Der schwedische Journalist Jan Stocklassa legt in seinem Buch "Stieg Larssons Erbe" eine Recherche zum Mord an Olof Palme vor, wobei der die Aufarbeitung des Falls durch Stieg Larsson fortsetzt. Auch wenn dies auf den ersten Blick wie die Fortsetzung eines Krimis mit Konspirationsphantasien klingt, liefert der Autor nachvollziehbare Indizien für eine Erklärung, ohne von der endgültigen Wahrheit zu sprechen.
Gefühlt erscheinen mindestens zwei Bücher jedes Jahr zum Palme-Mord in Schweden. Am 28. Februar 1986 war der schwedische Ministerpräsident Olof Palme nach einem Kino-Besuch von einem Mann auf offener Straße erschossen worden. Der Täter floh und konnte bislang nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Ein Kleinkrimineller war zwar zunächst verurteilt, dann aber auch wieder freigesprochen worden. Insofern kamen die unterschiedlichsten Konspirationsvorstellungen auf, welche mal die CIA und mal den KGB, mal die PKK und mal Südafrika, mal Rechtsextremisten und mal Waffenhändler verantwortlich machten. Die schlampigen Ermittlungen der schwedischen Polizei schürten noch entsprechende Verdächtigungen. Darüber hinaus kamen die diffusesten und merkwürdigsten Behauptungen und Zeugenaussagen auf. Insofern kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Fall vielleicht nie aufgeklärt werden wird. Doch nun gibt es eine alte wie neue Spur, welche auf einen verstorbenen Krimiautor zurückgeht.
Aber der Reihe nach: Jan Stocklassa ist ein relativ bekannter Journalist in Schweden. Er erhielt aufgrund seiner Enthüllungen über dubiose Hintergründe bei der Lieferung von Kampfflugzeugen in den Mittleren Osten einen renommierten Preis. Eher zufällig erfuhr Stocklassa, dass Stieg Larsson ein Archiv mit Recherchen zum Palme-Mord angelegt hatte. Besagter Larsson ist der verstorbene Krimi-Autor, der durch seine "Millenium"-Romane weltberühmt geworden ist. Was indessen die meisten seiner Leser nicht wissen, Larsson war auch ein ausgezeichneter Kenner der rechtsextremistischen Szene und recherchierte jahrelang zu deren Aktivitäten nicht nur in Schweden selbst. Nach dem Palme-Mord sammelte er auch zur Ermordung des Ministerpräsidenten die unterschiedlichsten Informationen, die in einem eigenen Archiv aufbewahrt, aber auch teilweise der Polizei zur Verfügung gestellt wurden. Da er aber in eine Art Sackgasse geraten war und sich die Sicherheitsbehörden um seine Vermutungen nicht kümmerten, konzentrierte sich Larsson auf andere Tätigkeiten.
Stocklassa arbeitete nun diese Informationen auf und stellte eigene Recherchen zum Palme-Mord an. Heraus gekommen ist dabei ein fast 500-seitiges Buch, das zunächst Larssons Aufarbeitung des Falls und dann auch Stocklassas Suche nach der Wahrheit beschreibt. Dabei zeichnet er akribisch die Ereignisse nach und berichtet auch von seinen Recherchemethoden. Als ein Zwischenfazit wird formuliert: "Stieg glaubte, dass der südafrikanische Geheimdienst hinter dem Mord steckte, der von einer schwedischen Gruppe ausgeführt wurde. Ich glaubte, es waren zwei oder drei schwedische Amateure" (S. 210). Dass die eine Deutung der anderen Deutung nicht zwingend widersprechen muss, wird am Ende klar. Dies läuft auf folgende Auffassung hinaus: Palme habe über Südafrikas Rolle im internationalen Waffenhandel gewusst und diese Aktivitäten des Apartheid-Regimes breiter öffentlich bekannt machen wollen. Daraufhin habe es einen Attentatsplan gegen ihn gegeben, wobei südafrikanische Geheimdienstler mit schwedischen Rechtsextremisten kooperierten.
Stocklassa ist indessen bei der genauen Schuldzuschreibung zurückhaltend. Er schreibt: "Mein Buch hat nicht den Anspruch, ein umfassendes Bild des Mordes oder der Ermittlungen zu geben" und er könne keine endgültigen Beweise dafür liefern, "dass eine der im Buch genannten Personen den Mord ausgeführt hat oder daran beteiligt gewesen ist" (S. 473 f.). Gleichwohl präsentiert der Autor bedeutsame Indizien. So erinnert er etwa in einer Auflistung daran, dass der südafrikanische Geheimdienst auch Apartheids-Gegner im Ausland ermorden ließ, was diese selbst nach dem Ende des Regimes gegenüber der "Wahrheitskommission" teilweise einräumten (vgl. S. 386–389). Auch macht Stocklassa auf die Ähnlichkeit eines polizeilichen Phantombildes mit einem möglichen rechtsextremistischen Täter aufmerksam (vgl. S. 326). Dies sind alles tatsächlich keine endgültigen Beweise, ist doch die Faktenlage kaum noch überschaubar. Er übergab die Nachforschungen auch alle der Polizei. Sie muss sich dank der Buchveröffentlichung dazu öffentlich positionieren.
Jan Stocklassa, Stieg Larssons Erbe, Berlin 2018 (Europa Verlag), 486 S., 25,00 Euro
3 Kommentare
Kommentare
Burkhard Woltersdorf am Permanenter Link
Olof Palme, Willy Brandt und Bruno Kreisky - das waren für mich sozialdemokratische Hoffnungsträger. Sie traten, jeder auf seine Art und nach seinem Verständnis, für eine gerechtere Welt ein.
Andreas Scholz am Permanenter Link
konspirationsphantasien aha. verschwörungstheorie hat sich offensichtlich abgenutzt.
für am thema interessierte sei die doku von dirk pohlman empfohlen
https://www.youtube.com/watch?v=r98lEzIlp8k
nach pohlmann war olof palme auf entspannungskurs mit den sowjets unterwegs, was von den eigenen militärs hintertrieben wurde. so gab es angeblich sichtungen von ubooten in schwedischen hoheitsgewässern die den sowjets angelastet wurden, wirklich aber nato uboote waren. italienische glaub ich.
die doku von pohlmann gab es 2015 bei arte.
Jürgen Roth am Permanenter Link
Dieses Attentat, der miserable Personenschutz und die ergebnislosen Ermittlungen zeigen, das der Abwehranspruch gegen den Staat nicht zu dessen Lähmung führen darf.