Als "Rückschritt in vergangen geglaubte, totalitäre Zeiten" bezeichnet Dr. Christian Fiala vom Gynmed Ambulatorium die aktuelle Diskussion von Teilen der österreichischen Regierung, die Fristenlösung einzuschränken und die embryopathische Indikation zu verbieten.
"Frauen und Paare, die sich aufgrund einer schweren embryonalen Fehlbildung für einen Spätabbruch entscheiden, machen dies nach reiflicher Überlegung, weil sie sich nicht in der Lage sehen, ein Kind mit schweren Behinderungen verantwortungsvoll ins Leben zu begleiten", sagte Dr. Christian Fiala. "Diese Frauen mit einem Gebärzwang zu belegen, löst die Probleme nicht und erinnert an die autoritären Zeiten der Monarchie und der Diktatur."
Deutsche Daten zeigen, dass der nun in Österreich diskutierte Gebärzwang enorm negative Auswirkungen hätte. In Deutschland wurde im Jahr 1995 die embryopathische Indikation ersatzlos gestrichen, was zu einem leichten Rückgang an Spätabbrüchen führte. Dafür stieg die Zahl der frühen Abbrüche in den Folgejahren um mehr als das 4-fache des Rückgangs an Spätabbrüchen an, weil viele Frauen bereits beim ersten Verdacht einer Fehlbildung 'sicherheitshalber' einen Abbruch durchführen, solange dies straffrei möglich ist.
Diese Daten stehen im Gegensatz zur Behauptung der Initiatoren von "Fair ändern". In Deutschland gibt es trotz der Streichung der embryopathischen Indikation weiterhin Spätabbrüche wegen schwerer Fehlbildungen, allerdings werden diese nun offiziell wegen Gefährdung der psychischen Gesundheit der schwangeren Frau durchgeführt. Wegen der bestehenden Restriktionen fährt jede 5. Frau aus Deutschland zu einem Spätabbruch nach Holland.
"Es stellt sich dabei ja die Frage, inwieweit wir ÄrztInnen Frauen de facto zwingen sollen, ungewollte Schwangerschaften auszutragen, noch dazu, wenn eine schwere Fehlbildung vorliegt und die betroffene Frau beziehungsweise das Paar sich nicht in der Lage sieht, verantwortungsvoll für das Kind zu sorgen", so Fiala weiter. Fraglich sei auch, inwieweit die Fachkräfte oder die Politik besser geeignet sind als die schwangere Frau, nicht nur das Recht auf Leben eines Kindes zu beurteilen, sondern vor allem die zukünftige Versorgung dieses Kindes für die folgenden Jahrzehnte zu gewährleisten.
Das Leben mit Kindern mit schweren Beeinträchtigungen ist eine besondere Herausforderung und Belastung für Eltern. Nur deshalb beenden sie die Schwangerschaft nach einer entsprechenden Pränataldiagnose. "Besonders deutlich wird dies von Frauen formuliert, die bereits ein Kind mit schweren Beeinträchtigungen haben und lieben, die sich aber aus der konkreten Erfahrung nicht in der Lage sehen, die Verantwortung für ein weiteres Kind mit derartigen Beeinträchtigung zu übernehmen", so Fiala.
Restriktionen führen nicht zu mehr Geburten, sondern zu mehr Abreibungen: Es gibt bereits jetzt einen "Abtreibungstourismus", weil Frauen, die in Österreich abgewiesen werden, gezwungen sind, ins Ausland zu fahren. Jedes Jahr fahren etwa 100–200 Frauen nach Holland.
"In Österreich interessiert sich niemand dafür, wie es den Frauen/Paaren und auch den Kindern geht, wenn ihnen ein Abbruch verweigert wurde. Die Erfahrung aus Deutschland zeigt, dass es zu einer deutlichen Zunahme von Abtreibungen im Rahmen der Fristenlösung auf Verdacht hin kommen wird, wenn die embryopathische Indikation fällt", so Fiala. Ferner zeige die Erfahrung und Studien, dass Frauen, denen ein Abbruch verweigert wurde, häufiger von ihrem Partner verlassen werden, häufiger in die Armut abgleiten und einen schlechteren Gesundheitszustand haben als Frauen, die einen Abbruch durchführen ließen.
5 Kommentare
Kommentare
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Die Behauptung, "dass sich in Österreich niemand dafür interessiert, wie es den Frauen/Paaren und auch den Kindern geht, wenn ihnen ein Abbruch verweigert wurde ist steil".
Aufgrund Ihres nunmehrigen Beitrags zum Thema, werde ich an die hpd-Redaktion meine Vorlage an Der Standard in Kopie zusenden. Ich werde dabei ersuchen, falls dies presserechtlich möglich ist, meinen Leserbrief auch unter Internationales parallel zu veröffentlichen.
Unter anderem enthielt mein Ersuchen an Standard nachstehende Vorbemerkung:
"Inhalt, Ziel und Vorbemerkungen zum Beitrag.
Gegensteuerung zur Forderung der Bürgerinitiative, die Anwendung der derzeitig gesetzlich zugelassenen Spätabreibung von Schwangerschaften zu verbieten.
Dabei gibt es weltanschauliche und medizinische Fragestellungen, die kontroversiell bewertet werden. Darüber hinaus widerspricht die derzeitige österreichische Gesetzeslage Artikel 10 UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Österreich wurde bereits mehrmals aufgefordert, dies zu ändern.
So empfiehlt das Komitee „dem Vertragsstaat, jegliche Unterscheidung des Zeitrahmens, in dem ein Schwangerschaftsabbruch nach dem Gesetz ausschließlich aufgrund von Behinderung möglich ist, abzuschaffen.“ (BIZEPS: Übersetzung der Handlungsempfehlungen der UN-Staatenprüfung Österreichs)
Das beinhaltet das generelle Verbot der medizinischen Indikation. Was für Österreich gilt, muss zwangsweise auch für alle anderen Signatarstaaten gelten. Das würde be-deuten, dass in der ganzen Europäischen Union die medizinische Indikation verboten wird. Diese Lawine möchte ich aber nicht lostreten, weil sie von den einzelnen Signatarstaaten aufgegriffen und behandelt werden muss. […]
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
http://www.giordano-bruno-stiftung.at und suchen Sie bitten den
Diskussionsvorschlag „Bürgerinitiative #FAIRÄNDERN" Vielleicht kann mir jemand helfen, den Link fehlerlos darzustellen. Danke
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Sehr geehrte Herrn Jakob Purkarthofer Und Fiala!
Hier eine Auswahl von Stellungnahmen und Leserkommentaren:
https://vorarlberg.orf.at/news/stories/2964937/
Kommentar Vanessa Gaigg: Heuchlerische Diskussion
Breites Bündnis für Recht auf Abtreibung
https://kurier.at/politik/inland/schwer-behinderte-foeten-spaetabtreibung-auf-dem-pruefstand/400404956
https://kurier.at/politik/inland/spaetabtreibung-breites-buendis-gegen-einschraenkung/400408634
https://derstandard.at/2000098568727/Spaetabbrueche-Unterstuetzung-statt-Verbot
Wenn Sie sich ein wenig umsehen, werden Sie noch mehr Kommentare sehen.
Mein Problem ist, dass keine atheistischen Vereinigungen oder sich als Atheisten bekennende Einzelpersonen Kommentare abgegeben haben. Auch keine unterstützenden deutschen Beiträge sind erfolgt. Kränkend und ärgerlich ist, dass unser dringendes österreichisches Problem nicht unter der Rubrik Internationales erschienen ist, sondern über und aus deutscher Sicht geschrieben wurde.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Sehr geehrte Herrn Dr. Jakob Purkarthofer Und und Dr.Christian Fiala!
Ich habe zum Problem Spätabtreibung Das Flugblatt
"Protest: Die Spätabtreibung darf nicht verboten werden!"
Sollten Sie oder andere Leser dieses Kommentars am Originaltext des Flugblatts interessiert sein, bitte um Nachricht an emmerich.lakatha@chello.at
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Ergänzend zu meinem Beitrag „Spätabtreibung darf nicht verboten werden verweise ich auf die nunmehr laufende Petition #Keinen Millimeter https://mein.aufstehn.at/petitions/keinenmillimeter