Rezension

1967 – eine Chronik – nicht nur für Geburtstagsgeschenke

Die Historikerin und Publizistin Sabine Pamperrien legt mit "1967. Das Jahr der zwei Sommer" eine Chronik der Ereignisse in diesem Jahr in Politik und Medien vor. Es ist aufgrund der Erinnerung an manche Ereignisse mehr als nur ein mögliches Geburtstagsgeschenk, ärgerlich ist das nahezu völlige Ausblenden der DDR in dem Werk.

"1968 – das Jahr, das angeblich alles verändert hat – begann im späten Frühjahr 1967 und währte etwa achtzehn Monate." Diese Feststellung formulierte der Historiker Norbert Frei in seinem bekannten Buch zu "1968". Die Aufmerksamkeit für die politisch so bedeutsamen Ereignisse in diesem Jahr war und ist häufig eben nur auf dieses Jahr fixiert. Was zuvor geschah, fand nicht immer das nötige Interesse. Dem entgegen wirken will das Buch "1967. Das Jahr der zwei Sommer", das die Historikerin und Publizistin Sabine Pamperrien vorgelegt hat. Der Untertitel irritiert dabei etwas. Warum "Das Jahr der zwei Sommer"? Die Autorin meint sowohl den "Summer of Love" wie den "Long, Hot Summer", womit einerseits das Aufleben einer Jugendbewegung im Namen der Liebe wie andererseits die gewalttätigen Ereignisse der schlimmen "Rassenunruhen" (eigentlich ein schiefer Begriff) in den USA stehen. Das Buch ist als Chronik angelegt. In den Kapiteln von Januar bis Dezember wird auf die jeweils bedeutsamsten Ereignisse nicht nur in der Politik eingegangen.

Gleich zu Beginn gibt es den Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach eine Lehrerin aufgrund des Gewohnheitsrechts ein zehnjähriges Mädchen schlagen durfte, obwohl doch nur die körperliche Züchtigung von Jungen gestattet war. Die Autorin kommentiert solche wie andere Ereignisse nicht näher, allenfalls kann man aus der Wortwahl auf eine gewisse Distanz schließen. Es geht dann aber mehr um andere Ereignisse, wozu auch eine öffentliche Diskussion mit dem damaligen NPD-Vorsitzenden Adolf von Thadden gehörte. Der liberale Soziologe Ralf Dahrendorf machte damals deutlich, wie man argumentativ gegen rechtsextremistische Politiker vorgehen kann. Indessen wäre heute eine solche Kontroverse wohl nicht mehr möglich. Pamperrien geht ebenso auf heute vergessene Affären und Skandale ein. Dazu gehört etwa die Auseinandersetzung um den Bestsellerautor Joachim Fernau, der mit Geschichtswerken mit leichter Feder bekannt wurde, aber als ehemaliger NS-Propagandist darin seine früheren politischen Positionen nur in anderer Form wiederholte.

Größere und kontinuierliche Aufmerksamkeit finden demgegenüber Ereignisse wie die Kontroverse um Muhammed Alis Weigerung, den Kriegsdienst in Vietnam zu leisten, oder der Guerilla-Krieg von Che Guevara, der in Bolivien ermordet wurde. Auch die Entwicklung der Pop-Musik nimmt einen großen Stellenwert ein. Die Beatles und die Stones kommen häufig vor, ebenfalls bezüglich des Drogenkonsums der Letztgenannten. Es darf das spindeldürre Super-Model Twiggy und die barfuß singende Sandie Shaw nicht fehlen. Auch das Entstehen der Protestbewegung der "Achtundsechziger" zeichnet sich in der Darstellung bereits ab. Die Ereignisse vom 2. Juni mit dem Tod von Benno Ohnesorg finden Raum, aber ohne die Benennung der heutigen Erkenntnisse dazu. Darüber hinaus gibt Pamperrien Raum für die Wahrnehmung der "kleinen Leute", was in den Berichten über den 31jährigen Bundesbahnbeamten Kurt Drechsler zum Ausdruck kommt.

Sicherlich dürften viele Menschen, die 1967 fünfzig Jahre alt werden, das Buch zum Geburtstag geschenkt bekommen. Noch ältere Leser können in der Vergangenheit schwelgen. Es handelt sich aber mehr als um eine schlichte Chronik zu solchen Gelegenheiten. Denn die Autorin erinnert an viele bedeutsame Detail-Ereignisse jenes Jahres, wozu auch der wahre Fall für den Film und den Roman "Die Welle" gehört. Ihr Blick ist hauptsächlich auf die Bundesrepublik Deutschland und die USA gerichtet. Und genau hier ist Kritik nötig: Die DDR kommt in dem ganzen Text kaum vor. Auch Ereignisse in anderen Ländern werden nur als Stichwort angesprochen wie etwa hinsichtlich des Vietnam-Kriegs. Pamperrien listet nur die einzelnen Ereignisse hintereinander auf. Das ist alles interessant und lehrreich. Aber eine Einschätzung des kulturellen und politischen Jahres 1967 hätte man doch gern auch schon gelesen – und wenn es nur in einem längeren Schlusswort gewesen wäre. Derartige Defizite mindern leider schon den Stellenwert des Werkes.

Sabine Pamperrien, 1967. Das Jahr der zwei Sommer, München 2018 (Deutscher Taschenbuch-Verlag), 382 S., ISBN 978-3-423-28127-0, 24,00 Euro