Zum 50. Geburtstag von Michael Schmidt-Salomon

Chef-Atheist wider Willen

Nein, dies ist kein Nachruf. Er lebt noch. Was einige freuen wird. Andere weniger. Denn die Positionen, die der Philosoph und Schriftsteller Michael Schmidt-Salomon vertritt, gefallen nicht jedem. Trotzdem – oder gerade deshalb – zählt er zu den einflussreichsten Ideengebern im deutschsprachigen Raum.

Die Medien nennen ihn gern "Deutschlands Chef-Atheisten". Ihm selbst gefällt diese Bezeichnung nicht. Denn für den Philosophen Schmidt-Salomon steht nicht allein die Aufklärung über die staatliche Privilegierung von Religionsgemeinschaften und der Kampf für die Rechte Konfessionsfreier im Zentrum seines Denkens und Handelns, sondern vor allem die Frage, wie eine Welt ohne Religion möglichst optimal gestaltet werden kann.

Ob er nun Chef-Atheist sein will oder nicht: Es ist nicht zu leugnen, dass es zu seinen wesentlichen Verdiensten gehört, den Säkularen, den Atheisten und Ungläubigen jeglicher Couleur in Deutschland ein Gesicht und eine Stimme gegeben zu haben. Und zwar in einer Zeit, in der Atheisten weltweit begannen, ihren Nicht-Glauben und die Gründe hierfür öffentlich lautstark kundzutun, kurz: als Anfang der 2000er Jahre der sogenannte "neue Atheismus" entstand. Im englischsprachigen Raum waren es vor allem die "Four Horsemen" Richard Dawkins, Christopher Hitchens, Sam Harris und Daniel Dennett, die in den Medien zum Sprachrohr der in westlichen Gesellschaften immer stärker wachsenden Bevölkerungsgruppe der Nicht-Religiösen wurden. In Deutschland war es Michael Schmidt-Salomon. Ebenso wie Dawkins & Co. war Schmidt-Salomon nicht der erste und nie der einzige, der seine Stimme für die Positionen der Nicht-Religiösen in der Gesellschaft erhob. Aber er wagte sich in einer Weise an die Öffentlichkeit, die bei vielen Gehör fand.

Trotzdem ging und geht es Schmidt-Salomon nie nur um den Unglauben. Sein zentrales Anliegen ist die Klärung der Frage, wie eine Welt, in der Religionen – durch bessere Bildung, durch Aufklärung und Schulung des rationalen Denkens – ganz selbstverständlich zu einem immer marginaleren Phänomen werden, zu einem besseren Ort für alle werden kann. Schmidt-Salomon kommt diesbezüglich das Verdienst zu, eine naturalistische und zugleich humanistische Lehre des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und philosophisch weiterentwickelt zu haben: den evolutionären Humanismus. Eine Weltanschauung, die Humanismus und Naturwissenschaft versöhnen will und die in ihren Grundzügen vom ersten Generaldirektor der UNESCO, Julian Huxley, Mitte des 20. Jahrhunderts geschaffen wurde – unter dem Eindruck des durch zwei Weltkriege verursachten Leidens, des rasanten wissenschaftlichen Fortschritts und des hierdurch erfolgenden Zusammenbruchs überlieferter Glaubenssysteme. Der Wunsch, evolutionäres und zugleich humanistisches Denken einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, ließen Michael Schmidt-Salomon zum Mit-Initiator und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung werden, einem wichtigen säkularen Akteur im deutschsprachigen Raum.

Laut dem Global Thought Leader Index zählt Michael Schmidt-Salomon heute zu den einflussreichsten Ideengebern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seit der erstmaligen Veröffentlichung des Index im Jahr 2014 steht er jährlich unter den Top 100 – kurz hinter Jürgen Habermas (2015) und Alice Schwarzer (2016).

Michael Schmidt-Salomon wird heute 50 Jahre alt. Laut letzten Meldungen erfreut er sich bester Gesundheit. Dies ist also wirklich kein Nachruf. Oder höchstens ein halber. Auf seine erste Lebenshälfte. Und die lässt mit Spannung die Taten der zweiten Hälfte erwarten.