Um für den Ernstfall vorbereitet zu sein, ist es heute unabdingbar, eine persönliche Patientenverfügung zu besitzen. Nur so hat man überhaupt eine Chance, Ärzte zu ermutigen, dass sie in ausweglosen Situationen nicht mehr kurativ, sondern nur noch palliativ behandeln und Patienten beschwerdefrei in den Tod hinübergleiten lassen.
In einer Patientenverfügung muss "von Hause" aus schon viel bedacht und viel beschrieben werden. Zusätzlich beschloss der Bundesgerichtshof (BGH) im vorigen Jahr, dass ein bloßes "Ich möchte keine lebenserhaltenden Maßnahmen, ..." nicht ausreichend ist. Nach Ansicht der Karlsruher Richter seien die Festlegungen für Dritte nur dann bindend, wenn einzelne ärztliche Maßnahmen konkret genannt oder Krankheiten und Behandlungssituationen klar genug beschrieben würden. In den Patientenverfügungen der DGHS wird dieser Umstand bereits seit 2011 berücksichtigt.
Wenn alles Wichtige bedacht wird, kommen leicht 30 Din A4 Seiten zusammen, plus diverse Ausführungen für Bevollmächtigte oder Betreuer. Ein schweres Konvolut, das man auch mit besten Vorsätzen nicht überall mitnehmen kann.
Und das alles im digitalen Zeitalter, im Zeitalter des papierlosen Büros? Seit einigen Jahren bietet die Bürgerrechtsbewegung Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e. V. bereits den Notfall-Ausweis an. Mit dieser Plastikkarte im Portmonee ist die persönliche Patientenverfügung im Internet jederzeit und überall abrufbar. Dies ist möglich über die Internetadresse, hinter der sich, in einem LogIn-Bereich (mit Mitglieds-Nummer und Zugangs-Code) die persönlichen Dokumente befinden.
Doch wenn der Ernstfall eingetreten ist, der Patient kurz vor der OP steht, sich nicht mehr äußern kann und kein Bevollmächtigter oder Betreuer vor dem Bett steht, kann nur noch gehofft werden, dass die Patientenverfügung bzw. der Notfall-Ausweis auch wirklich gefunden wird. Laut einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (15. November 2015 "Wenige Menschen mit Patientenverfügung") konnten nur 16 von 138 Patienten mit Patientenverfügung auch tatsächlich dieses Dokument vorlegen. Die ganze Mühe im Vorfeld, diese ganzen Formulare – alles umsonst, wenn sie in diesem Moment nicht zur Verfügung stehen.
Es gibt Menschen, die sich ausgefallene Dinge einfallen lassen, um die Chance zu erhöhen, dass ihre Patientenverfügung auch wirklich gefunden wird. Medaillons, die permanent am Körper getragen werden, in denen sich die persönlichen Notfalldokumente befinden, aber nicht das Bildnis geliebter Menschen. Es gibt Notfallanhänger, die an den Schlüssel gebunden werden und einen USB-Stick in sich tragen. Auf diesen Sticks sind die wichtigen Dokumente gespeichert. Es geht aber noch auffälliger – und radikaler. Es gibt tatsächlich ältere Menschen, die sich ihr "Todesurteil" tätowieren lassen. Nel Bolten, eine 91-jährige Rentnerin aus Den Haag, ließ sich "Nicht wiederbeleben! Ich bin 91+" über die Brust tätowieren. Aus eigenen Beobachtungen heraus stellte sie fest, dass Notfallärzte nicht erst nach einer Patientenverfügung suchen. Sie wollte aber sicher sein, dass ihr letzter Wille nicht übersehen wird. Doch auch in den etwas liberaleren Niederlanden, was Selbstbestimmung am Lebensende betrifft, gilt diese Form der Willensbekundung nicht. (Quelle: www.dailymail.co.uk, 15.11.2014)
Es ist eben nicht nur wichtig, dass man eine sorgfältig ausgefüllte Patientenverfügung besitzt, sondern dass sie im Ernstfall auch so schnell wie möglich gefunden wird. Die DGHS hat sich hierfür, neben dem Notfall-Ausweis, etwas ganz Besonderes einfallen lassen – den Notfall-QR (englisch Quick Response, "schnelle Antwort").
Der Notfall-QR ist für Menschen gedacht, die bereits einen Notfall-Ausweis bei der DGHS besitzen (oder einen beantragen möchten), ihre Verfügung also digital hinterlegt, aber dennoch Sorge um deren "Auffindbarkeit" haben.
Der Notfall-QR, bei der DGHS erhältlich seit Anfang April 2017, setzt sich aus zwei wesentlichen Elementen zusammen, einmal dem Notfall-Ausweis und einmal dem QR-Code. Mithilfe dieses zweidimensionalen Codes kann in Bruchteilen von Sekunden auf das Internet zugegriffen werden. Es ist kein umständliches Eintippen von Internetadressen mehr nötig und damit auch kein Vertippen.
Die eigene Patientenverfügung wird damit sofort verfügbar, mit nur einem einzigen individuellen und persönlichen QR-Code, der via internetfähigen Smartphone eingescannt werden kann. Das Personal im Krankenhaus muss weder die Internetadresse, noch den Benutzernamen oder das Passwort eingeben. Es entfällt ebenso das aufwendige Suchen nach der Verfügung, denn der Notfall-QR kann bequem auf die Gesundheitskarte, den Personalausweis oder das Portmonee geklebt werden.
Damit er am sichtbarsten ist, wird empfohlen, ihn so auf die Gesundheitskarte zu kleben, dass keine personenrelevanten Daten, wie Foto oder Chipsatz, abgedeckt werden.
16 Kommentare
Kommentare
Florian Zimmermann am Permanenter Link
Den Aufkleber für die Gesundheitskarte finde ich eine gute Idee. Aber wie wird denn bei einem QR-Code, der ja auch nur ein Link auf eine frei zugängliche Internetseite ist, der Datenschutz sichergestellt?
Stefan Wagner am Permanenter Link
Steht im Artikel:
"Dies ist möglich über die Internetadresse, hinter der sich, in einem LogIn-Bereich (mit Mitglieds-Nummer und Zugangs-Code) die persönlichen Dokumente befinden."
Florian Zimmermann am Permanenter Link
Braucht dann das Rettungs-/ Krankenhauspersonal diese Zugangsdaten? Oder sind die bereits im QR-Code hinterlegt?
Florian Zimmermann am Permanenter Link
Beim zweiten Lesen des Artikels stehen eine Menge neuer Informationen drinnen o.O
Michael Rottach am Permanenter Link
Immer das Geschrei nach dem Datenschutz. Ich als Chronisch Kranker, möchte doch, dass falls ich ohne Bewusstsein bin auch RICHTIG Medikamentiert und nach MEINEM WILLEN Behandelt werde.
Weg Wetzel DGHS am Permanenter Link
Lieber Florian Zimmermann,
der Datenschutz ist sicher gestellt, indem jedem Mitglied nur jeweils zwei Aufkleber mit dem QR-Code ausgehändigt werden, die dieser in seinen persönlichen Unterlagen (und im Portmonee) aufbewahrt. Geht Notfall-Ausweis oder Gegenstand mit Aufkleber verloren, soll der Verlust der DGHS gemeldet werden. Dann wird der Zugang sofort gesperrt und beides mit neuen Daten neu ausgestellt. Freundliche Grüße, W. Wetzel (DGHS)
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Zumindest beim Personalausweis dürfte das Bekleben diesen ungültig machen:
aus §28 PAuswG
"Ein Ausweis ist ungültig, wenn er (...) verändert worden ist"
Die Idee an sich ist sicher gut, aber eine rechtliche Abklärung ob sich jemand der dieser Empfehlung folgt möglicherweise Schwierigkeiten einhandelt wäre empfehlenswert.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Patientenverfügungen sind eine gute Sache.
Bis die Heilungschancen vernünftig abgeschätzt werden können, vergehen aber im Normalfall einige Tage. Zur Erwägung "kurative oder palliative Behandlung" gehören eine gründliche Untersuchung und eine Anamnese, die über den Blick auf das Geburtsdatum hinausgeht. Da bleibt auch genug Zeit, nach einer Patientenverfügung zu suchen.
In Österreich existiert dafür eine Datenbank, in der alle notariell beglaubigten Patientenverfügungen gespeichert sind. Wenn es sich nicht gerade um eine Notoperation handelt, dann bleibt dem Spital genug Zeit, dort einen Blick hineinzuwerfen. Das Spital ist sogar dazu verpflichtet.
Bei einer Not-OP aber - also, anschaulich gesagt, am Weg vom Unfallort ins Spital - in Minutenschnelle die Entscheidung zu treffen, auf lebenserhaltende Maßnahmen zu verzichten, kann nur fahrlässig sein. Eine derart wichtige Diagnose braucht Zeit.
Meine Eltern haben in weiser Voraussicht notariell einander und in zweiter Instanz ihre Söhne bestimmt, im Zweifelsfall Entscheidungen treffen zu dürfen. Somit ist auch für den Fall einer Bewusstlosigkeit vorgesorgt.
Jochen Lengerke am Permanenter Link
Ich habe eine Internet-Seite mit meiner Verfügung erstellt. Die Adresse trage ich auf einem Kärtchen im Portemonnaie.
Stefan Wagner am Permanenter Link
Und wie ist die Seite gegen Veränderung durch Dritte geschützt?
Jochen Lengerke am Permanenter Link
Der ftp-Zugang zu meiner Domain ist natürlich nicht öffentlich, aber wohl hackbar. Ich teile die allgemeine Paranoia hinsichtlich meiner Daten nicht: Wer sollte ein Interesse daran haben, meine Verfügung zu ändern?
Falls es interessiert, hier ein Muster: http://www.lengerke.de/pv/
Frank Spade am Permanenter Link
Lieber Jochen Lengerke, die Verfügung ist zwar sehr differenziert, geht aber in ihrer Reichweite dennoch nicht so weit wie die Standard-Patientenverfügung des HVD und schon gar nicht so weit, wie deren Optimale Patien
Jochen Lengerke am Permanenter Link
Vielen Dank für den Hinweis, sehr geehrter Herr Spade. Ich habe ihn zur Veranlassung genommen, meinen Text zu überarbeiten.
Weg Wetzel DGHS am Permanenter Link
Lieber Frank Spade,
es ist immer wieder auffällig, dass Du keine Gelegenheit auslässt, um die Patientenverfügungen der DGHS klein zu reden. Zu den Formularen des HVD hat die DGHS auch eine dezidierte Meinung, wird dies aber nicht in einem öffentlichen Forum in Kommentarspalten austragen.
Nach wie vor freundlich grüßt Wega Wetzel, DGHS.
Gita Neumann am Permanenter Link
Nun also die schnellste und gleich der ganzen Welt. Und das, obwohl hierzulande bereits mehrerer andere internetgestützte Anbieter gibt, wie z. B.
Minutenschnell muss im Übrigen nur die Verweigerung einer Reanimation zur Kenntnis gebracht werden - und das wäre wohl am besten auf den ersten Blick durch ein entsprechendes Hinweiskärtchen zu lösen - allerdings auch verbunden mit Problemen, zumindest im öffentlichen Raum (Straße) immer ohne Garantie.
Entscheidend ist aber:
Der mit Abstand größte Nutzen und häufigste Sinn einer PV besteht in einer Entscheidungsfindung, die gerade nicht extrem kurzfristig getroffen werden muss - im Falle von Demenz oder Koma nicht mal in den ersten Wochen.
"Schnell" kann in der Regel das Gegenteil von "gut" sein. In Übereinstimmung mit den jüngeren Ausführungen des BGH weist auch das Bundesjustizministerium auf seiner Internetseite darauf hin: "Vielmehr muss möglichst konkret beschrieben werden, in welchen Situationen die Patientenverfügung gelten soll und welche Behandlungswünsche der Verfasser in diesen Situationen hat". Es wird auch deutlich gemacht, "dass der Verfasser genau niederlegen sollte, ob die in der Patientenverfügung konkret festgelegten Behandlungswünsche (z.B. die Durchführung oder die Ablehnung bestimmter Maßnahmen wie die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr) in allen konkret beschriebenen Behandlungssituationen gelten sollen oder ob für verschiedene Situationen auch verschiedene Behandlungswünsche festgelegt werden sollen."
Eine gute PV braucht deshalb eins: Zeit und Sorgfalt. Sowohl bei der Abfassung ggf. mit fachkundiger Beratung als auch später bei der Kenntnisnahme, Prüfung und Durchsetzung.
Wer stattdessen auf weltweite Schnelligkeit setzt, könnte leicht in den Verdacht geraten, von Sorgfaltskriterien abzulenken.
Gita Neumann
Weg Wetzel DGHS am Permanenter Link
Liebe Gita,
wer den Artikel gelesen hat, sieht, dass die Vokabel "schnell" sich ausschließlich auf die technische Abrufbarkeit bezieht. Dass eine Patientenverfügung zunächst in der gebotenen Sorgfalt idealerweise mit fachkundiger Beratung erstellt wurde, ist ein Binse, über die schon oft genug, sowohl von DGHS und auch HVD, geschrieben wurde. Unsere Innovation, einen individuellen QR-Code auf einen nicht-öffentlich einsehbaren Bereich, anzubieten, wird bereits von vielen Menschen in Anspruch genommen und geschätzt. Freundliche Grüße, Wega Wetzel, DGHS.