Schon seit 1990 verlieren die beiden Großkirchen konstant eine halbe Million Mitglieder im Jahr. Bis 2010 ging die Gesamtzahl von 58 auf 48 Millionen zurück. Aber die Gründe veränderten sich. Bis 1995 stand und fiel der Mitgliederschwund mit der Zahl der Kirchenaustritte. Seither wird die Überalterung vor allem in der evangelischen Mitgliederschaft immer auffälliger.
Das verwundert nicht, denn die aus der Kirche Austretenden gehören größtenteils der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren an und in der DDR war 1989 ohnehin die Hälfte der Evangelischen über 60 Jahre alt. Daraus resultiert ein relativ hoher Anteil der Katholiken und Protestanten unter den Verstorbenen und ein deutlich niedrigerer Anteil der Taufen im Vergleich zur Zahl der Neugeborenen. Schon 2010 waren knapp 72 Prozent der Verstorbenen katholisch oder evangelisch, wobei die Zahlen hier nicht ganz einfach zu ermitteln sind. Die Kirchen geben nämlich nur die Zahl der "kirchlichen Bestattungen" bekannt, aber auf die verzichten inzwischen jeder 5. verstorbene Protestant und jeder 10. Katholik – Tendenz steigend. Im gleichen Jahr machte die Zahl der evangelischen plus katholischen Taufen laut damaligen Angaben aber nur 50,8 Prozent der Geburtenzahl aus. (Unter die Rubrik "Taufen" fallen alle bis zum vollendeten 14. Lebensjahr getauften Kinder. Ältere werden den "Eintritten" zugerechnet.)
Daraus ergibt sich für 2010 eine Differenz von immerhin 21 Prozentpunkten zwischen dem Anteil von Katholiken plus Protestanten an den Verstorbenen und dem Verhältnis von Taufen zu Geburten. Zehn Jahre zuvor lag der Unterschied bei nur gut 16 und 1991 gar nur bei 13 Prozentpunkten. Nun liegen endlich die genauen evangelischen Daten für 2015 vor. Sie zeigen seit 2011 einen katastrophalen Einbruch beider Kirchen, vor allem aber der evangelischen, bei den Taufen. Lassen wir einfach die Zahlen (jeweils in Prozent der Geburten) sprechen:
Nun zeigt sich, dass der oberste EKD-Experte für Religionssoziologie und Demographie schon 2005 vor der bayerischen Landessynode mit sehr guten Gründen vorausgesagt hat, dass die evangelische Kirche in nur einer Generation (2003 bis 2030) ein Drittel ihrer Mitglieder verlieren wird. Bei der katholischen wird es zwar "nur" ein knappes Viertel im gleichen Zeitraum sein, aber bisher ist weit und breit kein Indiz in Sicht, das auf ein Ende dieses Abwärtstrends nach 2030 hindeuten könnte. Im Gegenteil: Noch vor 2025 werden die Kirchen unter die 50-Prozent-Marke rutschen und um etwa 2050 werden ihnen nur noch ein Drittel der Bevölkerung angehören.
Unter diesen Umständen sind die beiden "Volkskirchen" schon jetzt nur noch Scheinriesen: Je näher man sich mit ihnen befasst, desto kleiner werden sie.
Der Text ist die Kurzfassung eines Artikels, der in MIZ 2/17 erschienen ist.
9 Kommentare
Kommentare
Sven am Permanenter Link
Danke für die gute Nachricht, vielleicht schaffen es die Atheisten die Welt positiv zu verändern
Olaf Gierhake am Permanenter Link
Seit wann ist der Einbruch der Mitgliederzahlen von Religionen "katastrophal"? Ich finde das eher ermutigend angesichts des weltweit von diesen Organisationen systematisch angerichteten Leids.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Obwohl dies vom Ergebnis her keine wirkliche Neuigkeit ist, ist es doch wertvoll, das Kirchenschrumpeln auch mal als Daten und Fakten lesen zu dürfen.
Demnach ist 2025 ein entscheidendes Datum. Spätestens in ca. sieben Jahren werden sich Medien und Politiker/Parteien neu orientieren müssen. Ihre größte Zielgruppe/Wählerschicht wird dann kein Interesse mehr an staatlich/kommunal geförderten Kirchentagen, massiv subventionierten Gedenkdekaden oder auch nur an Liveübertragungen von Geisterbeschwörungszeremonien haben.
Wer dann kirchlich getrennte Konsumenten/Wähler erreichen will, wird die Säkularisierung propagieren. Die Kirchen werden dank ihres enormen Blutgeld-Vermögens und ihrer Marketingerfahrung noch eine Weile medial dagegen halten können, doch die Wirkung davon wird verblassen.
Das nächstliegende Datum wird allerdings 2019 sein. Dann jährt sich zum hundertsten Mal der aus der Weimarer Republik stammende und grundgesetzlich übernommene Verfassungsauftrag, die Dotationen aus dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 (!) abzulösen.
An diesem Stachel im Fleisch jeder deutschen Regierung sollten wir kräftig rühren, denn mit diesen Dotationen verliert die Öffentliche Hand jährlich über 500 Millionen Euro, um Kardinals- und Bischofgehälter sowie goldene Badewannen zu finanzieren.
Alte Männer in Frauenkleidern und lustigen Hüten, die Unsinn brabbeln, bekommen auf diese Weise ca. 12.000,00 Euro/Monat zuzüglich diverser Extras (Dienstwohnung/Dienstwagen, Haushälterin/Chauffeur etc.). Andere müssen sich mit ca. 8.000,00 Euro/Monat begnügen. Sie alle vertreten angeblich den barfüßigen Wanderprediger, der den Reichen den Zugang zum Himmelreich verwehrte.
Dies muss auf die politische Bühne mit dem Ziel, spätestens 2019 diese Dotationen ersatzlos zu streichen, denn 1803 galten diese Entschädigungen der Bischöfe nur bis zum Ende deren Lebenszeit. Nach nunmehr 214 Jahren sollten sie aber tot sein...
Wolfgang am Permanenter Link
Wenn viele aus den Kirchen austreten, sind es noch lange keine Atheisten. Angeblich glauben sie alle weiter an den einzigen Gott, aber nicht mehr an ihre Kirchen. Verzweifeltes Geschwafel.
Thomas Göring am Permanenter Link
In meinem privaten Umfeld habe ich ein Beispiel dafür: Ein Ehepaar mit erwachsener Tochter, allesamt völlig bibelgläubig, vor vielen Jahren aus der Ev. Kirche ausgetreten und seither bekennende und z.T.
Ich glaube nicht, dass dies ein Einzelfall ist.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Kirchen sind Scheinriesen - wie wahr! So viele Kirchenangehörigen glauben nicht viel mehr als wir ohne "Konfession".
Dafür laßt uns weiter kämpfen. Friedlich aber entschlossen. Gut , dass es in der BRD einen eher konfessionsfreien Norden und Osten gibt. Im Süden schnürt sich einem die Kehle zu, weil überall nur Propaganda von und für Kirchen zu hören ist. Hum. Grüsse Karin Resnikschek
David Boehme am Permanenter Link
"Volks"Kirchen, sie schrumpfen und schrumpfen und schrumpfen. Aber ihre Macht und ihren Einfluss, den geben sie nicht her.
Damals hatte es unsere Verteilaktion von 1200 Faltblättern (in die Briefkästen) zum Kirchenaustrittsjahr bis in den Kirchengemeinderat geschafft :-D die pure Angst vor der Pfarrstellenkürzung oder Gemeindezusammenlegung ging um ... war schön.
Kay Krause am Permanenter Link
Danke für den Artikel, lieber Gehard! Es baut schon auf, ab und an die aktuellen Zahlen zu hören.
In diesem Zusammenhang darf ich zum wiederholtenmale auf das "Kirchenaustrittsbüro" von Wolfgang Sellinger in Eichstätt hinweisen. Im Bedarfsfall übernimmt er auch die amtliche Austrittsgebühr! Siehe im Internet: "Der Sellinger"
Arno Gebauer, ... am Permanenter Link
Moin,
die Volkskirchen gibt es ja nicht nur in Deutschland. Sie sind über alle Länder der Erde verteilt.
In all diesen Ländern wurden die sozialen Erleichterungen nicht durch die Kirchen, sondern gegen sie geschaffen.
Seltsam ist nur, dass viele Länder wichtige Sozialaufgaben in die Hand der Kirchen übertragen haben (Krankenhäuser, Kindergärten, Hospiz, usw), wodurch die Länder durch die Kirchen erpressbar geworden sind.
Die Macht der Kirchen liegt in den Strukturen und Institutionen!
Auch wenn Kirchenaustritte zu verzeichnen sind , schwächt dies die Stellung der Kirchen kaum.
Viele Grüße
Arno Gebauer