Aufklärung & Kritik 1/2015 erschienen

NÜRNBERG. (hpd/gkpn) Das aktuelle Heft von "Aufklärung und Kritik", der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Als Übersicht der vielfältigen Artikel und Themen hat die Redaktion dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.

Mit Entsetzen blickte die Welt in den letzten Monaten auf religiös motivierte Gewalttaten wie den Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris und auf vorgeblich antireligiös motivierte wie die brennenden Flüchtlingsheime im Zuge der PEGIDA-Proteste. Religion ist ein Politikum, nach wie vor, und auch ein gesunder Atheismus kann nicht davor schützen, direktes oder indirektes Opfer religiösen, rassistischen oder sonstwie fundamentalistischen Hasses zu werden. Genau genommen gibt es wenig, was schützt – und mit Gewissheit nicht die höheren Sicherheitsstandards, die nun von innenpolitischen Hardlinern aller Nationen wieder gefordert werden. Die Hebdo-Attentäter waren seit Jahren auf dem Radar der Geheimdienste, und es hat nichts genützt. Was wir aber lernen können: Es ist besser, die Welt mit bitterer oder heiterer Satire zu betrachten und vielleicht zu verändern, als sich die individuelle und gesellschaftliche Freiheit selbst zu nehmen, bevor andere das tun können. In diesem Sinne je suis Charlie. Das musste ich loswerden. Und nun, medias in res:

Das Heft eröffnet unser Hauptredakteur Helmut Walther mit einer kurzen, einleitenden Übersicht darüber, was Philosophie und Biologie voneinander haben – und insbesondere, wie es sich um den Streit um die genzentrierte Weltsicht verhält, der im nachfolgenden Beitrag näher beleuchtet wird; in diesem erläutert Prof. Dr. Denis Noble unter dem Titel "Geheimnisse des Lebens" von jenseits des Grabes, welche Neuinterpretation des Darwinismus Karl Popper in Folge seiner näheren Beschäftigung mit biologischen (Grund-)Fragen vorschlug, um dessen "bedenkliche Unvollständigkeit" zu beheben. Dabei bezieht er sich auf das Buch unseres Mitherausgebers Dr. Hans-Joachim Niemann (Karl Popper and the Two New Secrets of Life), das in englischer Sprache vor allem Poppers Medawar-Vorlesung und seine weiteren Beiträge enthält, die in unserer Zeitschrift in den vergangenen Ausgaben zuerst publiziert wurden.

Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider untersucht in seinem Beitrag "Unechter Freihandel", wieso sich unsere Märkte durch Handelsabkommen wie CETA und TTIP keineswegs in Richtung eines echten Freihandels bewegen (werden), sondern im Gegenteil nur die Verstärkung bestehender Kartelle zur Folge haben werden. Er stellt zudem die grundsätzliche Frage, wem ein echter, wem ein unechter Freihandel nutzt.

In seinem Aufsatz über Menschenrechte verhandelt Otto Böhm die Frage, ob es sich bei diesen nur um ein eurozentrisches Vorurteil handelt – und versucht, die Universalität ihres Anspruchs gegen diverse sozialwissenschaftliche Strömungen zu verteidigen.

Dr. Johannes Krämmer und Dr. Martina Schmidhuber wenden sich der Frage zu: Sind ewige Jugend und ewiges Leben erstrebenswerte Ziele? Dabei spielen sowohl transhumanistische Überlegungen eine Rolle, die den Tod an sich verzögern oder gar abschaffen wollen, wie auch der ganz alltägliche Anti-Aging-Trend.

In Prof. Dr. Axel Bühlers Beitrag Erkenntnis und Aneignung als Ziele der Geisteswissenschaften geht es darum, welche grundlegenden Interessen, Ziele, Motivationen dazu führen, dass Menschen geisteswissenschaftliche Untersuchungen anstrengen und sich endlose Debatten darüber liefern, wessen Interpretation näher an der Wahrheit liegt. Erkenntnis steht dabei neben dem Wunsch, sich Sachverhalte durch Interpretation anzueignen.

Dr. Volker Mueller untersucht in seinem Beitrag die Einflüsse Descartes auf die "Encyclopédie" d’Alemberts und Diderots. Beide Autoren haben sich stetig auf Descartes rückbezogen, teils kritisch – was etwa den strikten Dualismus anbelangt –, teils anerkennend – etwa gegenüber dem Lebensbezug von Descartes’ Philosophie. Der Autor schließt direkt an mit allgemeineren Ausführungen zu Historizität, Naturanschauung und Gesellschaftskonzept zu Zeiten der französischen Aufklärung.

Bei Dr. Martin Morgenstern geht es um den Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion. Hans Albert hat dem Problem, Wissenschaft und Religion zu vereinbaren, Traktate und diverse Diskussionsbeiträge gewidmet, denen Morgenstern nachgeht – und aufgezeigt, welche Strategien von theologischer Seite zum Einsatz kommen, um ihm zu begegnen.

Prof. Dr. Theodor Ebert untersucht den Diskurs zwischen Jürgen Habermas und Joseph Ratzinger über Vorpolitische moralische Grundlagen eines freiheitlichen Staates. Die Grundfrage lautet: Bedarf ein moderner, sich als säkular verstehender Staat einer außer ihm, etwa im Göttlichen liegenden Legitimation und Rückbindung, um Ethik und Moral auf seiner Seite zu wissen?

Eine grundsätzliche Kritik des Umgangs der Aufklärung mit Religion versucht Prof. Dr. Anton Szanya in seinem Artikel "Zwei Schwestern: Religion und Ideologie. Die Unzulänglichkeit der aufklärerischen Religionskritik". Seine Kernthese: Die Dialektik des Aufklärungsprozesses wurde zwar festgestellt, nicht aber konsequent zu Ende gedacht in dem Sinne, dass jeder Fortschritt der Aufklärung auch einen Gegenschritt mit sich bringt.

Prof. Dr. Norbert Mecklenburg untersucht in "Martin Luthers Hate Speech und die Wurzeln des christlichen Antisemitismus", in welcher Tradition Luthers antisemitische Hetze steht und welchen Rückschluss sie auf die grundsätzliche Einstellung christlicher Theologen gegenüber dem Judentum und den Juden erlaubt.

Den Hauptteil des Hefts schließt Prof. Dr. Hubertus Mynarek mit seinem Beitrag über Jesus, die Frauen und die Auferstehung. Darin untersucht er die Rolle der Frauen in Jesu Leben anhand der Bibel, verfolgt das Thema aber auch bis in die modernste theologische Literatur und kommt am Ende zur Konstruktion eines wahren Jesus-Harems.

Im FORUM lesen Sie diesmal einen Artikel von Prof. Dr. Peter Dinzelbacher über das Projekt "Integrative Humanwissenschaft", "Ein Wort zur akademischen Philosophie" von Dr. Jürgen Lambrecht, Georg Stäuble über "Wissenschaftliche Weltanschauungen", Prof. Dr. Bernulf Kanitscheider zu "Ansgar Beckermann und die Feinabstimmung", Dr. Axel Schlote über "Der Urknall und das Nichts: zwei Illusionen".
Weiter geht es mit Prof. Dr. Uwe Hillebrand über die "Creatio ex nihilo", Dr. Heinz-Werner Kubitza über "Das Jesusbuch des Papstes: Ratzinger und die kritische Jesus-Forschung", Prof. Dr. Mohammed Khallouk zu "Neuwirths europäischer Lesart des Korans – Anerkennung von Authentizität oder Vereinnahmung des islamischen Schrifttums für die jüdisch-christliche Theologie?" und schließlich Edgar Dahl mit dem Aufsatz "Ohne Lizenz zum Denken. Manfred Lütz zur aktuellen Sterbehilfedebatte".

Wie immer runden diverse Rezensionen das Heft ab. Diesmal geht es u.a. um Bücher zu Diderot, Tierethik, religiösen und atheistischen Glauben, Foucault, Marx und über das liebe Geld!