Ferdinand von Schirachs Theaterstück als interaktives Fernsehexperiment

"Terror" in der ARD

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Darf man 164 Menschen töten, um 70.000 zu retten?

Kein Theaterstück feiert derzeit so große Erfolge und sorgt für derart hitzige Diskussionen wie Ferdinand von Schirachs "Terror". Heute Abend zeigt das Erste eine Fernsehadaption des Stücks als interaktives TV-Ereignis. Das Fernsehvolk wird zu Laienrichtern. Das Wagnis blieb nicht ohne Kritik.

Major Lars Koch wägte ab und ernannte sich selbst zum Richter über Leben und Tod. Der Kampfpilot schoss eine vollbesetzte Passagiermaschine ab, die ein Terrorist in die ausverkaufte Allianz-Arena lenken wollte. Im anschließenden Gerichtsverfahren wird er des Mordes beschuldigt. Das Publikum wird in dem interaktiven Schauspiel zu Schöffen erklärt und muss über die Schuld des Angeklagten entscheiden. Eine jede Stimme zählt.

Ferdinand von Schirachs Erfolgsstück wurde bereits an mehr als 30 verschiedenen Bühnen im deutschsprachigen Raum gezeigt. In der kommenden Spielzeit werden nochmals knapp 20 weitere hinzukommen. Der hpd hatte über die Inszenierung in den Mainzer Kammerspielen berichtet.

Das Erste präsentiert heute Abend ab 20:15 Uhr eine Verfilmung des Gerichtsdramas, die das interaktive Konzept der Vorlage konsequent beibehält. Nach den Schlussplädoyers der Anwälte wird es am Fernsehpublikum liegen, online oder per Telefon über das Schicksal des Luftwaffen-Majors abzustimmen. Je nach Wahlausgang wird daraufhin ein alternatives Ende, Freispruch oder Verurteilung, ausgestrahlt. Im Anschluss folgt eine Sondersendung von "hart aber fair" mit Frank Plasberg, in der dieser u.a. mit dem ehemaligen Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung über die Abstimmung und das ethische Dilemma des Stücks diskutieren wird.

Die ARD konnte zur Umsetzung ihres TV-Events dabei vor und hinter der Kamera ein großes Staraufgebot auffahren: Regie führte Grimme-Preisträger Lars Kraume, der mit seinem Kinofilm "Der Staat gegen Fritz Bauer" dieses Jahr den Hauptpreis im Rahmen des Deutschen Filmpreises gewann. Die Produktion übernahm Oliver Berben. In den Hauptrollen sind Florian David Fitz, Martina Gedeck, Burghart Klaußner und Lars Eidinger zu sehen.

Das multimediale Spektakel sorgte indes auch für negative Schlagzeilen. So warfen die FDP- Politiker Burkhard Hirsch, ehemals Vizepräsident des Deutschen Bundestages, und Gerhart Baum, ehemals Bundesinnenminister, von Schirach in einem Interview mit der FAZ Effekthascherei und eine negative Beeinflussung der öffentlichen Meinung vor. Sie forderten gar, die Ausstrahlung des Projekts ganz zu unterlassen.

ARD-Programmdirektor Volker Herres widersprach daraufhin in einem offiziellen Statement. Denn gerade durch die an den Film anschließende Diskussionsrunde werde ja eine sachliche und geeignete Auseinandersetzung mit dem Stoff geboten. Zumal angemerkt werden muss, dass nicht zuletzt von Schirach selbst in einem Essay im Spiegel bereits klargestellt hatte, dass er seinen Kampfpiloten als schuldig ansieht.

Alles in allem verspricht es also ein spannender Fernsehabend zu werden, der seinem nur selten interaktiven Ausgangsmedium interessante Impulse für eine öffentliche Debatte entlocken kann. Eine nachdenklich stimmende, brandaktuelle Abwandlung des klassischen Trolley-Problems, angesichts der Bedrohungslage durch terroristische Anschläge.


Weitere Informationen zum Film auf der Website des Ersten.