Wie die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag auf ihrer Website berichtet, soll "Naturheilkunde" an bayerischen Universitäten stärker verankert werden.
Obwohl Naturheilkunde mit Homöopathie gar nichts zu tun hat*, luden die Politiker ausgerechnet eine führende Münchner Homöopathin zum Gespräch, mit der die Umsetzung dieses Vorhabens diskutiert werden sollte. Dr. Sigrid Kruse, Fachärztin an der Dr. von Haunerschen Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, ist keine Unbekannte. An ihrer Universität veranstaltet sie seit Jahren die öffentliche "Ringvorlesung Homöopathie", für die die LMU heftig kritisiert wird.
*Naturheilkunde beinhaltet vor allem pflanzliche Medikamente, die Wirkstoffe enthalten und deren Wirkung belegt ist. Homöopathika hingegen enthalten in hohen Potenzen keine Wirkstoffe und eine Wirkung von Homöopathika über einen Placebo-Effekt hinaus konnte bisher in keiner seriösen Studie belegt werden.
Kruse bietet für Medizinstudierende außerdem ein Wahlfach Homöopathie an, das für das Staatsexamen anerkannt wird. In den offiziellen Unterlagen des Wahlfachs (Stand: 2016) vergleicht Kruse Homöopathie mit Methoden aus der Onkologie und mit Impfungen und gibt Empfehlungen für eine homöopathische Reiseapotheke. Auch im Rahmen der Klausur im Fach Allgemeinmedizin baute die LMU im Wintersemester 2016/17 eine unsinnige Frage zur Homöopathie ein. Der Studiendekan des klinischen Abschnitts des Studiums verteidigt in einem Interview diesem Umgang mit Homöopathie und vergisst die Existenz der Ringvorlesung und des Wahlfachs an der LMU zu erwähnen.
Bei dem Gespräch der Landtagsfraktion war außerdem Ulrike Fröhlich von der Hahnemann-Gesellschaft, der Arbeitsgemeinschaft klassisch homöopathisch behandelnder Ärzte, anwesend. Auch die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml, "gesellte sich", so heißt es auf der Website, "spontan" zu dem Gespräch dazu. Bernhard Seidenath, der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, erklärt: "Wir haben als CSU-Fraktion die Staatsregierung aufgefordert, bei den Bayerischen Universitäten anzuregen, dass eine Professur für Naturheilkunde (NHK) eingerichtet wird, um die Forschung im Bereich der komplementären und der integrativen Medizin weiter zu stärken und sich beim Bund dafür einzusetzen, dass die Forschungsmittel für die Naturheilkunde insgesamt erhöht werden."
Dass die CSU sich für Naturheilkunde und Komplementärmedizin stark macht, ist lobenswert. Homöopathie hat in diesem Bereich aber nichts zu suchen. Warum Homöopathie aus ethischen Gründen sogar aus der Medizin verbannt werden sollte, habe ich in einem anderen Beitrag erläutert. An den bayerischen Universitäten gibt es nicht zu wenig Homöopathie, sondern zu viel.
Die CSU-Fraktion muss sich gar nicht weit umsehen, um zu sehen, dass Komplementärmedizin in der Medizin verankert sein kann, ohne Studierende und Öffentlichkeit in Unwissenschaftlichkeit zu schulen. Wenige Meter vom bayerischen Landtag entfernt befindet sich das Klinikum Rechts der Isar, Universitätsklinikum der Technischen Universität München (TUM). Dort gibt es eine der wenigen universitären Abteilungen für Komplementärmedizin. Doch weder veranstaltet die Universität eine unkritische öffentliche Veranstaltungsreihe zum Thema Homöopathie, noch werden die Medizinstudierenden an der TUM in der Irrlehre unterrichtet. Die TUM bietet ihren Studierenden auch kein Wahlfach Homöopathie an. Vielleicht möchte die Fraktion lieber einen der dort arbeitenden Mediziner zum Gespräch einladen als führende Homöopathie-Aktivisten.
16 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Was für ein Wunder. Die CSU in Rosenheim nutzt ja sogar Granderwasser. Mensch, sind die verstrahlt! https://www.grandervertrieb.de/de/news-infos-kunden-erfahrungen/csu-rosenheim
Hans Trutnau am Permanenter Link
Hoppla, dachte ich, warum "Homöopathie" im Titel, wenn doch im Teaser von "Naturheilkunde" die Rede ist - und das Eine mit dem Anderen nix zu tun hat?
Um es noch kürzer zu machen:
Schon "Komplementär"-Medizin ist gewöhnungsbedürftig, aber "Alternativ"-Medizin wie Homöopathie ist nicht nur m.E. _nonsense_.
Oh je, jetzt habe ich wieder einen ganzen Berufsstand an der Hacke...
Natalie Grams am Permanenter Link
Dazu gibt es jetzt auch einen offenen Brief vom Wissenschaftsrat der GWUP und vom Informationsnetzwerk Homöopathie: https://www.netzwerk-homoeopathie.eu/standpunkte/300-offener-brief-von-gwup-wissenschaftsrat-und-inh-
Roland Weber am Permanenter Link
Irgendwie erinnern mich diese Ausflüge ins Gesundheitspolitische an die Zeiten, da die Kirche dafür sorgte, dass "weise Frauen" auf dem Scheiterhaufen landeten, oder heutzutage, dass man Hebammen am langen A
Gesundheit ist ein hohes Gut - und vor allem ein höchstpersönliches. Was geht es diese Autoren an, was andere Menschen für sich für sinnvoll erachten?
Die Gesundheitspolitik sollte sich mit ganz anderen Problemen befassen und diesen Krümmelkram auf sich beruhen lassen.
M. Becker am Permanenter Link
Leider ist mir aber noch keine einzige Hebamme begegnet (und in diversen Kursen für Schwangere und frischgebackene Mütter trifft man einige), die nicht ungefragt Werbung für Zuckerpillen gemacht hätte.
Piumino am Permanenter Link
Da hatten Sie aber Glück! Wieso waren Sie so voreingenommen es nicht zu probieren? Tja, ist schon schrecklich, wenn man dazu genötigt wird, es zunächst Mut Medikamenten ohne Nebenwirkungen zu versuchen.
Sven F am Permanenter Link
"Wieso waren Sie so voreingenommen es nicht zu probieren?"
Tipp: Faktenwissen und grundlegende Naturgesetze haben mit Voreingenommenheit wenig zu tun.
" Tja, ist schon schrecklich, wenn man dazu genötigt wird, es zunächst Mut Medikamenten ohne Nebenwirkungen zu versuchen.
Wer weiß, vielleicht hätten Sie "zufällig" eine Besserung bemerkt. Aber das wäre ja wirklich zu abstrus."
Placebo-Effekte bekomme ich auch anders und billiger, als Harry-Potter-Medikamente zu bezahlen.
"Was nicht sein kann, das nicht sein darf. Und die Erde hat gefälligst eine Scheibe zu bleiben..."
Schreibt die/derjenige, die auf die Naturwissenschaft einen Dreck gibt. Ironie pur.
CnndrBrbr am Permanenter Link
Nicht beruhen lassen, sondern ausmisten.
Bin gespannt, wann irgendein Idiot andere "Alternativwissenschaften" an den Unis fordert. Vielleicht einen Lehrstuhl für Kreationismus in der Biologie?
M. Becker am Permanenter Link
Jeder, der mal ein Baby hatte, sollte ja eigentlich wissen, dass es "intelligent design" gar nicht gibt.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
O nein. Das Ganze hat einen gesundheitspolitischen und gleichzeitig einen ethischen Aspekt.
Wie kann es sein, dass die Gesundheitspolitik ihre schützende Hand über eine vorwissenschaftliche Methode hält, die niemals einen Nachweis ihrer spezfischen Wirksamkeit erbringen konnte - was auch gar nicht denkbar ist, weil ihre Grundannahmen gegen naturgesetzliche Gegebenheiten verstoßen? Und das durch Privilegierung im Arznei- und Sozialmittelrecht, was Zauberkünstler im Ärztekittel veranlasst, nur nach noch mehr Privilegien zu rufen, beispielsweise nach einer stärkeren Verankerung an den Universitäten?
Das kann nicht sein.
Ansonsten - niemand verlangt, die Menschen an der Nutzung von Homöopathie zu hindern. Ich wehre mich gegen dieses Totschlagargument, das immer wieder gegen Kritik an der Homöopathie in Stellung gebracht wird. Die Kritik zielt darauf, die Menschen über die Homöopathie aufzuklären und zu informieren - dann können sie gern so viel Zuckerkugeln zu sich nehmen, wie sie wollen - wenn sie es denn noch wollen. Und natürlich zielt die Kritik auch darauf ab, der Homöopathie die völlig unverdiente öffentliche Reputation zu nehmen, die die Ansicht der Leute zu dieser Methode massiv beeinflusst und nur eine Wirkung hat: Auf den Geldbeutel der Beteiligten, ob in die eine oder die andere Richtung.
Selbstverständlich soll jeder tun, was er für richtig hält, auch in Sachen Gesundheit. Dazu braucht es aber Information und Kompetenz, und beides wird den Menschen in Sachen Homöopathie aktiv vorenthalten. Die Des- und Fehlinformation dazu wird durch solche Sachen wie die Pressemitteilung der CSU-Fraktion nur weiter verfestigt. Dagegen tritt die Homöopathie-Kritik an - für mich eine Frage der Redlichkeit und des zivilgesellschaftlichen Engagements.
Hier nochmals der Link zum Offenen Brief der GWUP und des INH an Staatsministerin Huml:
https://www.netzwerk-homoeopathie.eu/standpunkte/300-offener-brief-von-gwup-wissenschaftsrat-und-inh-an-staatsministerin-huml-muenchen
Piumino am Permanenter Link
Na, ja Sie scheinen aber zu meinen, Sie selbst wären gut informiert. Tatsächlich gibt es sogar zahlreiche Studien, welche die Wirksamkeit von Homöopathie belegen (z.B. bei ADHS).
Dagmar am Permanenter Link
Leider haben homöopathische Mittel bei mir und meinen Kindern überhaupt nicht geholfen, und meinem Ältesten konnte bei Blinddarmentzündung nur eine Notoperation helfen, nachdem wir erfolglos die Mittel unseres Homöopa
Die unnötigen Schmerzen, die mein Sohn durch unser Verhalten durchleiden musste, tun mir noch heute in der Seele weh, ebenso die Schmerzen unseres Zweiten bei Mittelohrentzündung.
Im Nachhinein haben wir uns meiner Meinung nach der Kindesmisshandlung schuldig gemacht.
Piumino am Permanenter Link
Ich selbst wäre fast an einem Blinddarmdurchbruch gestorben, falsch von allopathischem Arzt behandelt. Es gibt sicher schlechte Ärzte und unverantwortlich handelnde Heilpraktiker...
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Einfach nur unqualifiziertes nachplappern ist freilich einfacher."
Wie ging gleich nochmal das Sprichwort mit dem Besen und der eigenen Tür?
Sven F am Permanenter Link
"Tatsächlich gibt es sogar zahlreiche Studien, welche die Wirksamkeit von Homöopathie belegen (z.B. bei ADHS)."
Ich bitte um eine Quellenangabe.
Nebenbei ignorieren Sie die > 95% aller Studien, die eben *keinerlei* Wirksamkeit über Placebo-Effekte hinaus zeigen.
Kay Krause am Permanenter Link
CSU: weltfremd und geistig im Mittelalter verblieben, wie gehabt! Aber egal: Hauptsache katholisch! Mit der Kirche im Rücken kann man sich so gut wie alles erlauben. und die CSU zieht mit "AKK" nach.