7. Internationaler Kongress der Internationalen Vereinigung der Freidenker in Paris

"Es lebe die Solidarität"

Der 7. Internationale Kongress der IAFT (International Association of Freethought – Internationale Vereinigung der Freidenker) fand vom 22. bis 24. September in Paris statt. Delegierte und Gäste aus aller Welt waren zusammengekommen, um über die Themen zu sprechen und zu diskutieren, die allen gemeinsam sind – in Europa, in Afrika, in Lateinamerika und in Asien: Trennung von Staat und Kirche wie Religion, Rechte der Frauen und gleiche Rechte für Männer und Frauen, das Recht auf ein Sterben in Würde.

Die Freidenker sind innerhalb der säkularen Bewegung eine eher ‚kleine Familie von Organisationen‘, die aber auch weltweit Mitgliedsorganisationen hat, mit Schwerpunkt in Europa und den beiden Amerikas. Die Mitgliedsorganisationen haben ebenso Tendenzen von Freidenkern, Humanisten, Atheisten und Skeptikern wie andere Dachverbände auch. Politisch gesehen sind die Freidenker allerdings eindeutig links von der Mitte zu verorten – was sich auch darin ausdrückte, dass der gastgebende Verband in Frankreich – Libre Pensée – in Paris als Tagungsorte historisch wesentliche Gebäude für die Arbeiterbewegung ausgesucht hatte – wie die Bourse du Travail, mit Büros und Tagungsräumen u. a. der beiden Gewerkschaften CGT (Confédération générale du travail) und der FO (Force Ouvrière).

Internationaler Congress im Historischen Gewerkschaftshaus von Paris, Foto: © E. Ferk
Internationaler Congress im Historischen Gewerkschaftshaus von Paris, Foto: © E. Ferk

Die Internationalität der teilnehmenden Organisationen und Personen zeigte sich auch darin, dass sich im großen Saal der Bourse du Travail rund die Hälfte der Teilnehmer der französischen Sprachgruppe zuordnete (Delegierte und Teilnehmer aus Frankreich, Canada, Belgien, Polen, Tunesien, Libanon, …), ein gutes Viertel dem Spanischen (Spanien, Uruguay, Argentinien,… ) und ein knappes Viertel dem Englischen (Großbritannien, Irland, Indien, Australien, USA, Senegal, Nigeria, Schweiz, Deutschland, Ungarn, Rumänien,…).

Hommage an Guiseppe Garibaldi

Am Vorabend der Tagung hatte die IAFT – anlässlich des Internationalen Tages der Freidenkerei – zu einer Zusammenkunft am Denkmal für Garibaldi in Paris aufgerufen. Die drei Redner – Maria Mantello (von der italienischen Associazione nazionale del libero pensiero "Giordano Bruno"), Elbio Laxalte Terra (von der Association Internationale de Libre Pensée (AILP) sowie Pierre Gueguen (von der Nationalen Vereinigung der Libre Pensée) – betonten und erinnerten, dass Garibaldi nicht nur als einer der Begründer des italienischen Nationalstaates der Neuzeit gilt, sondern auch ein entschiedener Vertreter des Laizismus gewesen sei, "ein Mann der Freiheit und ein Mann der Humanität wie der Emanzipation des Menschen", wie es Victor Hugo sagte. Es gelte weiterhin, wie Garibaldi, die klerikale Partei in ihre Schranken zu verweisen.

Zusammenkunft am Denkmal von Guiseppe Garibaldi, Foto: © E. Frerk
Zusammenkunft am Denkmal von Guiseppe Garibaldi, Foto: © E. Frerk

Aus den 51 Referaten und Vorträgen des Kongresses können im Folgenden nur einige beispielhaft und kurz genannt werden.

Grußworte

Der Vormittag des ersten Konferenztages war angefüllt mit langen Grußworten und Erklärungen der Gemeinsamkeiten der IAFT durch Vertreter des AAI (American Atheists International), der EHF (European Humanist Federation), der CLIPAS (Internationale Vereinigung der Freimaurer-Großlogen), CFI (Center for Inquiry), der Americans United for the Seperation of Church and State (USA) sowie den Rationalist International. Besonders hervorzuheben ist das lange Grußwort von Garry Mc Lelland, dem Geschäftsführer der IHEU (International Humanist and Ethical Union), dem größten säkularen Dachverband. Mc Lelland beschrieb, wie die IAFT und die IHEU seit den parallelen Kongressen in Oslo 2011 fest miteinander verbunden seien, in ihrer Version einer Demokratie, die an säkularen Prinzipien orientiert sein. Er sprach über die Unterschiedlichkeiten innerhalb der nicht religiösen Bewegung und wie sehr man die verschiedenen Meinungen anerkennen müsse. Deshalb müssten Humanisten, Säkularisten und Freidenker zusammenarbeiten, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Besonders auf Frankreich bezogen war das Grußwort der Staatssekretärin für die Gleichheit von Männern und Frauen in der aktuellen französischen Regierung, Marléne Schiappa, sie betonte, dass bereits im Gesetz von 1905 ("Egalité") sowie in den allgemeinen Menschenrechten die Gleichheit von Männern und Frauen gesetzlich festgelegt sei. Alle anderen Traditionen müssten durch Bildung überwunden werden.

Frauenrechte

Rachel Ortiz (Europa Laica, Spanien) beschrieb, wie sich die Kirche gegen Abtreibung auflehnt: Die Bestimmung der Frau sei ausschließlich Mutter und Ehefrau, sie bleibt im Privaten. In Kultur und im wissenschaftlichen Leben seien nur Männer sichtbar. Aus feministischer Perspektive kann ein Staat nur ein laizistischer Staat sein. Frauen und Männer seien aufgerufen, auch für die Frauenrechte zu kämpfen.

Rachel Ortiz zu Frauenrechten in Spanien, Foto: © E. Ferk
Rachel Ortiz zu Frauenrechten in Spanien, Foto: © E. Ferk

Babu Gogenini (Indien) erläuterte, dass in Indien 60 Prozent der Frauen Analphabetinnen sind. Vielleicht sind Frauen aus diesem Grunde arm und beten die glücksbringenden Göttinnen an, die absolut nichts mit der Realität der Frauen zu tun haben. In Indien sind etwa 200 Millionen Frauen "verschwunden", d. h. einer Milliarde Männer entsprechen nur 800 Millionen Frauen.

Babu Gogenini: In Indie sind 60% der Frauen Analphabetinnen, Foto: © E. Ferk
Babu Gogenini: In Indie sind 60% der Frauen Analphabetinnen, Foto: © E. Ferk

Länderberichte

Am Samstag war u. a. David "Dave" Silverman, Präsident der American Atheists, auf dem Podium. Mehrere Referenten berichteten über die jeweilige Situation der Trennung von Staat und Kirchen in ihren Ländern, u. a.:

David Rand (Atheist Freethinker, Canada) referierte, dass die zwei bisherigen "Säulen von Canada", die auf der Unterscheidung der beiden Hauptsprachen (französisch und englisch) beruht, auch bedeutete, dass die Laizität Frankreichs in Quebec gleichberechtigt mit dem englischsprachigen Toronto, wo die englische Tradition des englischen Säkularismus nach John Locke vorherrschte, in dem eine Trennung von Staat und Kirche nicht eingeschlossen ist. Diese englische Tradition untergrabe immer mehr die Laizität. Der liberale Premierminister Justin Trudeau gefalle sich darin, alle Religionsgemeinschaften als "Multikulturalismus" zu hofieren.

Begrüssung am 2. Tag mit David Silverman (USA) und Ebio Laxalte (Uruguay), Foto: © E. Frerk
Begrüssung am 2. Tag mit David Silverman (USA) und Ebio Laxalte (Uruguay), Foto: © E. Frerk

Michael Nugent (Atheists Ireland) berichtete über Diskriminierungen und Verletzungen der Menschenrechte in Irland und was sie selbst dagegen unternehmen, u. a. die Unterstützung der gleichgeschlechtlichen Ehe sowie die Abtreibungsfreiheit. Irland sei mittlerweile nicht mehr ein katholisches Land, sondern pluralistisch, allerdings mit katholischen Gesetzen.

Paco Delgado (Europa Laica, Spanien) dokumentierte die vielfältige öffentliche Finanzierung von Religionsaktivitäten in Spanien, die als Gesamtsumme den Staat mehr als 11 Milliarden Euro kosten würde, davon seien 5 Milliarden für katholische Schulen. Jeder Bürger, katholisch oder nicht, gläubig oder nicht, finanziere die katholische Kirche mit 240 Euro pro Jahr.

Robert Boston (Americans United for Separation of Church and State) beschrieb die "Attacken von Donald Trump" gegen den "Wall der Trennung von Staat und Kirchen". Im Einzelnen gehe es dabei um die Rolle der Kirchen innerhalb der Politik (steuerbefreite Organisationen dürfen keine politischen Ämter unterstützen), die Förderung von religiösen Organisationen aus Steuergeldern (Milliarden für religiöse Schulen), den Angriff auf die sexuelle Privatheit und die Geburtenkontrolle. Trump selber, der ein unmoralisches persönliches Leben führe und offensichtlich ohne jegliche Kenntnisse der Bibel sei, habe sich als Verteidiger des christlichen Glaubens positioniert. Das zeige sich auch in seiner Ignoranz gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen. Schließlich bat Robert Bosten die Konferenzteilnehmer, sich, bei aller Kritik an dem jetzigen Präsidenten, nicht von den USA abzuwenden.

Robert Boston, Foto: © E. Ferk
Robert Boston, Foto: © E. Ferk

Elbio Laxalte (Freidenker, Uruguay) berichtete, das in Uruguay seit 1861 die Säkularisierung voranschreite (1906 Abtreibung in staatlichen Kliniken, 1907 Beendigung des Amtseides auf die Bibel, 1913 Scheidungsrecht sowie eine Verfassung von 1917, in der Uruguay die Religionsfreiheit anerkennt aber gleichzeitig erklärt, dass der Staat nicht konfessionell geprägt sei). Alle diese und weitere Errungenschaften wie die Abschaffung der Todesstrafe (1907), der 8 Stunden-Arbeitstag (1915), das Gesetz über die sexuelle und reproduktive Gesundheit, welches den Frauen das ausschließliche Recht zubilligt, über ihren Körper zu entscheiden (2012) werden von der geschwächten katholischen Kirche in den letzten Jahren massiv attackiert.

Carsten Frerk (IBKA, Deutschland) berichtete über die Arbeit der katholischen und evangelischen Büros auf Bundes- und Länderebene sowie die Verfilzung zwischen Staat und Kirchen insbesondere auf ministerieller Ebene. Inwiefern diese im allgemeinen verschwiegene und damit intransparente Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen gelegentlich öffentlich sichtbar wird, zeige die Mehrheit im nationalen Parlament (Bundestag) für das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Sterbehilfe vom November 2015.

Das Recht auf ein Sterben in Würde

Es schloss sich das Podium an "Über das Recht eines würdevollen Sterbens". "Chairmens": Nina Sankari, Polen, Albert Riba, Spanien, Fernandpo Lozada, Argentinien.

Eröffnet wurde es von Jean-Luc Roméro, Präsident der Vereinigung für das Recht auf ein Sterben in Würde (ADMD).

Jean-Luc Roméro, Foto: E. Frerk
Jean-Luc Roméro, Foto: E. Frerk

Andreas Kyriakou (Freidenker-Vereinigung der Schweiz) berichtete über die Schweizer Situation der Freitod-Begleitung und die Schweizer Organisationen. Artikel 114 des Strafgesetzbuches verbietet die aktive Sterbehilfe. Artikel 115 erlaubt die Beihilfe zum selbst gewünschten Suizid. Er erläuterte Statistiken über die Anzahl der Sterbebegleitungen und den Lebenssituationen der Menschen, wobei der größte Anteil mit 41 Prozent Krebserkrankungen im hohen Lebensalter sind. Gegenwärtig werden vier Punkte diskutiert: 1. Die Erlaubnis für die Freitod-Begleitung von Bewohnern in Altenheimen, 2. der Zugang zu den Medikamenten, 3. Sterbebegleitung für Menschen mit mentalen Erkrankungen sowie 4. die Sterbebegleitung für Strafgefangene.

Andreas Kyriakou, Foto: © E. Ferk
Andreas Kyriakou, Foto: © E. Ferk

Bankett

Freidenker sind auch Hedeonisten. Ein "Cup of Champagne" leitete am Abend die Preisverleihung für besondere Aktivitäten an Antonio Vergara aus Chile, Robert Boston aus den USA und Wanda Nowicka aus Polen ein. Ein Bankett schloss in einem Restaurant am Ufer der Seine mit dreigängigem Menü den gemeinsamen festlichen Teil.

Resüme

Derartige internationale Konferenzen haben die wichtige Aufgabe der Kommunikation und der Vernetzung. Es wird deutlich, dass die eigenen nationalen Bestrebungen, eine säkulare Demokratie voranzubringen, in vielen Ländern unserer Welt ebenso engagiert bearbeitet und gelebt werden. Insofern verbindet sich die nationale Situation, bei der man sich manchmal fragt, wozu dieses oder jenes gut sein solle, mit dem Bewusstsein, dass man nicht alleine ist. Es macht immer Sinn, sich auch an den Erfolgen in anderen Staaten der Welt zu orientieren.

Konferenz der Freidenker mit Teilnehmern aus aller Welt, Foto: © E. Frerk
Konferenz der Freidenker mit Teilnehmern aus aller Welt, Foto: © E. Frerk