Nach Verurteilung im Missbrauchs-Prozess

Erzbischof von Lyon kündigt Rücktritt an

Bereits der Schuldspruch kam überraschend: Ein Gericht in Lyon hatte Philippe Kardinal Barbarin, Erzbischof von Lyon, wegen Vertuschung von Missbrauchsvorwürfen zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Nun will der 68-Jährige beim Papst ein Rücktrittsgesuch einreichen. Die Staatsanwaltschaft hatte keine Verurteilung gefordert, da ein Großteil der Taten verjährt ist.

Barbarin ist der höchste katholische Würdenträger Frankreichs. Nach Ansicht des Gerichts hat er jahrelang von den Vorwürfen gegen einen Priester seines Bistums wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen gewusst, ohne die Behörden zu informieren. In Frankreich ist jeder Bürger verpflichtet, Missbrauchsverdacht anzuzeigen. Wer solche Fälle dennoch verheimlicht, muss mir drei Jahren Freiheitsstrafe oder 45 000 Euro Geldbuße rechnen.

Philippe Kardinal Barbarin, Erzbischof von Lyon, Foto: © "MEDEF - _FBU3626", Wikimedia, CC BY-SA 2.0
Philippe Kardinal Barbarin, Erzbischof von Lyon, Foto: © "MEDEF - _FBU3626", Wikimedia, CC BY-SA 2.0

Vor Gericht sagte Barbarin aus, er habe erst 2014 von den Anschuldigungen gegen den Priester Bernard Preynat erfahren, als sich ein mutmaßliches Opfer an ihn gewandt hatte. Die Informationen seien jedoch nur "vage" gewesen. "Ich sehe nichts, wofür ich schuldig sein sollte", zitiert ihn die Deutsche Welle unter Berufung auf die Zeitung La Croix. Der Urteilsverkündung war der Kardinal ferngeblieben, seine Anwälte wollen in die Berufung gehen.

Neben dem Kardinal mussten sich in dem aufsehenerregenden Prozess auch andere Kirchenmänner wegen Vertuschung verantworten: Maurice Gardes (Erzbischof von Auch), Thierry Brac de la Perrière (Bischof von Nevers) und der Priester Xavier Grillon. Zwei weitere waren der Vorladung nicht gefolgt. Kurienkardinal Luis Ladaria, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan, und sein Vorgänger Ludwig Kardinal Müller beriefen sich dabei auf ihre strafrechtliche Immunität. Der beschuldigte Priester Bernard Preynat steht demnächst in einem eigenen Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen vor Gericht.

Bereits 2016 hatte die Staatsanwaltschaft begonnen, gegen Preynat zu ermitteln. Da viele Fälle bereits verjährt waren, wurden die Ermittlungen jedoch eingestellt – eine Nachricht, die Bischof Barbarin mit den Worten "Gott sei Dank!" kommentiert hatte. Dass die Fälle nun erneut aufgerollt wurden, ist Verdienst des Opfervereins "La Parole Libérée" (etwa: "Die befreite Rede"), mitbegründet vom mutmaßlichen Missbrauchsopfer Alexandre Hezez aus Sainte-Foy-lès-Lyon.

Der ehemalige Pfadfinder Hezez hatte den Erzbischof im Juli 2014 über seine Vorwürfe gegenüber dem ihm unterstellten Priester informiert. Berichten zufolge sagte Barbarin ihm zu, den Fall umgehend im Vatikan zu melden. Als Preynat im Sommer 2015 noch immer im Amt war, schaltete Hezez die Justiz ein. Im Verlauf der Ermittlungen meldeten sich weitere mutmaßliche Opfer, die meisten ebenfalls frühere Pfadfinder. Sie gaben an, dass sich die Missbrauchsfälle zwischen 1986 und 1991 in Wochenendlagern zugetragen hätten. La Croix geht sogar von bis zu 70 minderjährigen Opfern aus, die Preynat in den 1970ern missbraucht habe.

Erklärtes Ziel des Opfervereins ist es, "eine öffentliche Debatte über das Vertuschen sexuellen Missbrauchs in der Kirche anzuzetteln". Zehn Mitglieder traten im Prozess als Nebenkläger auf.

Sogar innerhalb der katholischen Kirche findet der Opferverein Unterstützung: Nicht weniger als 110 000 Unterschriften für die Abberufung Barbarins hat der Priester Pierre Vignon für eine Petition gesammelt.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Gericht in Frankreich kirchliche Würdenträger wegen Vertuschung von sexuellem Missbrauch durch pädophile Priester schuldig spricht: Bereits 2001 wurde der Bischof von Bayeux zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, 2018 erhielt der Bischof von Orléans eine Bewährungsstrafe von acht Monaten.