Steht die Europäische Union noch für Frieden, Demokratie, Freiheit und Wohlstand? Vor der Europawahl im Mai 2019 tritt die EU in der allgemeinen Wahrnehmung fast nur im Krisenmodus auf. Dafür genügt es, die Schlagwörter "Brexit", "Eurokrise" und "Flüchtlingskrise" in die Debatte zu werfen. Zentrifugale Kräfte wirken allerorten. Den europafreundlichen "Volksparteien" kommen die Wähler abhanden. Als neue Unterart des Homo politicus tritt aggressiv der "Wutbürger" auf. Offensichtlich lässt sich die europäische Einigung nicht qua EU-Gesetzgebung herstellen. Die ungarische Regierung greift die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit an, während die polnische Regierung eine "Re-Christianisierung" Europas als spezifische europäische Lösung des Migrationsproblems fordert. Zum Beispiel sowohl in Budapest als auch in Warschau bezweifeln die herrschenden Eliten öffentlichkeitswirksam, dass Brüssel legitimiert ist, ihre Politik zu kritisieren.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 ist nicht gelöst, sondern schwelt weiter. Vieles deutet darauf hin, dass die nächste Erschütterung vor der Tür steht. Beendet ist auch nicht die Diskussion über die nationale Beschränktheit der deutschen Antikrisenpolitik, die sich während der Krise von 2007 gegen eine gemeinsame europäische Bankenrettung gestemmt hatte. Hat die deutsche Regierung mit ihrem Verhalten die Risse im Fundament des europäischen Vereinigungsprozesses vergrößert? Die Symptome der EU-Krise sind vielfältig und schnell benannt – aber wofür stehen sie? Ist der europäische Gedanke weiterhin tragfähig; welche Werte trägt die EU? Ist eine Erweiterung der EU in Richtung Westbalkan angesichts der europäischen Krise ratsam? Diese Fragen öffnen den Blick für die komplizierte Geschichte Europas und verweisen darauf, dass bedeutende Territorien unseres Kontinents jahrhundertelang nicht nach Wien, Paris oder London ausgerichtet waren, sondern nach Konstantinopel. Und wenn angesichts der Krise der EU über die Geschichte Europas von den "Rändern" her nachgedacht wird, muss auch Russland und sein Comeback als Großmacht in den Fokus der Betrachtung eingeschlossen werden. Dann stellt sich heraus, dass die alten Fragen nach dem Verhältnis von Russland zu Europa und von Europa zu Russland neu diskutiert werden müssen.
Die europäische Politik verschränkt sich mit dem gegenwärtigen Umbruch der Weltordnung und mit den Globalisierungsprozessen. Der "atlantische Block", wie er sich nach dem Zweiten Weltkrieg unter Führung der USA herausgebildet hatte, ist zerbrochen. Trump will mit seiner US-amerikanischen Administration den atlantischen Konsens durch eine Vielzahl von ihm diktierter Deals ersetzen. Die Frage nach den Beziehungen der EU zu China, zu einem Land also, in dem sich eine stürmisch wachsende kapitalistische Marktwirtschaft mit dem Gewaltmonopol seiner Kommunistischen Partei verbindet, weist auf mehrfach widersprüchliche Konstellationen. Einerseits fürchtet man in Europa China als Konkurrenten und will es klein halten. Andererseits bietet den europäischen Unternehmen der enorm große chinesische Markt auch große Gewinnchancen. Jede Investition in China aber trägt dort zur weiteren ökonomischen Entwicklung bei.
Rechte und populistische Kulturkämpfer, liberale Reformer und kritische, linke Europäer haben verschiedene Szenarien zur Krisenbewältigung entwickelt. Welche sind das? Verfügt die gegenwärtige Union überhaupt über einen ethischen Wertekonsens des kulturellen Zusammenhalts, die demokratischen Strukturen, die wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen und das rechtsstaatliche Instrumentarium, um ihre komplexe und tiefgehende Krise zu lösen? Wir wollen die Krise und die Chancen der Europäischen Union, ihre Ursachen, Hintergründe und Folgen sowie die Frage nach der Problemlösungsfähigkeit der EU erörtern.
Lassen Sie uns im Interesse der Aufklärung und des Humanismus gemeinsam auf eine Reise in unsere Gegenwart und Zukunft gehen, lassen Sie uns interdisziplinär unsere Daseinsfragen diskutieren und gemeinsam klüger werden. Die Freie Akademie lädt herzlich zu ihrer wissenschaftlichen Tagung zum Thema Ist "Europa" noch zu retten? Europa in Gegenwart und Zukunft. vom 30. Mai bis 2. Juni 2019, in der Frankenakademie Schloss Schney ein.
Anfragen können an die Freie Akademie, Holbeinstr. 61, 14612 Falkensee gerichtet werden.
9 Kommentare
Kommentare
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Die Idee von einem gemeinsamen Europa ist nicht schlecht, aber in der Durchführung schwierig. Berücksichtigen muss man die eigenen Gepflogenheiten eines jeden Landes,
Retten kann sich nur jeder selbst.
Kay Krause am Permanenter Link
Korrekt, Wolfgang Schaefer, aber nicht zu Ende gedacht. Auch finde ich in Ihren Zeilen nicht einmal den Ansatz zum Versuch einer Antwort auf die Frage: "Ist Europa noch zu retten?"
Ich meine nach wie vor: Europa ist mit heißer Nadel gestrickt, und der Akkord-Stricker, dem das alles nicht schnell genug gehen konnte, wurde im Volksmund "Birne" genannt. Und um zu beweisen, dass man so etwas nicht über's Knie brechen kann, hat er die DDR auch gleich noch im Eiltempo kassiert (was letztlich auch nicht geklappt hat!)
Bedingung für ein HEUTE einiges Europa wäre vor 25 bis 30 Jahren eine schrittweise Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den zur EU beitrittswilligen Staaten gewesen. Das haben Herr Kohl (und Zubehör) bewußt übergangen, weil er sich noch zu Lebzeiten das vereinte Europa an seine mit Saumagen gefütterte Brust heften wollte! Auch das - ich weiß es wohl, Herr Schaefer - ist nichts Neues.
Aber nun ist die Karre ganz offensichtlich einmal in den Dreck gefahren, und für mich ist nicht die Frage, OB wir sie wieder herausziehen wollen, sondern WIE! Ich behaupte nun nicht, den Stein des Weisen gefunden zu haben, möchte aber einmal daran erinnern, dass letztlich auch die USA nach vielen Querelen zu einem gemeinsamen Staat zusammengefunden haben! Und dass eine Diskussion darüber, ob diese USA jemals auseinanderbrechen könnten, nicht existiert! Und dass es uns allen über einen bis heute andauernden Zeitraum gelungen ist, aus den vielen ehemaligen deutschen Kleinstaaten die heutige weltweit anerkannte Bundesrepublik Deutschland zu kreieren! Und wenn man von den paar aufmüpfigen königstreuen Bayern einmal absieht, vertragen wir uns doch alle relativ gut! Und so stellt sich für mich - in erster Linie - gar nicht die Frage: "Ist Europa noch zu retten?" Sondern: Was haben wir (die verantwortlichen Politiker!) falsch gemacht? Wie können wir unsere Fehler korrigieren? Wie können wir es in Zukunft richtig machen, damit uns dieses wunderbare Europa mit seinem73-jährigen Frieden und all seinen Kinderkrankheiten erhalten bleibt?
So ergibt sich für mich z.B. die Frage: "Warum habe ich bis heute keinen europäischen Ausweis oder Pass? In dem zu lesen ist: Kay Krause, europäischer Staatsbürger deutscher Nation. Warum?? Ich kann mir vorstellen, dass gerade so ein kleines Utensil dazu beiträgt, dass wir alle uns auch mehr als Europäer FÜHLEN!
Rainer Bolz am Permanenter Link
Politiker - und Medien - haben zu dieser Wut der Bürgerinnen und Bürger reichlich beigetragen. Die Leute hatten plötzlich das Gefühl, ihre lieb gewonne Heimat samt Traditionen zu verlieren. Da fing es an zu brodeln.
Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild, wäre der richtige Weg die Bürger für ein gemeinsames Europa zu begeistern.
Dazu die Brüsseler Bürokratie um 50% reduzieren, die bringt eh zu wenig.
Dann, - aber nur dann, bin ich wieder ein begeisterter Europäer.
Eberhard Schneider am Permanenter Link
Gemeinsames Europa ja aber eins der Vaterländer da jedes Land und auch Völkergruppen eine einzigartige Spezies ist mit anderen Kulturen und Denkweisen.Wenn man dieses abschaffen will und einen Einheitsbrei ohne eigene
Andrea Pirstinger am Permanenter Link
Ich hoffe sehr, dass sich eine Majorität der europäischen/in Europa lebenden Menschen für EUROPA entscheidet.
Warum wollen "sie " es/das nicht?
Vergeßt den emotinalen Begriff "europäische Nationalstaaten".
Vergeßt euer "nationales Ego".
Kommt hin zum "europäischen Selbst".
Rainer Bolz am Permanenter Link
Warten wir doch einfach die Entwicklung mit Großbritannien ab, ich vermute in kurzer Zeit haben wir ein vergleichbar gutes Verhältnis, wie wir es zu Norwegen haben, aber die sind noch immer „Herr“ im eigenen Land.
…
Kay Krause am Permanenter Link
Ich bin an Ihrer Seite, Andrea Pirstinger!
Die Grünen entwickeln sich z.Zt. zu einer interessanten Gruppierung, der man so etwas zutrauen könnte. Wenn die europaweiten sozialdemokratischen Parteien sich nun auch noch auf ihren ursprünglichen Sinn und Zweck zurückbesinnen würden, und wenn wir dann noch eine wählbare, nicht nur mit sich selbst beschäftigte LINKE als Verstärkung zur Verfügung hätten, dann würden die rechtsextremen Phantasten relativ schnell in der Versenkung verschwinden!
Zuviele "Wenns, würde und hätten, ich weiß es. Aber es ist ja (noch!) nicht verboten, zu träumen!
Eines steht jedoch für mich fest: solange wir von kirchentreuen Vasallen wie Karrenbauer, Merz und Spahn regiert werden sollen, wird aus einem einigen und säkularen Europa wohl nichts werden!
Freunde! Ihr unterschätzt alle die Macht der Kirchen, die nach wie vor im Hintergrund agieren!
A.S. am Permanenter Link
Meine Analyse zu Europa ist, dass den Menschen ein anderes Europa versprochen wurde als das, was heute realisiert wird. Daher fühlen sich die Menschen heute reingelegt.
Mein Lösungsvorschlag wäre:
- alle Versuche einstellen, die ein von oben herab zwangsgleichgeschaltetes Europa herstellen wollen.
- den Bürgern nicht mehr versprechen, als auch gehalten werden kann.
Alexander am Permanenter Link
Ein Lesetipp:
https://www.republik.ch/2018/04/03/die-frage-ist-ob-sich-europa-retten-laesst