Salzburger Festspiele

Philipp Blom: Das Bekenntnis zur Aufklärung ist inzwischen zur Phrase verkommen

Die diesjährigen Salzburger Festspiele stehen unter dem Motto "Passion, Ekstase, Leidenschaft" – drei Wörter also, die gemeinhin nur wenig mit der Aufklärung in Verbindung gebracht werden. In seiner Eröffnungsrede plädierte der Historiker und Philosoph Philipp Blom dafür, dass sich dies ändert. Denn eine neue, dringend gebrauchte Aufklärung müsse mit einer Rehabili­tierung der Leidenschaft beginnen.

Die Salzburger Festspiele gelten als das weltweit bedeutendste Festival der klassischen Musik und darstellenden Kunst. Eröffnet wurden sie in diesem Jahr mit einer Festrede von dem in Wien lebenden Historiker Philipp Blom, der im Vorfeld von Intendant Markus Hinterhäuser als einer "der herausragenden Intellektuellen unserer Zeit" bezeichnet wurde.

Blom attestierte in seiner Rede, dass es in westlichen Ländern seit dem Ende des Totalitarismus keinen so weitreichenden und mächtigen Angriff auf die Aufklärung gegeben habe wie heute: "Die Aufklärung ist der Versuch, das kritische Denken und den Respekt vor Fakten höher zu achten als Meinungen, Vorurteile, Gefühle, Traditionen oder Dogmen. Dieses Prinzip ist plötzlich in die Defensive geraten", erklärte Blom. Das Bekenntnis "Wir alle sind Kinder der Aufklärung" sei in Zeiten von Fake-News und der Infragestellung von universellen Menschenrechten zur Phrase verkommen. Die Demontage der Aufklärung reiche dabei weit über Europa hinaus: "Auf dem ganzen Globus entstehen autokratische Staaten, werden längst überwunden geglaubte, autoritäre Strukturen und nationalistische Identitäten zum Programm oder zur Praxis, verlieren Wahrheit und Wissenschaft an Verbindlichkeit, greift freiwillige Verdummung Raum", so Blom.

Angesichts einer zunehmenden Destabilisierung und anstehender Umwälzungen hätten viele Menschen Angst vor der Zukunft. Um dieser zu begegnen bedürfe es "nicht nur neuer Technologien und Effizienzsteigerungen, keiner hohen Mauern und keiner Abschreckung, sondern einer Transformation des westlichen Lebensmodells, denn erst, wenn Menschen wieder einen realistischen Grund zur Hoffnung haben, wird die Angst verschwinden."

Dafür sei jedoch eine neue Aufklärung notwendig, in der die Sinnlichkeit, Lust und Empathie der Menschen nicht ignoriert wird: "Wer heute vierzehn ist, erbt eine Welt mit immensen Risiken. Wer aber bereit ist, die Dynamik des aufgeklärten Denkens gegen die Dogmen der Gegenwart zu keh­ren, wer bereit ist, selbst zu denken und riskant zu denken, kann Teil einer Zukunft werden, in der es sich zu leben lohnt; nicht als Kind oder als Erbe, sondern als Teil der Natur, als empathischer Primat — und aus Leidenschaft für ein gutes Leben", schloss Blom seine Rede.