Am vergangenen Sonntag kam es bundesweit zu Kundgebungen der Bürgerinitiative "Pulse of Europe", die für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Europäischen Union begeistern möchte. In Mainz wurde eine Versammlung am Dom abgehalten, an der auch Vertreter der lokalen Politik teilnahmen.
Der Rechtspopulismus scheint europaweit auf dem Vormarsch, in vielen europäischen Ländern erstarken EU-kritische Parteien und Strömungen. Dieser Entwicklung möchte die Bewegung "Pulse of Europe" entgegenwirken. Sie versteht sich als pro-europäische Stimme, die den lautstarken destruktiven Akteuren mit konstruktivem Engagement begegnen will. Am vergangenen Sonntag hielten Regionalgruppen der Initiative in vielen europäischen Großstädten Kundgebungen ab, um auf ihre Ziele aufmerksam zu machen. Laut Eigenaussage wollen sie so ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Mehrzahl der EU-Bürgerinnen und -Bürger weiterhin an der europäischen Idee festhält, wenngleich es die Europäische Union in vielen Belangen weiterzuentwickeln gelte.
Die Initiatoren des Mainzer Ablegers von "Pulse of Europe" luden zu einer Versammlung auf dem Liebfrauenplatz am dortigen Dom ein. Wie die Moderatoren der Veranstaltung eingangs erläuterten, wolle man auf dem ganzen Kontinent ein Zeichen für ein vereintes Europa, für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte setzen. Der europäische Pulsschlag solle so "wieder spürbar werden". Dabei merkten sie jedoch an, dass die EU nicht frei von Fehlern sei. Gerade die viel gescholtene Bürgerferne und teils überbordende Bürokratie bedürfen laut den Veranstaltern einer Reform. Dennoch sei das Bündnis ein Garant für Frieden, Solidarität und Freizügigkeit, für das es sich einzutreten lohne. Wie sie darlegten, müsse man "Europa verbessern, aber nicht abschaffen".
Im Sinne der Solidarität und Brüderlichkeit schloss sich hieran eine Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags in London am vergangenen Samstag an. Die Menschen in Großbritannien würden stets ein wichtiger Teil Europas bleiben, dem man sich verbunden fühle, so die Moderatoren. Auch trotz des anstehenden Brexit, den "Pulse of Europe" sehr bedauere.
Die Bürgerinitiative hatte sich auf Bundesebene bereits Ende Mai in einem offenen Brief an die Vorsitzenden aller deutsche Parteien gewandt, um sie zu deren Verhältnis zur EU und möglichen Reformvorschlägen zu befragen: Welches sind die größten Herausforderungen, denen die Europäische Union ausgesetzt ist? Wie soll man diesen begegnen?
Während der Kundgebung in Mainz waren Vertreterinnen und Vertreter der Stadtratsfraktionen anwesend, die hierauf in kurzen Statements eingingen. Dr. Carsten Kühl, Direktkandidat der SPD für die Bundestagswahl, hob die grundsätzliche Bedeutsamkeit des Bündnisses hervor, wobei er den Bedarf an strukturellen Reformen unterstrich, den Veranstaltern somit zustimmte. Thomas Gerster, Beisitzer der CDU-Stadtratsfraktion, konzentrierte sich in seinem Redebeitrag vor allem auf wirtschafts- und sicherheitspolitische Aspekte. Nur ein geeintes Europa könne als globaler Akteur Wohlstand und Sicherheit garantieren, eine gemeinsame europäische Armee sei daher zumindest denkbar.
Wie das Organisationsteam darlegte, bemühe man sich um einen konstruktiven Dialog mit allen Parteien. Daher wurde auch der EU-kritischen AfD die Möglichkeit zu einer Stellungnahme geboten. Sebastian Münzenmaier, Vorsitzender der Partei im Kreisverband Mainz, führte deren Forderung nach einer Abschaffung des Euro und einem Ende der Union in ihrer jetzigen Form aus. Die AfD wolle, so Münzenmaier, Platz schaffen für ein "Europa der Vaterländer". Vereinzelte Buhrufe am Ende seiner Schilderungen quittierte er mit der Bitte um Respekt gegenüber anderen Meinungen. Der FDP-Kreisvorsitzende David Dietz hielt ihm daraufhin entgegen, dass an der EU festgehalten werden müsse. Er betonte, dass eine Rückkehr zu nationalstaatlicher Abschottung keine reale Alternative darstelle, was ihm großen Beifall aus dem Publikum einbrachte.
Des Weiteren kamen Vertreter der Mainzer Linken und der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) sowie eine Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen zu Wort, die sich alle – trotz vereinzelter Kritik an deren Wirtschafts- und Sozialpolitik – klar zur EU bekannten und das Engagement der "Pulse of Europe"-Gruppe in der Landeshauptstadt begrüßten. In zwei kurzen Ansprachen gaben Mitarbeiter der Universität und Hochschule in Mainz im Rahmen der Kundgebung zudem Auskunft über das Austauschprogramm "Erasmus", das Studierenden und Auszubildenden Auslandsaufenthalte in mehr als 30 europäischen Nationen ermöglicht.
Zum Abschluss wurde gemeinsam mit den ca. 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die "Ode an die Freude", deren instrumentale Version die Hymne der Europäische Union bildet, angestimmt.
In Mainz wird die Gruppe bis zur Bundestagswahl an jedem ersten Sonntag im Monat Kundgebungen abhalten, auch in anderen Großstädten soll es regelmäßige Aktionen geben. Weitere Informationen zu den geplanten Veranstaltungen sowie den Inhalten der Organisation finden sich auf deren Internetpräsenz.
6 Kommentare
Kommentare
Martin Mair am Permanenter Link
Immerhin kommen einmal auch kritische Stimmen zu Wort. Es gibt übereinstimmende Berichte, dass EU-kritische Stimmen, auch linke und emanzipatorische, ansonsten von diesen EU-Hurra-Partrioten NICHT zugelassen werden.
Martin Mair am Permanenter Link
Angesichts der derzeitigen Abschotungspolitik und der Weigerung, die konkreten URSACHEN der vielen Kriege, an denen die EU mehr oder weniger direkt mit beteiligt ist, zu thematisieren oder gar zu beseitigen, sollte di
Europa ist eben nicht die allzu oft über die Menschen hinweg agierende EU! Das mickrige Ergebnis der gross angekündigten "Säule der sozialen Grundrechte" zeigt, dass die EU nach wie vor ein primär neoliberales Wirtschaftsprojekt ist und die Interessen des Kapitals mehr im Auge hat als jene des einfachen Volkes.
http://www.nachdenkseiten.de/?p=37404
Mischa am Permanenter Link
Der humanistische Pressedienst wird immer dubioser.
Einer der beiden „Kämpfer für Europa“ – Dr. Daniel Röder war maßgeblich daran beteiligt. Die Schwerpunkte von Greenfort liegen
bei:
Private Equity/Venture Capital, Mergers & Acquisitions, Joint Ventures, Konzernrecht, Kapitalmarktrecht, Verhandlungsführung
Wer mehr wissen will, findet z.B. hier sehr aufklärende Lektüre über die angeblichen "Kämpfer für Europa":
Quelle:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=37421
Kay Krause am Permanenter Link
Ein Wort an die Damen und Herren, deren Automobil der linke Blinker entnommen wurde, die nicht mehr in der Lage sind, geradeaus zu fahren, die nur noch eines kennen: rechts abbiegen!
Angenommen, wir würden Europa nun zurückbauen, wo wollen wir da aufhören? Da die Bundesrepublik Deutschland genauso mit Fehlern behaftet ist wie Europa, wäre der nächste Schritt, die Bundesländer wieder zu Einzelstaaten zu machen und letztlich wieder Stadttore und Burgen (Festungen) zu bauen, von Landstrich zu Landstrich Zölle zu erheben, eigene Gesetze zu schaffen. "Mein Kampf" würde wieder im Bücherschrank stehen, gleich neben der Bibel, national-sozialistische Erziehung wäre angesagt, und der Mann wäre endlich wieder der "Herr" im Hause, Mutter an den Herd!
Ist es das, was Ihr wollt, Ihr angeblichen Protestwähler von AfD und ähnlichen national-sozialistischen Träumern in anderen Ländern???
Sollen wir über 50 Jahre an diesem zwar fehlerhaften, jedoch wunderbaren Projekt "Vereinigtes Europa" umsonst gearbeitet haben? Sollten wir nichts aus der Vergangenheit gelernt haben, in Kleinstaaterei und Massenmord zurückfallen?
Wie sagte Theodor Heuss einst so treffend zur Erschaffung der Bundeswehr:
"Na, denn siegt mal schön!"
Ulf am Permanenter Link
Guten Tag Herr Krause,
Eine solche Form der Eröffnung bedingt doch bereits das Ende jedweden Argumentenstreites. Und dann? Was erreichen sie damit? Ein Umdenken? Ein dringend erforderliches, für die Mehrheiten der Bürger und gerade auch aus demokratischen Gesichtspunkten, besseres Europa?
Sicher nicht und einen Zahn ziehe ich ihnen gleich zur Ouvertüre, dieses Europa, welches wir heute haben, und dessen Kritik sie auf oben angeführte Art negieren und zu verhindern suchen, ist sicher kein linkes, sondern ein zutiefst egozentrisches, manche definieren es als neoliberales (ist mir zu unbestimmt, diese Bezeichnung) Projekt ökonomischer Eliten...
Gegründet bzw. ausgeführt von eher ultrakonservativen Akteuren.
Heute bedient man sich zur Formulierung und Durchsetzung von (sicher auch vielen guten und begrüßenswerten) Zielen der faktisch nicht demokratisch legitimierten "Europäischen Komission" und eines gut bezahlten Zustimmungsparlamentes mit nicht sehr umfangreichen Befugnissen...
Demokratie ist immer auch ein unternehmerisches Risiko, deshalb wird sie ja so gern ausgelagert, in eine s.g. repräsentative Demokratie...
Gestatten sie mir, ein anderes Szenario zu skizzieren.
Gehen wir diesen Weg konsequent so weiter, freilich einhergehend mit ständiger ideologischer Verschleierung der wahren Motive, steht am Ende die weitgehende Beseitigung nationalstaatlicher Demokratien und damit eine strikte Entdemokratisierung von Bevölkerungen und Parlamenten der europäischen Staaten, zugunsten eines weitgehend autokratisch geführten Superstaates mit einem möglichst minimal regulierten Absatz- und Arbeitskräftemarktes (TISA, CETA, TTIP), einer strikten Privatisierung, die ihre Krakenarme in alle Bereiche der Gesellschaft, beispielsweise in die Daseinsfürsorge, Infrastruktur und ins Gesundheitswesen schiebt und weiterhin einhergehend mit einer Minimierung sozialstaatlicher Hilfe auf ein europaweit möglichst niedriges Niveau.
Ist dies wirklich so weit hergeholt?
Nun ja, könnte man nun sagen, aber Frieden, Frieden haben wir doch dadurch...Mal abgesehen davon, dass EU Staaten regelmäßig in Kriege verwickelt waren, nur eben "erfreulicherweise" außerhalb des Kontinentes, hat diese Aussage, spätestens mit dem von Politik und Medien konzertierten Jugoslawienkrieg 1999, (ich erinnere an das friedensvermeidende, durchaus auch mit äußerst einseitiger Wahrheitsfindung vorausgegangene Vertragsdiktat von Rambouillet) seine evidente Basis verloren. Auch am heutigen Zustand der Ukraine, mit tausenden toten Zivilisten ist die EU mit ihren führenden Politikern bei Leibe nicht völlig unschuldig. Da kann man den "bösen" Popanz Putin aufblasen bis er detoniert...
Lieber Mitdiskutant Kay Krause, sie stimmen doch sicherlich mit mir überein, um Fehler in einem "System" zu beseitigen, oder es zumindest zu verbessern, bedarf es einer offenen Bestandsaufnahme, des ständigen Kritisierens und eines breiten Diskurses. Ausgeschlossen davon sind nur jene wirklich Intoleranten, im Gesamtbild aber erfreulicherweise noch völlig unbedeutenden, ideologisch getriebene Links-, Rechts-und religiösen Extremisten, die (Volks)Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, damit letztlich die freiheitlich demokratische Grundordnung, kurz, jedwede offene liberale Gesellschaft ablehnen und eine geschlossene, gleichförmige Gesellschaft präferieren.
Die quasi Subsumierung aller möglichen kritischen gesellschaftlichen Strömungen unter radikal, nur um sich nicht mit unliebsamen Sichtweisen auseinandersetzen zu müssen, zeigt deutlich, wie autoritär-patriarchalisch und wenig pluralistisch der Status Quo in Deutschland, aber auch in der heutigen EU insgesamt ist.
Unter diesen Gesichtspunkten ist es nur legitim, wie ich finde, auch die Gründer, die Motive, die Finanzierung und den kometenhaften Aufstieg der Pulse of Europe Bewegung zumindest zu hinterfragen, wie es die ihnen vorhergehenden Beiträge thematisierten.
Grüße
Matthias Berlandi am Permanenter Link
Ich habe mich in der Vergangenheit so hoffe ich kritisch aber konstruktiv geäußert und muss zunächst den hpd loben.
Was hätte wohl Karl-Heinz Deschner aus den Eckpunkten "konservativer Politiker will gemeinsame europäische Armee. Am Ende singen alle die Ode an die Freude" gemacht? Ich kann nur spekulieren, aber ich würde vermuten: "Christdemokraten gehen nur friedlich Seite an Seite, wenn sie gemeinsam marschieren. Zum Frieden natürlich. Und während Sie einst das Te Deum anstimmten, schmettern sie heute die Ode an die Freude, während Sie zum nächsten großen Schlachten treiben. [...]"
Ich bin davon überzeugt, dass man als Humanist solche Entwicklungen nicht unkommentiert stehen lassen kann. Das Haupthindernis für die kulturelle Evolution der Menschheit ist ja nicht die Religion 'an sich' sondern Denkprinzipien, die v.a. von Religionen vertreten werden. Das tückische an der gegenwärtigen Politik besteht ja gerade darin, dass diese Prinzipien nur von ihrem offenbaren religiösen Kleid befreit und in einer progressiv anmutenden Rhetorik verpackt werden.
Bei der Diskussion um die Europäische Union geht es den Bürgerinnen und Bürgern zuvorderst nicht um den klassischen Nationalismus. Es gibt nicht die Nationalisten und Europäer in zwei Lagern. Es geht um das Demokratiedefizit der EU. Deshalb sind alle bisherigen Referenden negativ ausgefallen, weil die EU Bürger befürchten, Kompetenzen an die EU zu verlieren, die sie dann demokratisch nicht mehr beeinflussen können. Wir haben eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame (demokratische ) Wirtschaftspolitik; man stelle sich eine gemeinsame Armee ohne gemeinsame (demokratische) Sicherheitspolitik vor. Das wird dann von den Befürwortern vermengt mit dem ERASMUS Studienprogramm und der Bewegungsfreiheit in der EU. Was hat denn der Humanismus von Bewegungsfreiheit und fehlender Passkontrolle bei gleichzeitigem Demokratierückbau auf allen anderen Ebenen.
All diese Fragen sollen dann in einem Referendum auf eine Ja/Nein Frage reduziert werden. Nur scheinbar haben die rechtskonservativen Parteien da eine Mehrheit, denn viele stimme dann auch mit Nein aus wirklich progressiven Überlegungen. Damit man sich um die schwierigen Fragen aber nicht zu kümmern braucht, überlässt man es den rechtskonservativen Parteien,eine Alternative zu formulieren, um die politische Diskussion auf das Feld 'Pro-Europa/Pro-Nation' zu verengen.
Es ist die zentrale Aufgabe aller, die sich der Aufklärung verpflichtet fühlen, dieses vorgegebene Narrativ aufzubrechen, um tatsächlich über sinnvolle Lösungen nachzudenken. Die Verengung der Diskussion auf diese Punkte führt dazu, dass die sog. Rechtspopulisten zu Scheinriesen werden, womit dann gleich für weniger Bürgerbeteiligung argumentiert werden kann, da das Volk ja offensichtlich doof ist.
Ich wiederhole mich aber manchmal hilft ja auch das argumentum ad nauseam: gerade bei politischen Meldungen muss das vorgegebene Narrativ aufgebrochen werden, um ein freies, kritisches Denken zu ermöglichen. Es hilft auch immer wieder sich im Wortlaut die Menschenrechtskonvention durchzulesen und schlicht zu überlegen, passt das noch, was da gerade passiert. Im Idealfall kennt man sich dann noch mit Voltaire und Demokratietheorie aus und ehe man sich versieht hat man aus einer Agenturmeldung einen differenzierten humanistischen Denkanstoß gezaubert.
All das tut die Pulse of Europe Bewegung nicht. Ich kann nur jedem mal empfehlen, sich das selbst verfasste Selbstverständnis dieser Bewegung durchzulesen. Klingt ein wenig so nach der Clinton-Kampagne in schlecht. Sprich de facto konservative Forderungen verpackt in primitivster Rhetorik. "Vielfalt ist gut"; "Lasst uns positiv für unsere Werte einstehen". Auf die Art und Weise verliert man sogar gegen Trump.
Wir müssen aufhören uns in dem vorgegebenen Narrativen zu bewegen sondern müssen eigene humanistische Narrative etablieren. Diese könnte lauten: "Ein Europa der Menschen- und Bürgerrechte statt einer Kommissions-Union oder ein nationaler Selbstbedienungsladen." (Arbeitstitel)