KÖLN. (hpd) Er hat sich schon vor Jahren der Häresie schuldig gemacht: Der Doktor der evangelischen Theologie, Heinz-Werner Kubitza, las aus seinem neuen Buch "Der Dogmenwahn", das im Vorfeld schon hervorragende Kritiken (u.a. von Siegfried R. Krebs und Horst Herrmann) geerntet hatte.
In gewisser Weise kann man dieses Buch fast als das dritte einer Trilogie bezeichnen - wenn man sich nicht scheut, neben seinem Vorläufer "Der Jesuswahn" auch Richard Dawkins' "Der Gotteswahn" mitzuzählen.
Als Kubitza, der mittlerweile Mitglied im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung ist, 2001 den Kirchenaustritt vollzog, war das sich aus der Natur der Sache ergebende Problem, nur für diesen einen Beruf qualifiziert zu sein, bereits elegant damit gelöst, dass er auch schon Verleger war und nun sich und andere kirchenkritische Autoren erfolgreich publiziert.
Sein Vorgänger-Werk "Der Jesuswahn", in dem er aus historisch-kritischer Sicht über Jesus von Nazareth schrieb, letzterer starb bekanntlich als Gescheiterter und Irrender, hat sich bereits über 10.000 Mal verkauft.
Im "Der Dogmenwahn, Scheinprobleme der Theologie - Holzwege einer angemaßten Wissenschaft", der, mit einem Augenzwinkern, aufgebaut ist wie eine klassische Dogmatik, geht Kubitza nun der Frage nach, wie moderne Theologie daherkommt und ob sie tatsächlich so modern ist, wie sie vorgibt. Dazu hat er sich die, für einen sich mittlerweile als Atheisten Verstehenden mutmaßlich zunächst eher als "harte Strafe" denn interessante Unternehmung empfundene, Arbeit gemacht, die gängigen Dogmatiken der unter Fachleuten populären evangelischen Theologen durchzuarbeiten, und er fand dies, wie er sagt, wirklich höchst amüsant:
Staatlich hochbezahlte Leute führen den Leser in eine Parallelwelt und lösen dortige Scheinprobleme mit Scheinlösungen. Es eröffnen sich dabei faszinierend-absurde Denkwege, die beschritten werden, weil, gefesselt an alte Traditionen, ein freies Denken ausgeschlossen ist. Beispiele für solche Scheinprobleme, die niemand hätte, würde man die unelegante Gottes-Hypothese nicht vertreten: "Was machte Gott vor der Schöpfung?", "Wie ist das Verhältnis Gottes zu den Tieren?", "Ist auch das Böse von Gott geschaffen?".
Theologen können laut Kubitza keine wirkliche Kritik üben, weil sie viel zu sehr selbst am Spinnennetz der Dogmatik mitgewebt haben, das sie nun gefangen hält. Wo sie sich kritisch äußern, kann dies immer nur Binnenkritik sein, wirkliche Kritik kann daher immer nur von außen kommen, wird dann aber, weil sie von Laien kommt, erst gar nicht zur Kenntnis genommen.
Für Predigten bräuchten die Theologen übrigens keine Dogmatiken, da gehe es mehr um die Erbauung der Gemeinde, eigentlich seien Dogmatiken nur für Theologie-Studenten relevant und Höhepunkt eines Theologen-Lebens sei es, eine eigene Dogmatik zu verfassen.
Nachdem er einige verschwurbelt-langweilige Zitate aus Dogmatiken verlesen hatte, war man als Zuhörer dankbar, sich nicht selbst eine derartige Lektüre antun zu müssen, sondern zu hören, dass darüber der historische Jesus nur schallend gelacht hätte.
Amüsant auch, wie leichtfüßig Kubitza beschreibt, wie schlecht im Saldo der Schreibstil der Bibel ist, genauso, wie der des Koran, und wie man sich als Leser in dem Moment gewahr wird, dass er gleichzeitig vorführt, wie man es doch so viel besser machen kann. Man sollte sich also nicht vom Umfang des Buches, seinem strengen Äußeren und den so vielen eng beschriebenen Seiten abschreckend lassen: abgesehen von einer Menge Wissen über "Aliens auf Papstaudienz", "Eiertänze" und "Theologen, von denen man wirklich denken könnte, sie hätten was geraucht", würde einem eine kurzweilige, von Ironie und Bonmots gespickte, Lektüre entgehen…
In der anschließenden Diskussion wurde überwiegend Interesse am historischen Jesus gezeigt, im Gegensatz zu den im Vorfeld beschriebenen Theologen, die merklich die Frage nach dem historischen Jesus nicht gestellt hätten, hätten sie gewusst, was sie sich damit einhandelten:
Der historische Jesus hat laut Kubitza dogmatisch nämlich nichts zu bieten und ist zu uninteressant und fremdartig, als dass mit ihm Kirche zu machen sei. Er mache einen eher spröden Eindruck, gehörte einer anderen Religion an, die mit dem späten Christentum fast nichts zu tun hatte und war ein religiöser Extremist mit der Meinung, das Ende der Welt stehe direkt bevor; Extremismus und Überspanntheit musste er dann mit dem Kreuzestod "bezahlen". Er habe sich als frommer Jude natürlich nicht als gottähnliches Wesen gesehen und schon allein den Gedanken als Blasphemie empfunden, sein Tod, der vermutlich unbeabsichtigt war, habe für ihn keine Heilsbedeutung gehabt.
6 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
H.-W. Kubitza ist im Beirat der gbs m.E. ein außerordentlich würdiger Nachfolger des vor 4 Jahren verstorbenen Franz Buggle.
Andreas am Permanenter Link
Als echter Theologe stellt Herr Kubitza in seinen Werken zwar die kirchliche Auslegung des Neuen Testaments in Frage, nicht aber den Lebenslauf (s)eines Jesus.
Wer die Evangelien als Werk der Kirchen sieht und nicht sagen kann, wo etwas gefälscht wurde, muss wissenschaftlich redlich (!) zu dem Ergebnis kommen, dass keinerlei (!) Aussagen über eine Person namens Jesus Christus möglich sind. Nicht einmal seine geschichtliche Existenz ist nachweisbar.
Aber so ganz loslassen können Theologen halt auch nicht.
Peter am Permanenter Link
Zum Glück kann er noch wie ein Theologe denken!
Und ob die Person Jesus Fiktion ist, ist doch völlig wurscht für seine Kritik.
valtental am Permanenter Link
Naja, so "wurscht" ist es nun auch wieder nicht.
Kubitzka sollte sich vielleicht doch noch mal mit den Vertretern der Radikalkritik beschäftigen, denn seinen Äußerungen scheint eine erhebliche Unwissenheit über die Option Mythos zugrunde zu liegen. Diese Option verkompliziert nicht die Lage, sondern bietet die Möglichkeit für zahllose jetzige Widersprüche und blinde Flecken in der Genese des Christentums plausible Erklärungen zu finden. Und unter einer Mythoshypothese müssten natürlich die Arbeitsgrundlagen der Theologen, die Schriften vorallem bis zum 2. Jh. inhaltlich und chronologisch ganz anders bewertet werden. Eigentlich betreibt Kubitzka selbst nur eine Art Binnenkritik, denn er stellt die Interpretation der Textgrundlagen der Theologen nicht infrage.
Die eigentlichen Probleme des Christentums sind m.E. eben nicht die verschiedensten Dogmatikspielchen der Theologen, sondern eben ihr Beharren auf einer historischen anstatt einer symbolischen Interpretation. Die Gläubigen laufen nicht wegen Theologengeschwurbel weg (das dürfte wohl kaum einer von ihnen verfolgen), sondern weil vielen der Spagat, den sie zwischen ihrem zeitgenössischen Denken und den kirchlichen Historienpostulaten der Bibelschriften aufgenötigt bekommen, anscheinend zu anstrengend, oder zu peinlich wird. Kubitzka mag ""die Theologen dort abholen, wo sie sich derzeit befinden" - nur für was und wohin? Welchen Sinn soll das Buch über eine gewisse Belustigung für Theologiekritiker hinaus haben, wenn der Autor eine Mythosoption schlicht für irrelevant hält, und so selbst in der Dogmatik verfangen bleibt?
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Eine sehr schöne, treffende Rezension eines wahrhaft aufklärenden Buchs. Ich selbst habe bei Amazon ebenfalls eine Besprechung dieses Buches eingestellt. Sie endet so:
Der physische, psychische und moralische Zustand unserer Gesellschaft wäre mit Sicherheit weitaus befriedigender, wenn die in der Summe ungeheuren geistigen Anstrengungen der Heerscharen von Theologen, das angeblich biblische Wort Gottes mit der Logik und der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen, sich auf die Bewältigung konkreter, die Menschen tatsächlich bedrängender Probleme gerichtet hätten. … Was würden wir vermissen, wenn es diese dogmatische Theologie nicht gäbe, eine Theologie, die ver-klärt und die nicht er-klärt. Kubitza gibt darauf eine klare und überzeugende Antwort: Nichts! Gewinnen würden wir mehr intellektuelle Redlichkeit, vor allem einen unverstellteren Blick auf die Wirklichkeit und mehr Gewinn an befreiender Wahrheit.
Jütte, Stephan am Permanenter Link
Vielleicht wird Sie das erstaunen, aber die 'neuen' Erkenntnisse des Herrn Dr.
Wenn man – und genau das tut Kubitza mit seinem Zerrbild theologischer Forschung – die Theologie als System versteht, das wahre Aussagen über den Menschen und die Welt im Rekurs auf die Bibel produzieren will, dann missversteht man Theologie grundsätzlich. Solches tut die Predigt. Aber vielleicht nicht mutwillig. Darum liegt mir an einer Differenzierung sehr viel:
Theologie wie ich sie verstehe und gelernt habe und nun seit mehreren Jahren vermittle, versteht sich als hermeneutische Kulturwissenschaft welche den religiösen Deutungsaspekt menschlichen Lebens beschreibt, historisch und philosophisch einordnet und systematisiert. Theologie so verstanden setzt sich mit menschlichen Sinn- und Lebensdeutungen auseinander und produziert diese nicht. Ja, noch nichteinmal löst sie deren implizite oder explizite Fragen. Solche Theologie erhöht das Rationalitätsproblem religiöser Sinndeutung, indem sie die Komplexität religiöser Rede erhöht und nicht reduziert.
Dabei hat sie selbstredend nach Massgabe kohärenztheoretischer Wahrheitstheorie zu verfahren, ihre Methode offen zu legen und Kritik auszusetzen und in aller menschlichen Selbstbescheidung zu wissen, dass sie der Erde verpflichtet ist.
Die von Ihnen (zu Recht) kritisierte Theologie ist ja gerade dadurch von wissenschaftlicher Theologie verschieden, dass sie selbst religionsproduktiv ist. In diesem Sinne: Wir strafen doch auch nicht die ganze Philosophie ab, bloss weil es in ihrer Geschichte nicht nur Weltbild-erklärende sondern auch produzierende SchafferInnen gab? Wir halten die Biologie zu Recht für eine Wissenschaft, auch wenn Dawkins (als Biologe!) sie in die gefährliche Nähe zum naturalistischen Fehlschluss gebracht hat. Das ist dann eben keine Biologie, Philosophie oder Theologie im wissenschaftlichen Sinne, sondern bestenfalls ein rührendes, orientierendes, oft aber auch etwas kitschig-peinliches Weltbild religionsproduktiver Menschen.
Dr. Stephan Jütte, Universität Bern, Dogmatik und Religionsphilosophie