Aufgrund des Ergebnisses der Nationalratswahlen vom 15. Oktober 2017 wurde in Österreich von ÖVP und FPÖ eine türkis-blaue Regierung gebildet. Es wird darauf zu achten sein, dass die in ihrer Legislaturperiode erlassenen Gesetze dem Erfordernis der strikten Trennung von Religion und Staat entsprechen.
Die von der Giordano Bruno Stiftung Österreich (GBRÖ) vertretenen österreichischen Agnostiker und Atheisten möchten mit diesem Beitrag auf wichtige von ihnen im Regierungsprogramm festgestellt Defizite aufmerksam machen. Vor allem möchten sie feststellen, dass es nicht im Sinne der liberalen Verfassung Österreichs gelegen ist, religiöse und ideologische Ansichten und Wertvorstellungen in einer Weise im Regierungsprogramm festzuschreiben, die Liberaldenkende als Bevormundung oder Unterjochung empfinden.
Die österreichische Verfassung ist hinsichtlich ihrer Aussage zur Rolle der Religion im Staat eindeutig:
Artikel 1. B-VG lautet:
"Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus."Artikel 7. B.VG lautet:
"(1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. …"Artikel 14 StGG lautet:
"Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist Jedermann gewährleistet.
Der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntniß kein Abbruch geschehen.
Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Theilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, in sofern er nicht der nach dem Gesetze hiezu berechtigten Gewalt eines Anderen untersteht."Artikel 63 Staatsvertrag von St. Germain, lautet:
"Österreich verpflichtet sich, allen Einwohnern Österreichs ohne Unterschied der Geburt, Staatsangehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion vollen und ganzen Schutz von Leben und Freiheit zu gewähren.
Alle Einwohner Österreichs haben das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist."
Hieraus geht hervor, dass nur eine strikte Trennung von weltanschaulichen Anschauungen und Staat verfassungskonform ist. Eine Auffassung, die die beiden neuen Regierungsparteien offenbar nicht in aller Konsequenz teilen.
Von den beiden Regierungsparteien hat nur die ÖVP auf die von der Giordano Bruno Regionalgruppe Österreich GBRÖ vor der Wahl ausgesandten Wahlprüfsteine geantwortet. Auf die Frage nach der weltanschaulichen Neutralität antwortete sie:
"Wir bekennen uns zum aufklärerischen Prinzip der Trennung zwischen Staat und Religion. Das staatliche Recht und unsere Verfassung sind zwar von unserem christlich-jüdischen Erbe inspiriert, dürfen aber durch keine religiösen Regeln ausgehebelt oder in Frage gestellt werden. Das heißt für uns aber auch nicht, unsere Tradition und unser kulturelles Erbe zu verstecken. Für uns ist klar: Das Kreuz im öffentlichen Raum sowie christliche Feiertage, Feste und Bräuche sollen weiter erhalten bleiben."
Das "neue Grundverständnis"
"Auch die Politik braucht ein neues Grundverständnis. Wir müssen wegkommen vom falschen Stil des Streits und der Uneinigkeit und einen neuen Stil des positiven Miteinanders leben. Statt Bevormundung von oben herab geht es darum, einen echten Dienst an den Österreicherinnen und Österreichern zu leben, der die Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt und sie einbindet."
So heißt es im Vorwort des Regierungsprogramms von ÖVP und FPÖ. Dieser Satz klingt schön, aber Uneinigkeit und Auseinandersetzungen gehören zum menschlichen Leben. Dabei lässt sich das Streiten oftmals nicht vermeiden. Die Taktik, dass Menschen, die andere zu dominieren beabsichtigen, ständig nur vom Gemeinsamen sprechen und Strittiges unter den Tisch kehren wollen, ist bekannt. Soweit dieser Satz ein Leitfaden für die Arbeit der Regierungsparteien ist, mag er in die richtige Richtung gehen. Es genügt aber nicht, wenn sich die beiden Regierungsparteien einig sind: Österreich besteht aus Einwohnern, von denen die meisten auch österreichische Staatsbürger sind. Um für alle ein Staat zu sein, werden viele Angelegenheiten strittig sein und bleiben. Dabei ist eine angemessene Streitkultur ehrlicher und realitätsnäher als Gleichmacherei. Denn es sind zwar 52% der Österreicher mit dem Regierungsprogramm der ÖVP/FPÖ Regierung zufrieden, 36% jedoch nicht.
Die Frage ist, wie diese Minderheit in Politik und Gesellschaft mit einbezogen werden kann. Man kann sie und ihre Anliegen ja nicht links liegen lassen.
Die Grundprinzipien des Regierungsprogramms:
Das Regierungsprogramm führt in einem eigenen Abschnitt die ihm zugrunde liegenden Grundprinzipien an. Bereits diese lassen erkennen, wie sehr das Programm von konservativen Gedankengängen beherrscht ist. Eine Stellungnahme zu den einzelnen Punkten ist kaum möglich, weil verschiedene Gesichtspunkte in einer Fragestellung vermengt werden. Man muss schon genau lesen, um vorhandene Mehrdeutigkeiten zu erkennen. Zum Beispiel:
Heimat:
"Wir wollen unsere Heimat Österreich als lebenswertes Land mit all seinen kulturellen Vorzügen bewahren. Dazu gehört auch, selbst zu entscheiden, wer als Zuwanderer bei uns leben darf und illegale Migration zu beenden."
Der erste Satz weist auf eine konservative Erhaltung "aller Vorzüge" hin. Was genau sind diese kulturellen Vorzüge? Sollen diese auch zu Lasten von notwendigen Veränderungen erhalten werden? Die im gleichen Atemzug genannte Zuwanderung und illegale Migration vernebeln die Aussagen des ersten Satzes.
Familie:
"Die Familie als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft und garantiert zusammen mit der Solidarität der Generationen unsere Zukunftsfähigkeit. Für uns stehen vor allem die Kinder im Mittelpunkt – Familie soll ein Ort sein, wo sie behütet aufwachsen können und gut auf das Leben vorbereitet werden."
Was ist mit Patchworkfamilien, Lebensgemeinschaften von Unverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Familien und deren Kindern? Sie entsprechen zwar nicht konservativen Idealen, sind aber Wirklichkeiten, die vom Staat nicht ignoriert werden dürfen.
Nachhaltigkeit (Schöpfung):
"Unser Verständnis von Verantwortung für die Schöpfung reicht über die Gegenwart hinaus. Die Politik soll den Anforderungen und Bedürfnissen der nächsten Generation entsprechen. Der nachhaltige Umgang mit der Natur und eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung sind keine Gegensätze, sie bedingen einander."
Was soll hier das Wort "Schöpfung"?
Was bedeuten unvollständige und einseitig konservative Prinzipien, die in viele Richtungen deutbar sind? Bereits aus solchen ist ersichtlich, dass das Regierungsprogramm wenig Bindendes enthält.
Volksbegehren und Volksbefragung
Ein großer und bedeutender Wurf des Regierungsprogramms ist die stufenweise Einführung der Volksbefragung. Im ersten Schritt wird das bereits bestehende Volksbegehren weiterentwickelt. Dabei werden Erfahrungen gesammelt, die für die Einführung der Volksbefragung wichtig sind. Auf Details soll hier nicht eingegangen werden.
Ad-hoc-Gemeinschaften
Für die österreichischen Atheisten und Agnostiker sind all diese Veränderungen Chancen und Aufgabe zugleich. Jedoch nur, wenn sie lernen, politisch und nicht nur ideologisch zu agieren. Politische Bewegungen, die angenommen werden wollen, müssen immer wieder für sie gangbare Allianzen und Kompromisse schließen. Wenn wir prüfen, was vom atheistischen Standpunkt aus gesehen im Regierungsprogramm untragbar erscheint, werden wir sofort erkennen, dass auch Andersdenkende dies so sehen werden. Es geht hier nicht um eine Nivellierung von weltanschaulichen Überzeugungen, sondern um die Förderung und das Zusammenwirken von Ad-hoc-Gemeinschaften zwischen österreichischen Staatsbürgern, die über alle Grenzen hinweg, punktuell gemeinsame Ziele verfolgen. In diesen Sinn bekennt sich die GBRÖ auch öffentlich zur Solidarität mit allen jenen, die gegen den von der Regierung angestrebten Sozialabbau ankämpfen. Zu nennen sind insbesondere die einschlägigen Bemühungen der Wahlverlierer – auch wenn sie, wie die Grünen, keinen Zugang zum Parlament haben – sowie aller gesellschaftskritischen Oppositionsparteien. Wer zwischen Handeln und Motiv zum Handeln unterscheidet, wird keine Probleme damit haben, sich sogar mit weltanschaulich gebundenen Vereinigungen, wie etwa der Caritas, in einer Weise zu solidarisieren, die seine Grundüberzeugung nicht beschädigt.
Ebenfalls erscheint es wichtig, das politische Geschehen in den Bundesländern zu verfolgen. Insbesondere soll dem Landeshauptmann von Wien hier signalisiert werden, dass wir hinter seinen Bemühungen stehen, den von den Regierungsparteien beabsichtigten Sozialabbau zu mildern, und – wenn möglich – zu verhindern. Dabei geht es nicht um Parteipolitik, sondern ausschließlich um den Widerstand gegen den von der Regierung betriebenen Sozialabbau.
Sozialabbau als versteckte Besteuerung
Österreich braucht dringend ein ausgeglichenes Budget. Das sei außer Streit gestellt. Das darf jedoch nicht vorrangig durch Kürzungen im Sozialbereich erreicht werden. Der Grundsatz der Regierung, der Bevölkerung keine neuen Steuern aufzuerlegen, ist kaum erfüllbar. Der Weg, den Ärmsten der Armen die für sie notwendigen Sozialleistungen zu streichen, ist sicher der Falsche. Es ist nicht egal, ob neue Steuern eingeführt oder die armutsgefährdeten Mitbürger zur Budgetsanierung herangezogen werden. Zwar muss das Geld von irgendwo herkommen. Weil jedoch jeder nur ein einziges Leben hat, ist es Unrecht, Reiche zu schonen und Armen auch noch das letzte Bisschen zu nehmen, was sie noch haben und damit die Staatsausgaben zu decken.
Flüchtlingsfrage und politischer Islam
Die Flüchtlingsfrage und der politische Islam gehören zu den heikelsten Themen Europas. Die von beiden Regierungspartnern eingebrachten Haltungen waren für den Wahlausgang vielfach ausschlaggebend. Dass hier Ordnung geschaffen werden muss, ist klar, das Wie aber noch nicht. Es ist nur zu hoffen, dass die Bemühungen um Integration greifen, und es wird viel Wasser donauabwärts fließen, bis wirklich sachgerechte Lösungen gefunden werden. Die Bereitschaft, dabei konstruktiv mitzuwirken, ist bei den österreichischen Agnostikern und Atheisten vorhanden. Weil aber niemand zaubern kann und die Themen äußerst emotional besetzt sind, fällt das richtige Urteilen und Handeln schwer. Unabdingbar ist jedoch, dass auch Flüchtlinge und Muslime an die in unserer Verfassung festgelegten Trennung von Religion und Staat gebunden sind.
Zum Abschluss
Die neue Regierung wurde in einer freien und den Grundsätzen der Demokratie entsprechenden Wahl gewählt. Außerdem standen die für das Entstehen der Koalition Verantwortlichen in ständigem Kontakt mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die durch die Giordano Bruno Regionalgruppe Österreich GBRÖ vertretenen österreichischen Agnostiker und Atheisten respektieren die nunmehr zustande gekommene Regierung. Das hindert sie aber nicht, deren Handlung kritisch zu beobachten. Dabei geht es ihnen nicht nur um die Trennung von Weltanschauung und Staat. Sie lehnen auch den Versuch ab, Österreich wie einen Privatbetrieb gewinnbringend zu führen und dabei die Verantwortung der Regierung für das Gemeinwohl zu vergessen. Auch die, welche ohne wirksame Hilfe der Gesellschaft nicht fähig sind, ein menschenwürdiges Leben zu führen, sind Staatsbürger, die nicht zu Gunsten anderer Interessen beiseite geschoben werden dürfen. Zusammen mit den ungelösten Fragen der Integration und des politischen Islams, ist dieser Frage eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Quelle: Text des Regierungsprogramms
18 Kommentare
Kommentare
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Wie viele Menschen werden denn durch die GBRÖ vertreten?
Sind damit nur die Mitglieder des Förderkreises gemeint? Wie viele sind das zur Zeit?
Oder vielleicht sogar alle Mitglieder aller im Zentralrat der Konfessionsfreien vertretenen Organisation? Aber: Wissen die, dass die GBRÖ für sie spricht?
Die GBRÖ wird ja wohl nicht für sich in Anspruch nehmen, für alle Atheisten und Agnostiker in Österreich zu sprechen. Das wäre dann doch etwas anmaßend.
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Gleich zu Beginn heißt es:
Selbstverständlich hätte der Zentralrat der Konfessionsfreien oder eine andere Institution, oder vielleicht auch Du eine Stellungnahme veröffentlichen können. Nur ging diesmal die Initiative eben von der GBRÖ aus. Hauptsache ist doch, dass wir das politische Geschehen nicht kommentarlos zur Kenntnis nehmen.
Abschließend möchte ich auf unsere Homepage verweisen. http://www.giordano-bruno-stiftung.at/
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Das Regierungsprogramm ist streckenweise eine ideologische Belästigung. Es missachtet vielfach die Persönlichkeitsrechte Andersdenkender.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Wenn laut Verfassung alle Staatsbürger gleich sind, warum werden jene vergewaltigt, die konservatives Denken ablehnen?"
Wenn Sie, Herr Lakatha, regieren würden - würden Sie dann Rücksicht nehmen auf Menschen, die progressives Denken ablehnen?
Oder würden Sie wie der hier öfters postende Wolfgang darauf bestehen, dass sie "unbedingt aufgeklärt werden müssen, ob sie wollen oder nicht"?
Ihren Ausdruck "vergewaltigt" halte ich, nebenbei gesagt, in diesem Zusammenhang für eine Verhöhnung von Frauen oder Kindern (oder sogar Männern), die tatsächlich vergewaltigt werden. Dieses Wort hat inzwischen eine ganz spezielle Bedeutung. Das sollten wir Männer berücksichtigen.
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Meinen Sie damit, dass Regierungen nicht an die Verfassung gebunden sind? Meinen Sie, dass ich einen Machtmissbrauch gutheißen würde, würde ich regieren?
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Sie haben Recht, ich möchte wirklich diskutieren.
Dazu sollte ich zuerst einmal wissen, wo Sie konkret (geplante) Verfassungsbrüche der Regierung sehen - solche haben Sie angedeutet, wie mir scheint.
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Ich möchte die Diskussion mit der ORF Sendung Sepp Forcher, Klingendes Österreich, beginnen. Sie zeigt, wie sehr Menschen von ihrer Umgebung geprägt werden.
Wie anders schaut die Situation in Wien aus!
Was bedeutet nun der Satz: „Wir wollen unsere Heimat Österreich als lebenswertes Land mit all seinen kulturellen Vorzügen bewahren.“? Was ist der Maßstab, mit dem gemessen wird, wieweit Österreich ein „lebenswertes Land mit all seinen kulturellen Vorzügen“ ist? Hat das „Bewahren“ einern Vorzug gegenüber einer „Weltoffenheit“ und den Bedürfnissen der Staatsbürger nach einem selbstbestimmten Leben? Schauen wir doch, wie es in den Bundesländern, deren Landtage sich aus einer Koalition von Schwarz/Blau zusammensetzen, mit der Abtreibung in Landeskrankenhäusern aussieht. Und was ist mit dem Verbot der Beihilfe zum Suizid? Mit einer modernen Familienpolitik?
Um allen Zweifeln vorzubeugen, verweise ich auf den Abschnitt „Zum Abschluss“, in dem festgehalten wird:
„Die neue Regierung wurde in einer freien und den Grundsätzen der Demokratie entsprechenden Wahl gewählt. Außerdem standen die für das Entstehen der Koalition Verantwortlichen in ständigem Kontakt mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die durch die Giordano Bruno Regionalgruppe Österreich GBRÖ vertretenen österreichischen Agnostiker und Atheisten respektieren die nunmehr zustande gekommene Regierung. Das hindert sie aber nicht, deren Handlung kritisch zu beobachten.“
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Dr. Lakatha!
Die alten bergbäuerlichen Traditionen halte ich für sehr bewahrenswert. Nicht nur aus kulturellen, sondern auch aus ökologischen Gründen.
Die Geschichte Wiens ist geprägt durch eine Verschmelzung slawischer, deutscher und jüdischer Elemente. Es spricht nichts dagegen, türkische über den Kaffee hinaus), syrische und vietnamesische Elemente auch noch einzubauen. Das braucht Zeit, dann kann es auch gelingen. Auch die Integration der Böhmen ging nicht von heute auf morgen.
Die Themen Abtreibung, Suizidbeihilfe und Familienpolitik sind Fragen für den Nationalrat. Dort wird per Mehrheit entschieden, dazu ist er ja da. Menschenrechte auf Abtreibung oder Suizid gibt es nicht, jedenfalls nicht in der UNO-Erklärung; ob das Recht auf Ehe auch für homosexuelle Paare gibt, kann hingegen diskutiert werden.
"Hat das „Bewahren“ einern Vorzug gegenüber einer „Weltoffenheit“ und den Bedürfnissen der Staatsbürger nach einem selbstbestimmten Leben?"
- Sie stellen hier das "Bewahren" in Kontrast zu einem selbstbestimmten Leben. Das halte ich für unrichtig. Wenn, als Extrembeispiel, eine amische Gemeinde leben will wie vor 300 Jahren, dann ist das auch eine Form der Selbstbestimmung. Und dasselbe gilt für ein Bergbauerndorf, falls es keinen Tourismus will, oder auch für einen ganzen Staat, falls er (mehrheitlich) die Tradition der Moderne vorzieht.
Ich begrüße sehr, in einem Staat zu leben, wo Sie, Herr Dr. Lakatha, das Recht haben, die Regierung kritisch zu beobachten. Ich sehe es sogar als Ihre Pflicht als mündiger Bürger, das zu tun. Sie dürfen Ihre Gedanken auch schreiben, sie haben die Möglichkeit zu wählen, zu demonstrieren oder auszuwandern. Alles okay. Aber ungerecht behandelt fühlen Sie sich erst, wenn die Regierung Gesetze bricht oder Gesetze erlässt, die gegen die Menschenrechte (in der Formulierung der UNO) verstoßen.
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Sg. Herr Norbert Schönecker!
Ihre Ausführungen, dass der Nationalrat für Entscheidungen zuständig ist, passen nicht zu meinen Darlegungen. Bitte genau lesen!
Sie schreiben:
„Sie stellen hier das „Bewahren“ in Kontrast zu einem selbstbestimmten Leben.“ Das ist nicht wahr. Ich spreche von einer Konkurrenzsituation und frage, ob dem Bewahren ein Vorzug gegenüber einer „Weltoffenheit“ und den Bedürfnissen der Staatsbürger nach einem selbstbestimmten Leben zu geben ist.
Ich meine, dass wir uns bei der Diskussion an einen Roten Faden orientieren und uns möglich nicht von auftretenden Assoziationen irritieren lassen sollten.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Professor Lakatha!
Das kann schon sein, dass wir aneinander vorbeireden. Deshalb finde ich dieses Forum so erfreulich gut gestaltet - wenn beide wollen, kann man Missverständnisse klären.
Was sollte Ihrer Meinung nach eine Regierung machen, wenn die Staatsbürger mehrheitlich für eine Bewahrung ihrer derzeitigen Lebenssituation sind? Oder, anders formuliert: Was, wenn die Mehrheit der Staatsbürger bestimmt, kein weltoffenes Leben führen zu wollen? (wieder unter den üblichen Vorbehalten von Menschenrechten und internationalen Verträgen)
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Sg. Herr Norbert Schönecker!
Zuerst muss ich der guten Ordnung halber feststellen, dass ich nicht berechtigt bin, den Titel Professor zu führen.
Wie könnten die Staatsbürger mehrheitlich bekunden, dass sie kein weltoffenes Leben führen wollen? Wohl nur durch eine Volksabstimmung. Dadurch würden sie sich automatische von der westlichen Welt distanzieren. Was haben sie etwa dann in der EU zu suchen? Glauben Sie wirklich, dass eine Diskussion darüber sinnvoll ist, was geschähe, würde die Mehrheit der ÖsterreicherInnen es ablehnen, ein weltoffenes Leben zu führen?
Ich meine, Sie differenzieren zu wenig und generalisieren zu viel. Ich sprach von einer Konkurrenzsituation, man könnte auch sagen, Wettbewerbssituation. Monopole behindern jeglichen Fortschritt. Ich habe den Eindruck, dass sie meinen, dass. wer die Macht hat, kann (oder muss?) auch über die Köpfe anderer hinweg Monopole kreieren.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Doktor Lakatha!
Zum Titel: Ach, wir sind doch Österreicher, Herr Hofrat! ;-)
"Wie könnten die Staatsbürger mehrheitlich bekunden, dass sie kein weltoffenes Leben führen wollen?"
- Am ehesten, indem sie eine Partei wählen, die gegen Weltoffenheit agiert. Ich vermute (und lasse mich gerne berichtigen), dass Sie, Herr Lakatha, die FPÖ für eine solche Partei halten, und die derzeitige ÖVP in weiten Bereichen auch.
Mit der Wettbewerbssituation haben Sie sicher recht, mit den Monopolen ebenso.
Ich selbst z.B. betrachte mich als einen sehr konservativen Menschen. Ich bin aber froh, dass es auch progressive Menschen gibt, denn wenn alle so wären wie ich, dann gäbe es keinen Fortschritt - denn dann gäbe es ein konservatives Monopol (in Ihrer Diktion, ich würde es anders formulieren). Umgekehrt hätte die Welt keinen Halt und keine historische Orientierung (und damit auch keinen echten Fortschritt), wenn es ein progressives Monopol und keine Menschen wie mich gäbe.
Habe ich Ihre Gedanken über Monopol und Konkurrenzsituation richtig verstanden? Wenn ja, dann sind wir uns ja einig.
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Sg. Herr Norbert Schönecker!
Sie haben wieder Pech: Hofrat bin ich auch nicht. Aber dafür Österreicher und österreichischer Staatsbürger, der auf seine verfassungsrechtlich verankerten Rechte besteht.
Sie schreiben: „Ich selbst z.B. betrachte mich als einen sehr konservativen Menschen. Ich bin aber froh, dass es auch progressive Menschen gibt, denn wenn alle so wären wie ich, dann gäbe es keinen Fortschritt - denn dann gäbe es ein konservatives Monopol (in Ihrer Diktion, ich würde es anders formulieren).
Umgekehrt hätte die Welt keinen Halt und keine historische Orientierung (und damit auch keinen echten Fortschritt), wenn es ein progressives Monopol, und keine Menschen wie mich gäbe.“
Meinen Sie das wirklich? Dem Begriff „Konservativ“ kann man verschiedene Inhalte zuordnen. Sie stellen ihm den Begriff Progressiv gegenüber, den Sie mit Haltlosigkeit und mangelnder historischer Orientierung in Zusammenhang bringen. Das passt aber nicht zu dem von mir verwendeten Begriff Weltoffenheit. Laut Duden bedeutet weltoffen „offen, aufgeschlossen für Leben und Welt“. Meinen Sie, dass der evolutionäre Humanismus die Haltlosigkeit fördert und die historische Orientierung missachtet? Tun dies nicht die Konservativen, wenn sie die Wissenschaftsgeschichte, insbesondere die der letzten vielhundert Jahre, ignoriert? Natürlich wäre ich bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, aber dies würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Hier geht es mir darum, darauf hinzuweisen, dass Bewohner Österreichs davor bewahrt werden müssen, dass religiös motivierte Gesetze ihr Recht auf Selbstbestimmung verletzen.
Das Problem unserer nunmehrigen Regierung ist, dass ÖVP und FPÖ teilweise am gleichen Strang ziehen. Die ÖVP, weil sie von einer kirchlichen Lobby unterwandert ist, die FPÖ, weil sie die nationale Identität durch den Rückgriff auf "alte christliche Werte" bewahren will. Damit will sie den fortschreitenden „Wertezerfall“, „Multikulturalismus“ sowie eine „Islamisierung“ Österreichs verhindern. (1) Im Vordergrund steht also der Heimatschutz und nicht das religiöse Leben. Doch was ist meine Heimat „Österreich“? Ein Land, das aus einer Vielfalt von Menschen, Kulturen, Bedürfnissen besteht, die man nicht unter einen Hut zwängen kann. Warum gibt es 9 Bundesländer, wenn man all das zu einem Konglomerat verschmelzen kann?
(1) Siehe hierzu: Schmidt-Salomon, Die Grenzen der Toleranz, PIPER 2016, S 62f
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Doktor Lakatha!
Es kann leicht sein, dass wir beide ein ganzes Bündel an Vorurteilen bzgl. unserer weltanschaulichen Gegenparts mit uns herumschleppen.
Bei Humanismus denke ich keineswegs nur, aber durchaus recht schnell an die Französische Revolution. WENN Humanisten alles Konservative radikal ausblenden, dann KANN das dazu führen, dass sie bewährte gesellschaftliche Strukturen und v.a. überlieferte Werte ausreißen, mit katastrophalen Folgen. Der Terror der Französischen Revolution hat das gezeigt.
Ich will die ehrenwerten unter den Revolutionären aber nicht übersehen. Bei weitem nicht jeder, der Änderungen anstrebt, will alles Alte ausreißen. Ich weiß, dass ich an meinen reflexhaften Vorurteilen arbeiten muss.
Umgekehrt gibt es zweifellos Konservative, die entsprechend Ihrer Schilderung "das Rad der Zeit zurückdrehen" und "Wissenschaftsgeschichte ignorieren" wollen. Aber bei weitem nicht alle Konservativen wollen das. Ich zum Beispiel will es nicht. Ich erfreue mich an moderner Pädagogik, interessiere mich für Kosmologie und akzeptiere die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie (die „Kritische Studie zur Evolutionstheorie“, falls Sie darauf anspielen sollten, habe ich nicht gelesen und habe das auch nicht vor).
Rein von meinem Naturell her bin ich konservativ: Ich freue mich an alten Bauwerken, an alten Bräuchen, an alter Musik, an alten Gesellschaftsordnungen. Ich bin misstrauisch, wenn etwas geändert werden soll; ganz besonders, wenn das Argument einfach nur lautet "Wir wollen etwas Neues ausprobieren". Wozu denn, wenn das Alte funktioniert? Ich sehe bei Änderungen zuerst die Gefahren, dann erst die Chancen, und neige zu einer Idealisierung der Vergangenheit.
Das gilt auch beim Thema "Weltoffenheit": Weltoffenheit birgt sowohl Gefahren als auch Chancen. Ich denke, bei diesem Satz können Sie mir zustimmen.
Es ist sinnvoll, dass sowohl die Gefahren als auch die Chancen betrachtet werden. Gemäß meinem Naturell betrachte und artikuliere ich die Gefahren. Sie, Herr Dr. Lakatha, scheinen eher die Chancen zu sehen und zu artikulieren. Gemeinsam sehen wir beides, und das ist gut.
Als einzelne Person beides zu sehen fällt hingegen den meisten Menschen - und zu denen zähle ich mich selbst - recht schwer.
Ich halte es, objektiv betrachtet, für überaus sinnvoll, wenn solche Themen sowohl von konservativen als auch von progressiven (oder weltoffenen) Menschen besprochen werden. Ohne gegenseitigen Hass, sondern als Zusammenarbeit. So, wie es auch bei Gericht ist (oder sein soll), wo idealerweise der Staatsanwalt und der Rechtsanwalt zusammen zu einem ganzheitlichen Bild beitragen, indem sie beide Seiten beleuchten.
In diesem Sinne teile ich Ihre Befürchtungen, was die derzeitige Regierung betrifft. Auch wenn mir manches (bei Weitem nicht alles!), was sie plant, persönlich gefällt.
Dafür lebe ich, quasi zum Ausgleich, in Wien, das zeit meines Lebens links regiert wird. Das muss ich auch aushalten. Und es tut mir nicht einmal sonderlich weh (von der Verbauung der Grünflächen in meiner Nähe einmal abgesehen).
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Sg. Herr Norbert Schönecker!
Sie schreiben:
„Es kann leicht sein, dass wir beide ein ganzes Bündel an Vorurteilen bzgl.
Unserer weltanschaulichen Gegenparts mit uns herumschleppen.“
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Nachtrag:
Ich korrigiere:
Es wurden nicht alle meiner ca. 637 Beiträge, sondern nur ca. 95,24% von ihnen gelöscht. Da ich eine sehr umfangreiche Datensicherung habe und Ähnliches voraus sah, habe ich mir immer wieder Sicherungskopien angelegt. Trotzdem möchte ich nie wieder, oder höchstens nur aus gegebenem Anlass ausnahmsweise, auf einer der Zensur unterliegenden Webseite diskutieren.
Auch das interne Forum von GBS ist kein Ort, in dem man von persönlichen Angriffen gefeit ist. Aber ich konnte auch erfahren, dass man offen diskutieren und und davei viel für sein Weltverständnis gewinnen kann. Wer lernen will, muss sich halt auch in Selbstkritik üben.
Was mich bewogen hat, sie auf GBS hinzuweisen, waren insbesondere ihre Sätze:
„Ich erfreue mich an moderner Pädagogik, interessiere mich. Für Kosmologie und akzeptiere die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie (die „Kritische Studie zur Evolutionstheorie“, falls Sie darauf anspielen sollten, habe ich nicht gelesen und habe das auch nicht vor)."
„Ich halte es, objektiv betrachtet, für überaus sinnvoll, wenn solche Themen sowohl von konservativen als auch von progressiven (oder weltoffenen)Menschen besprochen werden. Ohne gegenseitigen Hass, sondern als Zusammenarbeit. So, wie es auch bei Gericht ist (oder sein soll), wo idealerweise der Staatsanwalt und der Rechtsanwalt zusammen zu einem ganzheitlichen Bild beitragen, indem sie beide Seiten beleuchten.“
Wer so denkt, müsste sich zumindest einen „Urlaub“ im GBS Forum gönnen. Mal sehen, was sich tut.
Dr. Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Ja, der Ausdruck Vergewaltigung ist irritierend. Als Alternative käme Nötigung in Frage. Der Begriff Nötigung ist jedoch ein österreichischer Straftatbestand.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Nötigen" halte ich schon mal für deutlich besser als "vergewaltigen". "Zwingen" wäre gut, passt aber nicht in den Satz.