich mitzutragen. 

Solche Art Anreiz ist bislang aus gutem Recht verboten. Das irritiert Ohnemus aber nicht und er möchte seinen Vorschlag auch nicht als Absage an das Solidaritätsprinzip verstanden wissen. Sondern? Einmal abgesehen davon, dass die Forderungen gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen; wie soll das praktisch umgesetzt werden? Und wo ist die Grenze?

Wie lange wird es dauern, bis es nicht nur Krankenversicherungen, sondern auch Renten-, Unfall- und Lebensversicherungen nach den Daten dürstet?

"Big Data" kann kein Allheilmittel gegen die Geldknappheit der Krankenkassen sein, sagt auch die Stiftung für Konsumentenschutz. Statt die Gesundheitsdaten der Patienten und ihren Lebensstil auszuwerten, müssten Daten über die Behandlungsqualität der Ärzte, Spitäler und Apotheken gesammelt werden.

Dazu gehört meines Erachtens nach auch, öffentlich über unnötigen Behandlungen an sterbenskranken Patienten zu reden (Vgl. dazu das Buch von M. Thöns, "Patienten ohne Verfügung") und die Finanzierung von Globuli u.ä. durch Krankenkassen in Frage zu stellen. In der Schweiz ebenso wie hierzulande.