Helge Meves, in der Bundesgeschäftsstelle der Partei Die Linke im Bereich Grundsatzfragen tätig, hat in einem hpd-Artikel seine Partei gegen Kritik aus dem säkularen Lager verteidigt. Doch seine Ausführungen gehen zu einem guten Teil am Kern der Sache vorbei, übersehen, dass Religionspolitik Gesellschaftspolitik ist, und zeigen eine bedenkliche Nähe zu identitärem Gedankengut.
Als die britische Premierministerin Margaret Thatcher Anfang der 1980er-Jahre ihre neoliberale Politik durchsetzte, war ihr Slogan "There is no alternative". Doch es war wohl eher so, dass die "Eiserne Lady" mit diesem Spruch die Debatte über Alternativen zu ihrem politischen Kurs von vorneherein unterbinden und davon ablenken wollte, dass sich für ihre Politik kaum vernünftige Argumente finden ließen. Nicht anders ist es, wenn Helge Meves verkündet, dass "die Ausweitung des Modells der Staatsverträge" mit nichtstaatlichen Körperschaften öffentlichen Rechts "die einzig praktikable Lösung für eine Gleichbehandlung" sei.
Wer über diese "einzig praktikable Lösung" etwas genauer nachdenkt, stellt zunächst fest, dass dadurch das herrschende System der Benachteiligung Konfessionsloser und kleiner Religionsgemeinschaften nicht aufgehoben, sondern stabilisiert wird. Meves’ Vorstellung bewegt sich genau im Rahmen dessen, was die beiden großen Kirchen seit etwa 20 Jahren propagieren: Der Schulterschluss der abrahamitischen Religionen soll die Erosion ihrer Macht und ihrer Privilegien aufhalten. Die ganzen Ausführungen zur "Herrscherreligion" und der Religion der Unterdrückten erweisen sich als rhetorische Nebelkerze: Denn folgen wir Meves’ Vorschlägen, bleibt im Grundsatz alles beim Alten, nur ein paar Organisationen mehr werden mit Geld und Privilegien ausgestattet. Das schafft in erster Linie Posten für religiöse Funktionäre (vielleicht auch für eine Handvoll Funktionärinnen), die Gläubigen profitieren von dieser Entwicklung eher weniger.
Vor allem aber setzt Meves stillschweigend die Ausweitung des Körperschaftsstatus voraus, bezeichnet sie sogar als "Konsens in der Menschenrechtsdebatte". Richtig ist, wenn er darauf verweist, dass der jetzige Zustand in Deutschland historisch entstanden ist und die geschichtliche Entwicklung in den USA und Frankreich andere Voraussetzungen hatte. Falsch ist hingegen, wenn er suggeriert, dieser Zustand sei deshalb in Stein gemeißelt. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die religiös-weltanschauliche Zusammensetzung der Bevölkerung drastisch verändert, so dass mir eine Änderung des Status quo – der Bevorzugung religiöser Organisationen vor anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren durch den Körperschaftsstatus und die damit einhergehenden Privilegien – notwendig erscheint. Denn ein im Grundsatz ungerechtes System wird nicht dadurch besser, dass es auf ein paar weitere Organisationen ausgeweitet wird.
Religionsfreiheit: Kollektiv und Individuum
Die nächste Nebelkerze wirft Meves, wenn er das Grundsatzprogramm der Partei Die Linke zitiert. Ich hatte gar nicht behauptet, dass Die Linke insgesamt nur das Kollektiv im Blick hat, sondern dass Meves, Buchholz & Co. in religionspolitischen Fragen diese Position vertreten und versuchen, sie gegen andere Auffassungen in der Partei durchzusetzen. Meves unterstreicht dies dankenswerterweise bereits mit der Überschrift seines Beitrags: "für gleiche Rechte aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften".
Und genau hier setzt meine Kritik an: Religionsfreiheit bezieht sich in dieser Interpretation nicht mehr auf die konkrete Lebenssituation der Gläubigen, sondern wird auf die Ebene der Organisationen verlagert. Dass allein dadurch die Religionsfreiheit der Einzelnen eingeschränkt werden könnte (z.B. durch die Einführung einer formellen Mitgliedschaft und die Notwendigkeit, sich öffentlich oder vor einer Behörde zu bekennen), hat Meves gar nicht im Blick. Oder sollte ich sagen: Er will von diesem Problem ablenken, damit nicht auffällt, dass sein Vorschlag eben doch nicht alternativlos ist?
Diskreditierung als rhetorische Strategie
Ein ganzes Arsenal an Nebelkerzen kommt zum Einsatz, wenn Meves versucht zu verbergen, wie nahe seine Auffassungen an identitären Vorstellungen liegen. Mehrfach verlässt er den Bereich dessen, was noch als Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung angesehen werden kann.
Schon die Überschrift seines Textes suggeriert, es gäbe einen Zusammenhang zwischen "Hass" und der Ablehnung einer Privilegierung von Religionsgesellschaften (was Meves "Gleichbehandlung" nennt). Allein dies ist bereits demagogisch, und natürlich wird (wie in Texten von Christine Buchholz auch) die Abgrenzung gegenüber der Alternative für Deutschland (AfD) nachgeschoben. Schließlich landet er bei der NSDAP und präsentiert eine Studie, nach der 18% der Konfessionslosen AfD wählen wollen. (Wie solche Statistiken mit einfachen Mitteln kritisch zu prüfen sind, war auf hpd schon nachzulesen.) Da die AfD das bestehende Verhältnis von Staat und Religionsgesellschaften überhaupt nicht ändern will, in ihrem Wahlprogramm sogar auf das "freiheitliche Staatskirchenrecht" Bezug nimmt (von dessen Segnungen lediglich "der Islam" auszuschließen sei), ergibt der Hinweis auf diese Partei in einer sachlichen Debatte keinen Sinn. Er dient Meves, wie auch Buchholz, allein dazu, laizistische Positionen zu diskreditieren, indem eine Verbindung mit der extremen Rechten in den Raum gestellt wird.
Ebenso ist seine Behauptung, der Laizismus werde zur Ausgrenzung von Muslimen instrumentalisiert, zu bewerten. Wenn Marine Le Pen die Förderung der Laizität und den Kampf gegen den Kommunitarismus propagiert, ist das kein Argument gegen Laizismus (ebensowenig wie es ein Argument gegen Kapitalismuskritik ist, wenn der Papst sich kritisch zu einzelnen Erscheinungen des Kapitalismus äußert). Die Ablehnung von Muslimen durch den Front National ist völkisch begründet und fußt nicht auf dem Prinzip der Laizität (ich habe ohnehin meine Zweifel, dass die Begeisterung von Marine Le Pen für den Laizismus etwas anderes war als Wahlkampfrhetorik).
Religionspolitik ist Gesellschaftspolitik, die Veränderung des Verhältnisses von Staat und Religions- & Weltanschauungsgemeinschaften hat Auswirkungen auf die Gesellschaft, und diese müssen reflektiert werden. Und ich bleibe dabei, auch wenn Helge Meves in Abrede stellt, dass es um eine Förderung der religiösen Rechten geht: Wer das bestehende System beibehalten und auf die Islamverbände ausweiten will, stärkt die konservativen gesellschaftlichen Kräfte. Welche Folgen beispielsweise ein weiterer Anstieg von Einrichtungen in der Trägerschaft religiöser Organisationen hätte, liegt auf der Hand (nur als ein Stichwort: reproduktive Selbstbestimmung).
Kann es für eine Oppositionspartei wirklich eine Perspektive sein, unter Hinweis darauf, dass für gesellschaftliche Veränderungen Mehrheiten notwendig sind (das ist natürlich korrekt, aber eben auch banal), richtige Positionen aufzugeben und einem unwesentlich korrigierten Status quo das Wort zu reden? Das wäre "Realpolitik" im allerschlimmsten Sinne des Wortes.
Identitäres Gedankengut
Ich fürchte aber, dass der Konflikt nicht in der mangelnden Fähigkeit von Meves, Buchholz & Co. begründet ist, politische Perspektiven oder Visionen zu verfolgen. Nach meinem Eindruck geht es um die Frage, ob ein universalistisch ausgerichteter Laizismus, der davon ausgeht, dass für alle Menschen (und eben nicht Religionsgesellschaften einer bestimmten Größe) das gleiche Recht gilt, grundlegender Teil der gesellschaftlichen Ordnung sein soll oder nicht. Meves hat sich hier ja nicht nur in seinem hpd-Artikel klar positioniert: Er befürwortet die Zusammenarbeit von Staat und ausgewählten Religionsgemeinschaften, deren Bevorzugung vor anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren und die Diskriminierung vor allem der ohne Religion lebenden Individuen (wie auch derjenigen, die abseits der Kirchen und Verbände ihre Religiosität nach eigenem Geschmack ausleben möchten).
Wie nahe seine religionspolitischen Vorstellungen identitärem Gedankengut stehen, wird deutlich, wenn Meves schreibt, Muslime würden diskriminiert, "weil sie alle Teile der Gruppe der Muslime sind". Dass diese Aussage fragwürdig ist, wird schnell erkennbar, wenn man sich zum Vergleich die Situation der Schwarzen in den USA in den 1960er Jahren vor Augen führt. Damals gab es nicht nur Gesetze und Verordnungen, die in einer Reihe von US-Bundesstaaten diese Bevölkerungsgruppe offen diskriminierten, die Diskriminierung schlug auch voll auf jedes einzelne Leben durch (wie sich in zahlreichen Autobiographien nachlesen lässt). Eine ähnliche Gesetzeslage in Deutschland existiert nicht. Mir wäre auch nicht bekannt, dass es eine nennenswerte Anzahl an Restaurants gibt, die eigene Bereiche für muslimische Gäste ausweist, dass Muslimen bestimmte Sitzplätze in öffentlichen Verkehrsmitteln vorbehalten wären usw. Und die bislang verabschiedeten "Kopftuchgesetze" haben einer höchstrichterlichen Prüfung nur standgehalten, wenn sie nicht explizit und ausschließlich das religiös motivierte Kopftuch zum Beispiel für Lehrerinnen untersagt haben.
Des Weiteren ist zu bedenken, dass bei weitem nicht alle Musliminnen ein Kopftuch tragen. Wenn kopftuchtragende Frauen also durch diese Gesetze (wenn man es so bewerten möchte) diskriminiert werden, dann nicht weil sie Musliminnen sind, sondern weil sie eine bestimmte Interpretation des Islams durch ihre Kleidung öffentlich bekennen. Auch dies kann man kritisieren, nur ist es etwas völlig anderes, als Meves behauptet. – Vor allem aber: Keine einzige alltagsweltliche Diskriminierung würde durch die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an ein halbes Dutzend Islamverbände aufgehoben.
Meves’ Behauptung ergibt nur Sinn, wenn eine kollektive Identität "der Muslime", aus der sich weitgehend identische Interessen ergeben, angenommen wird. Nur dann könnte durch die Privilegierung von Verbänden, die diese Bevölkerungsgruppe wiederum weitestgehend repräsentieren müssten, individuelle Diskriminierung reduziert werden. Von der Idee einer Gesellschaft, in der Menschen sich zusammenschließen, um ihre Interessen zu vertreten, Wahlverwandtschaften eingehen und für Selbstbestimmung und Emanzipation kämpfen, sind Meves’ identitäre Gruppen-Vorstellungen sehr weit entfernt. Nicht der universalistische Ansatz des Laizismus bewegt sich innerhalb des von der AfD aufgezogenen Diskursrahmens, sondern Meves’ Befürchtung, die Religionsfreiheit "der Muslime" werde dadurch bestritten, dass der Muezzin-Ruf seine Grenzen am Immissionsschutz findet. Wie die AfD geht er von einer orthodoxen bis islamistischen Interpretation des Islams aus; dass er diese anders bewertet als die AfD, löst den grundsätzlichen Diskurs nicht auf. Dass es Muslime geben könnte, die im digitalen Zeitalter Kirchengeläut und Muezzin-Ruf als Dominanzgebaren verstehen, kommt ihm gar nicht in den Sinn.
Das ganze Schwarz-Weiß-Gemälde von der Religion der Unterdrückten und der Mehrheitsgesellschaft bietet nur ein Zerrbild der Realität. Es gibt zahlreiche liberale Muslime, die eine konsequente Trennung von Staat und Religionsgesellschaften zu schätzen wissen; ganz zu schweigen von denjenigen, die vor den gesellschaftlichen Verhältnissen geflohen sind, die mit Koran, Hadithen und Fatwas, also aus dem Islam abgeleiteten Recht, begründet werden. Der Antisemitismus in Frankreich ist nicht allein auf den Front National zurückzuführen, sondern grassiert eben auch in Teilen der muslimischen Bevölkerung. Und: Religion ist ein Bekenntnis, sie schlägt sich in Einstellungen und Verhalten nieder, die nicht zum Wesenskern eines Menschen gehören, sondern geändert werden können. Man könnte das, wie gesagt, Emanzipation nennen, und Religionskritik den Anstoß dazu.
10 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
So sehe ich das auch.
Letztlich geht es um die Rolle, die eine moderne aufgeklärte Gesellschaft der Religion zuschreiben will. Die Zuschreibung setzt den gesellschaftlichen Konsens voraus, aber sie ist auch prinzipiell nötig. Andernfalls würden sich Religionsgemeinschaften aus sich heraus - also ohne gesellschaftliche/demokratische Mitsprache - als bedeutsamer legitimieren. Und das kann für kein Glied einer Gesellschaft gelten.
Historisch gesehen stammen wir aus einer Welt, in der Bürger und Untertanen die von oben verordnete Religion/Weltanschauung erdulden mussten. Der Staat oder Landesfürst legte die Konfession fest. Gerade dies führte/führt zu furchtbaren Kriegen. Religion wurde also als etwas höchst Wichtiges und Staatsdurchdringendes wahrgenommen.
Der demokratische Staat hat sich in Teilen durch die garantierte Religionsfreiheit davon gelöst, religiös sortierte Landstriche zu produzieren. Auch "Mischehen" sind jetzt gesetzlich erlaubt, religiöses Recht in seine Schranken verwiesen (abgesehen von der Erlaubnis zum Schächten, dem 3. Weg beim Arbeitsrecht, dem § 166 StGB und § 1631d BGB etc.). Religiöse Sortierung findet prinzipiell nur noch auf privater Ebene statt, z.B. durch Gettobildung.
Doch der Weg muss vollendet werden, dass Religion letztlich vollkommen im Privatbereich verbleibt - ohne öffentliche Wirkung oder Unterstützung, die über die für Briefmarken- oder Sportvereine hinausgeht. Religion ist nämlich nicht von einer übergeordneten Instanz gestiftet (was eine Sonderstellung rechtfertigen könnte), sondern von Menschen, die nicht anders zu bewerten sind, als der Gründer eines Schuhplattler-Vereins.
Diese Vereine müssen sich deshalb nach meiner Auffassung wie jeder andere auch ideologisch durchleuchten lassen. Was sind die Ziele des Vereins? Was sind die Mittel zur Durchsetzung der Ziele? Wie wird mit Mitgliedern dieses Vereins umgegangen? Und noch wichtiger: Können Mitglieder diesen Verein ohne Nachteile aus freien Stücken verlassen?
Auf keinen Fall können diese Vereine weiterhin (oder gar ausgeweitet) privilegiert werden, als repräsentierten sie irgendetwas staatstragend Wichtiges. Nur diese Rückstufung der bisherigen Privilegien ist m.M.n. imstande, echte Religionsfreiheit zu produzieren. Wenn die Religionsgemeinschaften den Status eines Vereins haben - mit entsprechender Vereinssatzung -, dann muss - öffentlich transparent - alles über Eintritt/Austritt, Kosten, Finanzierung und Ziele definiert sein.
Kinder, die bisher durch Taufe oder Beschneidung zwangsvereinnahmt werden, hätten dann eher die Chance, mit 14 Jahren selbst über eine Mitgliedschaft zu entscheiden. Religiöse Symbole müssten dann nicht durch familiären Druck getragen werden, sondern könnten im Einklang mit der Vereinssatzung abgelegt werden. Auch die Diskriminierung anderer religiöser Vereine wäre dann schwieriger, weil keiner mehr einen Alleinvertretungsanspruch ("wahre Religion") hätte.
D.h. der religiös Überzeugte könnte weiterhin im Verein seiner Wahl seinen Überzeugungen nachgehen, während er andere Entscheidungen selbst seiner engsten Familienmitglieder zu respektieren hätte. Und um Respekt geht es doch vielen Gläubigen...
Roland Fakler am Permanenter Link
Wieder ein klares Statement von Bernd Kammermaier! Wir sind hier mit Gewalt christianisiert worden. Die Kirchen sollen sich als Vereine organisieren!
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Danke für diesen ausführlichen kommentierenden Artikel zu Meves' Beitrag, der -ich zweifle nicht daran- der Linken einige Wählerstimmen gekostet haben dürfte.
Irgendwie bin ich immer noch fassungslos...
Michael Brade am Permanenter Link
Ein Mensch ist im rechtlichen eine "natürliche Person", egal ob gläubig oder nicht. Eine Kirche oder ein Moscheeverein ist eine "juristische Person".
Lieber Gunnar, Du leistest den organisierten Humanist*innen und Atheist*innen keine Hilfe, wenn Du nicht für ihre Gleichbehandlung eintrittst.
little Louis am Permanenter Link
Offenes Glaubensbekenntnis von Bodo Ramelow im DLF- Interview:
Ein ziemlich helles Nebelkerzenlicht innerhalb „ Die Linke“ leuchtete heute im Deutschlandfunk. Im Morgeninterview (ca. 08:10) offenbarte er sein lutherisch- reformatorisches Herz. In einem der letzten Sätze gab er all dies dann auch noch als Inkarnation und Höhepunkt seines ganz privaten Humanismus aus. Um schließlich am Ende, alles Vorherige relativierend, darauf hinzuweisen, dass das Theologische eigentlich doch (für ihn ?) eher unwichtig und nur ein Mittel zur Verwirklichung seiner humanistischen Einstellung sei.
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2017/10/09/interview_mit_bodo_ramelow_themenwoche_reformation_dlf_20171009_0815_2cd634b3.mp3
Mein historisches "Verschwörungsmodul" meldet mir dazu das Folgende:
Solche Personen sind die die Ausführenden einer seit der Nachkriegszeit betriebenen Ausgrenzungs- und Marginalisierungsstrategie gegen eine laizistische oder wenigstens kirchenkritische (demokratische) Linke.
Ziel: Weg mit allem, was natoskeptisch, kapitalismuskritisch und noch dazu religionskritisch ist.
Bei den „Achtundsechzigern“ noch (mehr oder weniger) vorhanden, hat man die religionskritische Linke in den achtziger Jahren zunächst diesbezüglich entschärft und ökologisch- grün gewendet. Schließlich wurden „Die Grünen“ in den Neunzigern unter Bütikofer und Roth transatlantisch– kapitalverträglich und auch religionspolitisch (mehrheitlich) auf Kurs gebracht. So dass jetzt entweder nahezu neoliberale Südkatholiken im Verbund mit verbalradikalen transatlantischen „Antideutschen“ und esoterisch- Freireligiösen einen schwarzgrünen und vor allem natokompatiblen Verbund bilden. Die traditionell „evangelische“ SPD schwenkte unter Schröder schließlich ganz ins neoliberal- westkonforme Lager über.
Ganz ähnlich scheint man seit der Fusion mit den Ostdeutschen bei der Partei „Die Linke“ vorzugehen bzw. vorgehen zu wollen.
Also: Ziel erreicht
Ein ähnlicher (etwas verdeckter) Grabenkampf läuft wohl auch schon seit Jahrzehnten innerhalb der Humanistenszene: Nur gemäßigt oder gar nicht religionskritische Neoliberale stehen laizistischen oder kirchenkritischen „Sozialisten“ gegenüber. Dazwischen oder daneben treiben noch transatlantische Missionare des Globalkapitalismus oder völkisch- nationale Intellektuelle, die sich als super-rationalistische humanistische Aufklärer geben, ihr Unwesen.
Helge am Permanenter Link
Der Autor schreibt:
Ich hatte geschrieben:
Schließlich landet er bei der NSDAP und präsentiert eine Studie, nach der 18% der Konfessionslosen AfD wählen wollen. (Wie solche Statistiken mit einfachen Mitteln kritisch zu prüfen sind, war auf hpd schon nachzulesen.)Es bleibt dabei, dass ein neues Religionsverfassungsrecht erforderlich wäre, aber hier wird man wohl noch einige Vorarbeit erledigen müssen und Geduld benötigen. Nicht zuletzt geht es in der Politik nicht nur um die besseren Ideen, sondern um Macht und Mehrheiten. Bereits für die Evaluierung der Ablösung der Staatsleistungen aber gibt es keine Mehrheit, obgleich dieser Verfassungsauftrag seit fast 100 Jahren besteht. Die LINKE hatte dies 2015 beantragt, aber CDU/CSU und SPD waren dagegen und die Grünen enthielten sich in der Bundestagsabstimmung der Stimme. Mit der Forderung nach einem selbständigen Einzug der Beiträge der Mitglieder von Religionsgemeinschaften sind wir ebenfalls nicht mehrheitsfähig. Und auch mit der Forderung nach Abschaffung der Sonderarbeitsrechtsregelungen für Tendenzbetriebe wie z. B. in der Diakonie gemäß § 118 Betriebsverfassungsgesetz ist die LINKE allein im Bundestag. // Jetzt mal ehrlich: warum nicht mal die kritisieren, die diese Vorschläge ablehnen???
Ich hatte geschrieben:
Und genau hier setzt meine Kritik an: Religionsfreiheit bezieht sich in dieser Interpretation nicht mehr auf die konkrete Lebenssituation der Gläubigen, sondern wird auf die Ebene der Organisationen verlagert.Dagegen gaben in einer Erhebung vom vergangenen Sommer 10 Prozent der Katholiken und 6 Prozent der Protestanten, aber 18 Prozent der Konfessionslosen an, die AfD wählen zu wollen – trotz bzw. wegen der Netzwerke von Beatrix von Storch. // Statistiken sollte man immer kritisch prüfen. Nur die eine ist eben nicht falsch, weil es eine andere war. Und auf die ich mich beziehe, ist vom Institut für Demoskopie Allensbach: diese hatten die sog. Sonntagsfrage nach der Parteipräferenz und dazu das religiöse Bekenntnis abgefragt. Im Unterschied zur Göttinger Pegida-Umfrage ist sie repräsentativ.
Ich hatte geschrieben:
Meves hat sich hier ja nicht nur in seinem hpd-Artikel klar positioniert: Er befürwortet die Zusammenarbeit von Staat und ausgewählten Religionsgemeinschaften, deren Bevorzugung vor anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren und die Diskriminierung vor allem der ohne Religion lebenden Individuen (wie auch derjenigen, die abseits der Kirchen und Verbände ihre Religiosität nach eigenem Geschmack ausleben möchten).Die anfangs gestellten Fragen sind nicht einfach zu entscheiden, müssen aber entschieden werden, weil es um das Grund- und Menschenrecht auf Religionsfreiheit geht: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet", heißt es im Artikel 4 des Grundgesetzes und ähnliche Formulierungen finden sich im Artikel 10 der Charta der Grundrechte der EU und Artikel 18 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO. Mit diesem Grund- und Menschenrecht, hier der Kürze halber Bekenntnisfreiheit genannt, wird der Staat verpflichtet, dieses zu wahren, zu schützen und zu verteidigen. // Grund- und Menschenrechte sind Rechte, die den Menschen vor dem Staat schützen sollen, es sind also Individualrechte.
Ich hatte geschrieben:
Wie nahe seine religionspolitischen Vorstellungen identitärem Gedankengut stehen, wird deutlich, wenn Meves schreibt, Muslime würden diskriminiert, "weil sie alle Teile der Gruppe der Muslime sind".Das deutsche Modell hat offensichtlich Vorzüge, die es aber erst dann entfalten kann, wenn der Unterricht allen Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gleichermaßen zugänglich ist. // Ich bin also explizit gegen die Bevorzugung der Kirchen und derartige Staatsverträge gibt es auch z. B. der Humanistische Verband Bayerns. Michael Bauer von dort hat das zuletzt "Kooperative Laizität" genannt" und Thomas Heinrichs hatte zuletzt ein ähnliches Konzept hier im hpd.de vorgestellt.
Ich hatte in diesem Zitat verlinkt
auf einen Hinweis zu einem sozialwissenschaftlichen Erklärungsansatz, der verschiedenen „Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ analysiert und kritisiert. Ultrakurz: Entwickelt wurde er u.a. von Wilhelm Heitmeyer, partiell fortgeführt wird er in den sog. Leipziger Mitte-Studien. Menschen haben danach Feindbilder, die je auf Gruppen von Menschen bezogen werden. Manche werten Arbeitslose ab, andere Juden, wieder andere behindert und viele eben auch Muslime. Man muss diesen Erklärungsansatz nicht teilen, aber der Vorwurf, dass er Identitär wäre, ist originell.
Karlheinz Ott am Permanenter Link
hervorragender Beitrag von Gunnar Schedel. Ich habe die LINKE allerdings gewählt weil deren Politik ja nicht nur aus Religionspolitik besteht.
Ich möchte an dieser Stelle einen Artikel im Philosophie-Magazin Nr 3/2017 ab Seite 25 empfehlen. Der Beitrag ist von Michel Eltchaninoff und analysiert die reaktionäre Politik des Front National die von Marine Le Pen sehr geschickt hinter einem pseudoliberalen Begriffsschleier weitergeführt wird wie gehabt. In den Leihbüchereien kann man das Philosophie-Magazin meist erhalten.
Mit freundlichem Gruß
Karlheinz
Ilse Ermen am Permanenter Link
Antisemitische Übergriffe in Frankreich und Belgien kommen zu 95% aus dem muslimischen Lager, laut später zensiertem EU Bericht von 2003 (vgl. z.B. H. Krauss, Feindbild Islamkritik).
Ich würde behaupten, dass zumindest in Frankreich Muslime bedeutend häufiger Täter rassistischer Übergriffe (neben antisemitischen erwiesenermassen auch antiasiatischer) und anderer Hassverbrechen (Vergewaltigungen, homophobe Attacken, Ehrenmorde, Angriffe auf Apostaten) sind als Opfer, wobei viele Opfer (von Ehrenmord)aus der islamischen Welt stammen. Der CCIF (Comité contre l'islamophobie en France, eine islamistische Vereinigung) bringt unsinnige Statistiken in Umlauf, indem z.B. Verkehrsunfälle mit kopftuchtragenden Opfern als rassistische Angriffe bezeichnet werden. Eine ehrliche Statistik würde katastrophale Ergebnisse zutage bringen.
Roland Weber am Permanenter Link
Wenn man richtigerweise und historisch belegt Religionspolitik als Machtpolitik sieht, dann wäre gerade eine Linke mit Geschichtsbewusstsein gefordert. Leider hat auch die Linke noch nicht verstanden bzw.
Das Feld Kapital und Kirchen (Religionen) wird aus nur zu gut verständlichen Gründen seit langem hinter dicken Nebelschwaden verborgen.
little Louis am Permanenter Link
@ roland weber am10.10. um10:41
Zustimmung. Die zwei Heilsversprechungen haarscharf und prägnant auf den Punkt gebracht. (Leider erst heute gelesen)