Kortizes – Humanistischer Salon Nürnberg

CRISPR: Wo sind Tabus zu wahren und wo zu überwinden?

In einem Vortrag im Humanistischen Salon Nürnberg Anfang Dezember wünschte sich der Molekularbiologe Franz Klebl für die Pflanzenzucht einen neuen Risiko-Diskurs mit der Überprüfung überkommener Denkmuster. Für CRISPR im Menschen plädierte er jedoch für die Verteidigung bestehender ethischer Grenzen.

Es war der dritte Termin dieser Staffel des Humanistischen Salons Nürnberg, an dem der Biologe Dr. Franz Klebl unter dem Titel "Erbgut nach Maß?" am 9. Dezember 2018 Grundlagen, Entdeckungsgeschichte und Möglichkeiten der Genschere CRISPR/Cas9 erklärte sowie ethische Aspekte verschiedener Anwendungen zur Diskussion stellte.

Klebl arbeitet an der Universität Erlangen in der Grundlagenforschung mit transgenen Pflanzen. Er engagiert sich schon lange sowohl im Rahmen seiner Hochschultätigkeit wie auch bei der GWUP Mittelfranken und in humanistischen Gruppen für Wissenschaftsbildung, ein naturalistisches Weltbild und Rationalität in der öffentlichen Meinungsbildung. Seit 2016 ist er Teil des Teams bei Kortizes, dem Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs, das den Humanistischen Salon Nürnberg veranstaltet, seit 2018 ist er stellvertretender Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit (BfG) Fürth.

Dass erst knapp zwei Wochen vor Klebls Vortrag der chinesische Forscher He Jiankui die Welt mit der Nachricht aufgeschreckt hatte, die ersten durch CRISPR veränderten Menschen seien unter seiner Obhut geboren worden, bescherte der Veranstaltung eine unerwartet hohe Aktualität, was sich auch in der Zahl der Gäste zeigte.

Durch Zufall hatte Kortizes für Klebls Vortrag die Möglichkeit den größeren Saal des Café PARKS zu buchen, so dass niemand an der Kasse abgewiesen werden musste. So konnte der Biologe den knapp 90 Interessierten einen Überblick geben zum Hintergrund von CRISPR und seiner Bedeutung sowohl für die Pflanzenzüchtung wie für die Medizin. Wobei Fragen zur Anwendung beim Menschen – angesichts der Nachrichten aus China – natürlich einen größeren Teil von Vortrag und Diskussion einnahm als ursprünglich gedacht.

Zuvor erklärte der Molekularbiologe jedoch, wie CRISPR entdeckt wurde, wie die Methode funktioniert und welche Bedeutung ihm als Werkzeug in der Pflanzenzucht zukommt. Denn die Verbesserungen zu verstehen, die die Genschere im Vergleich zu bisherigen Methoden dort bietet, sei wichtig, um Chancen, Risiken und Ethik der ja ebenfalls sehr kontrovers diskutierten landwirtschaftlichen Anwendung richtig einschätzen zu können, ist Klebl überzeugt.

"In der klassischen Pflanzenzüchtung wird nach natürlich auftretenden Mutanten gesucht. Aber dass eine Mutation zufällig etwa an einer resistenzvermittelnden Stelle auftritt, ist sehr selten", erläuterte Klebl. Bei der in der Grundlagenforschung oft verwendeten Ackerschmalwand Arabidopsis zum Beispiel liege die Mutationswahrscheinlichkeit für eine bestimmte Stelle im Genom bei 1:125 Millionen. Um eine normal auftretende Mutante zu finden, die etwa salz- oder trockenresistenter ist als die anderen, bräuchte man daher eine Anbaufläche von 75.000 Quadratmetern.

Um diesen enormen Platzbedarf und den damit verbundenen Aufwand für die Zucht zu reduzieren, setzte die modernere Züchtung in der Vergangenheit zuerst auf eine Erhöhung der Mutationsrate. Etwa 3.000 der Sorten, die heute normal im Handel verkauft werden, seien dadurch entstanden, dass man Nahrungspflanzen zu diesem Zweck mit UV-, Röntgen- oder Gamma-Strahlung behandelte, erklärte Klebl. Durch die Bestrahlung entstehen mehr Mutanten. Die Wahrscheinlichkeit, auf gleicher Fläche eine Pflanze mit neuen, von Bauern oder Verbrauchern gewünschten Eigenschaften zu finden, stieg dadurch also.

Klebl machte deutlich: "Die so entstandenen Sorten gelten nicht als Gentechnik und mussten nie ein besonderes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Sie sind nicht reguliert." Eine besondere Regulation wurde erst bei denjenigen Sorten politisch gefordert und eingeführt, bei denen neue Eigenschaften durch neu in die Pflanze eingebrachte Gene erreicht wurden – bei den Verfahren also, die jetzt als klassische Gentechnik gelten.

Benutzt wird bei dieser "alten" Gentechnik etwa das Agrobacterium, das die Fähigkeit hat. in Pflanzenzellen einzudringen und ein Stück seiner eigenen DNA in die der Pflanzenzelle einzubauen. Dieses kann technisch benutzt werden, um die Bauanleitungen, also Gene für gewünschte, bisher fehlende Eigenschaften in Pflanzensorten hineinzubringen.

Der Vorteil dieser klassischen Gentechnik im Vergleich zur vorher genutzten Mutationszüchtung war die Zielgerichtetheit. Während eine erhöhte Mutationsrate viele zufällige, auch unerwünschte Veränderungen an unterschiedlichsten Stellen im Genom zur Folge hat, lässt sich mit Gentechnik gezielt nur genau die Eigenschaft hineinbringen, die gesucht wird.

Idealerweise wird dabei das neue Stück DNA in einen der riesigen Bereiche des Genoms eingebaut, in der keine anderen Funktionen sitzen. Dies muss aber nach Einbau überprüft werden, denn mit der klassischen Gentechnik kann nicht bestimmt werden, wo genau der Einbau stattfindet.

Erst die Geneditier-Möglichkeiten von heute überwinden diesen Nachteil der klassischen Gentechnik. Mit Verfahren wie CRISPR ist es Forscherinnen und Forschern nun möglich, genau den Ort im Genom auszusuchen, an dem eine Veränderung stattfinden soll. Das macht die Pflanzenzüchtung mittels Genschere präziser als alle bisherigen Vorgehensweisen in der Pflanzenzucht.

Umso unverständlicher ist es aus Klebls Sicht, dass der Europäische Gerichtshof im Sommer mit seinem Urteil zu CRISPR einer nicht rational zu begründenden Richtung der Risikobewertung gefolgt ist, nach der das Künstliche als potenziell gefährlicher gilt als das vermeintlich Natürliche. Auch wenn das Künstliche in diesem Fall ein kleiner, präziser Eingriff ist und das vermeintlich Natürliche ein mutierender "Schrotschuss ins Genom".

Franz Klebl mit dem Modell, Foto: © Hansjörg Albrecht
Franz Klebl mit dem Modell, Foto: © Hansjörg Albrecht

Um seine Kritik an dieser Sicht zu verdeutlichen, hatte Klebl Ketten aus großen Holzperlen mitgebracht, bei denen er mutierte Bausteine farblich symbolisiert hatte. "Warum ist dies erlaubt?", fragte er, während er eine Kette mit zahlreichen bunten Kugeln hochhielt. Sie stand für ein Stück DNA, das durch den Einsatz mutierender Strahlung verändert worden war. "Und warum ist dies verboten?", fragte er, als er eine andere Kette hochhielt mit nur einer einzelnen, mutierten Kugel. Sie stellte einen DNA-Strang dar, der durch CRISPR verändert worden war.

Während beim Thema Pflanzengentechnik bei Klebl also die Vermeidung von unerwünschten Effekten einer genetischen Änderungen im Vordergrund steht und er sich eine informierte, rationale Debatte über die besten Wege der Risikominderung wünscht, geht es für ihn bei Eingriffen beim Menschen um mehr als nur das Risiko. Denn hier sind zudem Rechte der betroffenen Personen zu berücksichtigen. Darin liegt für ihn die besondere Verantwortung der Gesellschaft und der Forscherinnen und Forscher, wenn es um CRISPR in der Medizin geht.

So war es Klebl wichtig hervorzuheben, dass das Vorpreschen des chinesischen CRISPR-Forschers Forscher He Jiankui in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf breiter Front abgelehnt wird. Denn was er gemacht hat und wie, das verstößt gleich auf mehreren Ebenen gegen die Wissenschaftsethik. Schon die Tatsache, dass die Bekanntgabe der Geburt der Zwillinge nicht in Form eines wissenschaftlichen Fachartikels erfolgte, sondern per Youtube-Video, sei unseriös, sagte Klebl. Auch habe kein Fachkollege die Daten oder gar die Babys selbst gesehen. Eine fachliche Überprüfung der Angaben von He sei also noch gar nicht möglich.

Die größte ethische Grenzüberschreitung sieht Klebl aber in der Veränderung der Keimzellen von Babys. Denn der CRISPR-Eingriff, den He Jiankui behauptet vorgenommen zu haben, betrifft nicht nur alle Körperzellen der beiden gerade geborenen Mädchen Lulu und Nana, sondern auch ihre Eizellen und damit alle künftigen Nachkommen der beiden. Eine solche Veränderung der sogenannten Keimbahn sei bei Menschen zu Recht tabuisiert, so Klebl, weil jedes Individuum ein Recht haben sollte, über technische Veränderungen seines Körpers selbst zu entscheiden.

Als begrüßenswert sollten nach Klebls Meinung CRISPR-Ansätze in der Medizin nur bei zustimmungsfähigen Erwachsenen gelten, denen Gen-Editierung als Therapie gegen eine Erkrankung angeboten werden kann. Als Beispiel für eine solche Anwendung nannte er die erste vielversprechende Studie dieser Art bei Morbus Hunter. Bei Patienten mit dieser Erbkrankheit konnte die DNA in Leberzellen mittels Genschere so geändert werden, dass die Leber ausreichende Mengen eines Enzyms herstellen kann, das sonst fehlen würde. Bei derartigen Gentherapien bleiben Ei- und Samenzellen genauso unverändert wie der Rest des Körpers.

Wer Klebls Vortrag in Nürnberg verpasst hat, hat voraussichtlich bald Gelegenheit, ihn sich als Video anzuschauen. Nicht alle, aber viele Vorträge, Lesungen und Debatten konnte Kortizes schon als Mitschnitte auf dem Youtube-Kanal des Humanistischen Salons veröffentlichen. Als besonderes Schmankerl ist letzte Woche dort auch ein Vortrag von Michael Schmidt-Salomon in München veröffentlicht worden, in dem er sein Buch "Die Grenzen der Toleranz" vorstellt. Mit einem Vortrag gleichen Inhalts hatte Schmidt-Salomon die neue Reihe "Humanistischer Salon Nürnberg" im November 2016 eröffnet.

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Am Sonntag, den 20. Januar 2019 um 11 Uhr, lädt Kortizes zum nächsten Humanistischen Salon Nürnberg. In der Rubrik "Podium der brisanten Bücher" spricht dann Dr. Dr. Susanna Berndt aus Rosenheim über "Evolution der Weltbilder – Von Illusionen zur Wirklichkeit?" Am Dienstag, 29. Januar, um 19:30 startet im Planetarium Nürnberg zudem die Kortizes- Vortragsreihe "Vom Reiz der Illusionen". Titel des Expertengesprächs mit dem Zauberkünstler und GWUP-Wissenschaftsrat Thomas Fraps: "Der Reiz des Unmöglichen – Von Fallstricken der Wahrnehmung zur Ästhetik der Illusionen".