Philipp Möller in Fürth

Der scharfzüngige Säkularlobbyist

Söders Kreuzerlass nutzte Philipp Möller in seinem Vortrag in Fürth als Steilvorlage für spottende bis bissige Kritik. Unter dem Titel "Gottlos glücklich – Politik ohne Weihrauch" schenkte er auch anderen Gegnern der Trennung von Staat und Kirche ordentlich ein.

Die Sonntagmorgen-Matinée war die erste gemeinsame Veranstaltung des Instituts für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes und des Bundes für Geistesfreiheit in Fürth. Und trotz des schönen Sonnenwetters hatten sich die Reihen des Café Terrazza am 29. April 2018 bis auf den letzten Platz gefüllt.

Der eine oder die andere hatte noch den Brunchteller oder die Tasse Kaffee in der Hand als Philipp Möller seinen Vortrag begann und das Publikum warnte. Denn er sei unter den Gewächsen der säkularen Szene ja eher die Distel. Ob Gäste anwesend waren, die erst dadurch ahnten, dass auf ihre religiösen Gefühle gleich keinerlei Rücksicht genommen werden würde, ist nicht bekannt.

Doch angesichts der späteren Lacher und des vielfachen Zwischenapplauses darf angenommen werden, dass zumindest die Mehrheit genau wusste, was sie erwartete und gekommen war, um mit Gleichgesinnten zu genießen, wie Möller gegnerische Meinungen durch den Kakao zieht. Denn dass er die Dinge beim Namen nennt und Konflikte keineswegs scheut ist bekannt, seit er sich in der atheistischen Buskampagne 2009 einen Namen machte.

Wer Philipp Möller auch als Autor der Bücher über die Berliner Bildungsmisere schätzt, in der er seine Erfahrungen als Vertretungslehrer in einer Brennpunktschule verarbeitete, konnte sich beim Vortrag zudem über eine Live-Kostprobe der Jugendsprache freuen, die er in seinem Bestseller "Isch geh Schulhof" und Nachfolgebüchern wie "Bin isch Freak, oda was?!" so eindrücklich beschrieben hat.

Im Vortrag goss Möller dafür Carl Sagans berühmte Argumentation zum unsichtbaren Drachen in die Form eines Gesprächs zwischen Lehrer und Schüler. Lerneffekt des simulierten Gesprächs: die Nicht-Existenz des Drachens kann nicht bewiesen werden und die Beweislast liegt bei dem, der seine Existenz behauptet. Wobei Möller den neugierigen Schüler mit der bekannt-gewöhnungsbedürftigen Grammatik reden ließ, die er so schmerzhaft gut imitieren kann.

Foto: © Karin Becker
Foto: © Karin Becker

Doch um Grundsatzfragen wie die nach der Existenz Gottes oder um eine Kritik an Integrations- und Bildungspolitik ging es ihm diesmal nur am Rande. Denn sein Hauptthema war die unvollständige Trennung von Staat und Kirche und die vielen Erscheinungsformen dieses Missstandes. Wie Möller in einem Podcast-Gespräch erzählte, das am Rande des Vortrags aufgezeichnet wurde (erschienen am 15. Mai, bei iTunes und Youtube), wird er von Medien zwar gerne ausdrücklich als Atheist eingeladen und dargestellt, bezeichnet sich selbst aber lieber als Säkularlobbyisten.

Und für einen solchen ist die CSU natürlich nicht erst seit dem neuen Erlass ein rotes Tuch. Das Schwarz-Weiß-Foto, das Möller als erstes an die Wand warf, zeigte eine Abstimmung im Bayerischen Landtag im Jahre 1949. "Weiß jemand, was dort passierte?" Da sei tatsächlich beschlossen worden, dem deutschen Grundgesetz nicht zuzustimmen, weil es als "zu wenig christlich" empfunden wurde, erzählte Möller.

Die damals formulierte Gegnerschaft zum "säkularisierten Geist des 20. Jahrhunderts" ziehe sich durch die Zeit. Heute profiliere sich die Partei mit einem Heimatministerium, versuche den Prä-NS-Begriff der "konservativen Revolution" wiederzubeleben und beschließe ein Polizeiaufgabengesetz, das es erlaubt, die Rechte aller zu beschneiden, die von der Polizei als gefährlich eingestuft werden. Auch die Rolle der CSU im Dieselskandal regte Möller auf. "Die Kernkompetenz dieser Partei ist einfach Bier und Bullshit", fasste er zusammen.

Foto: © Karin Becker
Foto: © Karin Becker

Doch nicht nur die CSU bekam ihr Fett weg. Möller nahm das Publikum mit auf einen Ritt durch die großen säkular-politischen Themen der letzten Jahre. Vom EuGH-Urteil wegen des kirchlichen Arbeitsrechtes über die Statue vom antisemitischen Luther, der zu den Kirchentagen reist, bis zu den Heidenspaßpartys am Karfreitag. Auch den Streit um den Religionsunterricht an Schulen griff er auf, sowie die Beschneidungs- und die Sterbehilfedebatte.

Per Powerpoint präsentierte er mal satirische Netzfunde, mal Forschungsergebnisse der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) zu Kirchensteuern. Mal zeigte er kaum verhüllten Kreationismus in einem Grundschul-Religionsbuch, mal die Absurdität einer Soldaten-Wallfahrt nach Lourdes. Es war eine Mischung zum Lästern und zum Sich-Empören über politische Gegner.

Schnell wechselte er dabei von seriös vorgetragener Information zu Ärger und von dort zu heiterem Spott. Sichtlich am befriedigendsten fand er's aber, wenn er Kritik deftiger formulieren konnte. Der Schalk in seinen Augen und das jungenhafte Grinsen in seinen Mundwinkel sagten dann: Je unmöglicher etwas ist, desto drastischer muss man sich doch ausdrücken!

So bekannte er etwa, dass er die Anti-Beschneidungskampagne "Mein Körper gehört mir" ja lieber "Mein Pimmel gehört mir" genannt hätte. Und wenn er über religiös besonders dreiste Nebelkerzen-Werferei berichtete, steckte er sich auch mal symbolisch andeutend die Finger in den Hals und rief berlinernd aus: "Ick könnt kotzen!"

So etwas ist sicher nichts für Liebhaber des nüchtern-distanzierten Analysierens, aber Möller geht es auch nicht um akademische Diskurse. Er sucht die Emotion, möchte aufrütteln, etwas bewegen. Weswegen er inzwischen auch überlegt, in die Politik zu gehen. Mindestens für ein Praktikum im Parlament. Wie er erklärte, stehe der dazugehörige Titel des nächsten Buches auch schon: "Isch geh Bundestag".

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