Am 24. September wurde der 19. Bundestag gewählt. Mit 709 Abgeordneten aus sieben Parteien ist es der größte Bundestag aller Zeiten. Eine Gelegenheit, vor der konstituierenden Sitzung einen Blick auf die religiösen Bekenntnisse unserer Volksvertreter zu werfen.
Auf der Homepage des Bundestags finden sich für jeden der neu gewählten Parlamentarier persönliche Informationen. Neben Angaben zu Familienstand, Kindern und Lebenslauf, können hier auch religiöse Bekenntnisse eingesehen werden. Leider sind diese freiwilligen Auskünfte lückenhaft. Nur bei 55% lässt sich ein Bekenntnis nachlesen. Bei den Abgordneten des letzten Bundestags waren es noch 61%.
Die Motive hierfür mögen neben persönlichen Gründen auch für die Parteien sehr unterschiedlich sein. Darauf deuten jedenfalls die starken Schwankungen bei der Angabe hin. Mit 89% bei der CSU und 78% bei der CDU führen die Unionsparteien bei der freiwilligen Auskunft. Die Auskunftsfreude der SPD liegt nur bei 46%. Allen dreien gemeinsam ist ein Rückgang der Auskunftsfreudigkeit von jeweils 4%-Punkte gegenüber dem vorherigen Bundestag. Ein Anstieg ist bei den Grünen mit 45% (+16%-Punkte) und bei der Linken mit 30% (+8%-Punkte) zu verzeichnen. Der Wiedereinsteiger FDP gibt mit 64% überdurchschnittlich Auskunft. Schlusslicht bei der freiwilligen Selbstauskunft ist mit 25% die erstmalig im Bundestag vertretene AfD.
Mit 58% (-10%-Punkte) sind die Männer merklich auskunftsfreudiger als die Frauen mit 49% (-2%-Punkte). Etwas weniger Unterschied zeigt sich zwischen Ost (46%, -7%-Punkte) und West (58%, -5%-Punkte).
Religiöse Abgeordnete
Von der knappen Mehrheit der Abgeordneten, die Angaben zu einem Bekenntnis machen, haben sich nur 12,5% (+7%-Punkte) als konfessionsfrei bezeichnet. Von diesen 49 Parlamentariern mochte sich nur ein einzelner Vertreter der Linken als Atheist bezeichnen.
Bei der CSU sind erwartungsgemäß alle Bekenntnisangaben religiös. Die beiden ostdeutschen Abgeordneten der Grünen erreichen ebenfalls diese Quote. Insgesamt spiegelt eine Quote von weniger als zwei Dritteln religiöser Bekenntnisse bei den Grünen die bundesrepublikanischen Verhältnisse wieder. Bei der CDU gibt es nur jeweils einen Abweichler aus Ost und West. Bei der SPD sind die Konfessionslosen mit 8,6% (+3,3%-Punkte) ebenso wie bei der FDP mit 13,7% weiter deutlich unterrepräsentiert. Die Linken kehren mit zwei Dritteln Konfessionsfreien (-12%-Punkte) die Verhältnisse um. Das heterogenste Bild liefert die AfD bei denen 39% der Bekenntnisse konfessionsfrei sind. Dies ist wohl auch der kleinen Datenbasis geschuldet.
Bei den religiösen Konfessionen sind Protestanten mit 42% und Katholiken mit 44 % der Bekenntnisangaben fast ausgeglichen vertreten. Die zwei orthodoxen und drei muslimischen Abgeordneten fallen kaum ins Gewicht.
Fazit
Mit 87,5% ist die überwältigende Mehrheit der Bekenntnisse unserer Volksvertreter religiös, jedoch leicht abnehmend (-7,1%-Punkte). Angesichts der 45% (+6%-Punkte) Abgeordneten, die keine Angaben machen wollten, sind die Zahlen nur bedingt aussagekräftig. Mehr Transparenz bei den Abgeordneten wäre wünschenswert. Zumal von der Bevölkerung erwartet wird, dass mindestens gegenüber dem Finanzamt das Bekenntnis offengelegt wird. Bei der AfD macht sich das ambivalente Verhältnis zu Religionen auch in den Zahlen bemerkbar.
Eine berechtigte Hoffung für ein Ende von religiös geprägten Gesetzgebungen und der nicht mehr zeitgemäßen Verflechtung von Kirchen und Staat lassen die Zahlen nicht erwarten. Jedoch ist die stetige gesellschaftliche Veränderung auch abgemildert im höchsten Parlament erkennbar. Nicht zuletzt hat die "Ehe für alle" gezeigt, dass im Einzelfall auch Entscheidungen getroffen werden können, die religiösen Lehren zuwiderlaufen und gegen den Widerstand einflussreicher Religionsvertreter getroffen werden können.
Anmerkungen
Die Datenbasis stammt von der Webpräsenz des Deutschen Bundestags und wurden am 27.09.2017 abgerufen.
Für die am 24. September gewählte 19. Wahlperidode: https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien
Für die vergangene 18. Wahlperiode: https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien18
Die Vergleichszahlen der vergangenen Wahlperiode basieren auf der letzten Parlamentsbesetzung, die sich gegenüber der Zusammensetzung nach der Bundestagswahl 2013 in Teilen unterscheidet.
Die aktuell fraktionslose Frauke Petry ist in den Zahlen der Partei AfD enthalten.
Die zum Ende des letzten Bundestags fraktionslose Erika Steinbach ist in den Zahlen der Partei CDU enthalten.
Update, 11.10.2017: In der ursprünglichen Version wurden Prozentpunkte (%-Punkte) fälschlich als Prozent (%) bezeichnet. Autor und Redaktion danken dem Hinweisgeber.
6 Kommentare
Kommentare
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Die BRD - "Kirchenrepublik" weiterhin. Trotz zahlenmäßigen Verbesserungen werden uns unsere Volksvertreter n i c h t
Der Staat schneidet sich um der Kirchen willen, die ihren moralischen Anspruch ständig leichtfertig verspielen, ins eigene Fleisch. Der eigene Staat sperrt uns gesetzlich von Diakonie und Caritas, kirchlichen Kindergärten, Schulen etc. aus. Und macht Euch keine Hoffnungen: bis zuletzt werden Kirchen sich für uns nicht öffnen, nur wo's Personalmangel hat; und auch dort nur gegen Auflagen und Schikanen. Alles hat ihnen der Staat praktisch umsonst vermacht. Ihre Gier ist grenzenlos. Organisiert Euch Leute, auch wenns nicht passt und Euch schwer fällt - weil für eine verantwortete Zivilbürgerschaft völlig unnötig. Laßt Euch nicht ausnützen als willfährige Idioten, die sich überall engagieren, zahlen und nichts dafür kriegen. Wir brauchen jeden mann/frau. Die Kirchen haben uns schon das letzte Hemd ausgezogen. Sie werden weitermachen. Wer, wenn nicht wir, kann sie daran hindern? Also eintreten in HVD, IBKA, Freidenkergruppen etc.. Und/oder in den Parteien säkulare Gruppen aufmachen und unsere Rechte anmahnen. Es ist unser Land; es gehört nicht den Kirchen. Ihre Lobby hat sich allzu breit gemacht. Sagt es so lange und laut, bis die da oben der Zahl von fast 40% Menschen gerecht werden. Humanistische Grüße Karin Resnikschek.
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
10 Prozent von 50 Prozent weniger ergibt 45 Prozent.
10 Prozentpunkte von 50 Prozent weniger ergibt 40 Prozent.
Man sollte schon Prozent und Prozentpunkte auseinanderhalten.
Dirk Pokorny am Permanenter Link
Lieber Ernst-Günter Krause,
Sie haben selbstverständlich recht. Der Text wurde entsprechend korrigiert. Vielen Dank für das aufmerksame Lesen und den Hinweis.
Viele Grüße, Dirk Pokorny
Wolfgang am Permanenter Link
Ich bezweifle, ob unsere hochverehrten Politiker "religiös" sind, sie gehören lediglich einer der bekannten Kirchen an und das auch nur zu ihrem eigenen Wohlgefallen.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Bin nicht einverstanden. Religionszugehörigkeit sollte wie in Frankreich reine Privatangelegenheit sein.
David Z am Permanenter Link
"Von der knappen Mehrheit der Abgeordneten, die Angaben zu einem Bekenntnis machen, haben sich nur 12,5% (+7%) als konfessionsfrei bezeichnet.
Puuh, der Weg ist noch lang. Und ich fūrchte, er wird derzeit eher schwerer als leichter.