Interview

Das Katholikentags-Gegengift

Heute beginnt im westfälischen Münster der "1. Deutsche Ketzertag" – eine kirchen- und religionskritische Veranstaltungsreihe, die parallel zum "101. Deutschen Katholikentag" stattfindet. hpd-Autorin Anna Wopalensky sprach mit Daniela Wakonigg, der Organisatorin des Ketzertags.

hpd: Frau Wakonigg, Ihr Ketzertag steht unter dem Motto "Suche Streit" – das hört sich ja ziemlich martialisch an …

Daniela Wakonigg: Das ist nur dann der Fall, wenn man den zweiten Teil des Mottos weglässt: "Suche Streit – Für eine vernünftige Streitkultur". Wir sind der Meinung, dass Streit etwas zutiefst Menschliches ist. Wo Menschen unterschiedlicher Meinung sind, wird es einfach immer Streit geben. Das ist normal und das ist auch überhaupt nicht schlimm, denn aus jedem Streit kann viel Fruchtbares entstehen. Dafür ist es jedoch wichtig, dass man an einer – im mehrfachen Sinne – vernünftigen Streitkultur arbeitet. Und genau das ist unser Ziel beim Ketzertag.

Und warum suchen Sie ausgerechnet während des Katholikentags Streit?

Weil es beim Katholikentag mehr als genug gibt, über das gestritten werden muss: Von der Kirchentagsfinanzierung über Staatsleistungen an die Kirchen bis zu kirchlichen Sonderrechten in der Arbeitswelt. Außerdem natürlich auch über so interessante Frage wie: Suchen Religionen wirklich Frieden oder bieten sie eher Zündstoff für Konflikte? Und ist es angesichts moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnisse überhaupt noch sinnvoll, von der Existenz eines Gottes auszugehen? Die Vorträge unserer Referentinnen und Referenten streiten also sozusagen inhaltlich mit allem, für das der Katholikentag steht. Außerdem werden wir uns in Streitkultur üben, indem der Referent nach seinem Vortrag mit dem Publikum diskutieren und vielleicht auch streiten wird. Denn wir lassen auch streitlustige Fragen zu. Anders als der Katholikentag, bei dem das Publikum seine Fragen an die Referenten nur auf Kärtchen schreiben darf, die dann von sogenannten "Anwälten des Publikums" zensiert werden.

Natürlich bildet Ihr Motto "Suche Streit" außerdem den Kontrast zum Motto des Katholikentags "Suche Frieden". Was ist an "Suche Frieden" auszusetzen?

Grundsätzlich nichts. Nur wenn er vom Katholikentag benutzt wird, zeugt das schon von einer gewissen Chuzpe.

Warum?

Weil der Anlass für die Mottowahl des Katholikentags in Münster das Jubiläum von Beginn und Ende des 30-jährigen Krieges ist, der bekanntlich durch den Westfälischen Frieden 1648 in Münster und der Nachbarstadt Osnabrück beendet wurde. Das Katholikentagsmotto "Suche Frieden" suggeriert, die katholische Kirche würde für den Frieden stehen. Nun ist aber gerade der 30-jährige Krieg in nicht unbeträchtlichem Maß durch die beiden christlichen Konfessionen befeuert worden. Das ist zwar schon eine Weile her, trotzdem gibt es auch heute noch einen katholischen (und übrigens auch evangelischen) Militärbischof. Überhaupt sind Religionen insgesamt – historisch sowie global betrachtet – eher dafür bekannt, Konflikte anzuheizen, als bei der Friedenssuche wirklich hilfreich zu sein. Insofern in die Mottowahl des Katholikentags schon gewagt.

Haben Sie schon erste Rückmeldungen, wie die Tatsache, dass ein "Ketzertag" stattfindet, aufgenommen wird?

Ich war offen gesprochen vollkommen überwältigt von den vielen positiven Rückmeldungen. Gerade bei den Münsteranern, denen das mediale Katholikentags-Gejubel auf den Geist geht, werden wir als eine Art Katholikentags-Gegengift wahrgenommen. Das Interesse ist so groß, dass wir kurzfristig sogar noch die Live-Übertragung der meisten Veranstaltungen ins Internet (www.ketzertag.de) organisiert haben, damit es nicht allzu viele Enttäuschte gibt, falls die Sitzplätze nicht reichen – was aktuell zu befürchten ist. Lustigerweise haben wir auch Anfragen von Evangelikalen erhalten, ob sie uns vor dem Veranstaltungsort das Evangelium predigen dürfen.

Und?

Wir haben natürlich zugesagt. Ein besseres Unterhaltungsprogramm lässt sich doch überhaupt nicht planen. Wie Sie sehen, verspricht der Ketzertag eine interessante Veranstaltungsreihe zu werden – und zwar in jeglicher Hinsicht.