Humanistische Union fordert Bundestag zur Abstimmung über Aufhebung des § 219a StGB auf

Überholtes Informationsverbot zum Schwangerschaftsabbruch endlich abschaffen

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Aus Protest gegen die weitere Verschleppung einer Aufhebung des § 219a Strafgesetzbuch (StGB) und als praktische Hilfestellung für Frauen, die sich über Schwangerschaftsabbrüche informieren wollen, veröffentlicht die Humanistische Union ab sofort auf ihrer Webseite Kontaktdaten von ÄrztInnen und Kliniken, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen.

Dafür hat die Bürgerrechtsorganisation die Adressen von Kliniken bzw. Praxen aus Hamburg und Schleswig-Holstein recherchiert, weitere Bundesländer sollen folgen. "Besonders in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein wird es für Frauen, die einen der immer weniger werdenden ÄrztInnen für Schwangerschaftsabbrüche suchen, immer schwieriger", so der Frauenarzt Dr. Schöttler.

Das "Werbeverbot" für Schwangerschaftsabbrüche aus § 219a StGB werde vor allem von sogenannten Lebenschützern genutzt, um ÄrztInnen zu kriminalisieren und die informationssuchenden Frauen zu gängeln. "Es kann nicht sein, dass die einzigen in Deutschland öffentlich zugänglichen Ärztelisten auf den Internetseiten der sogenannten Lebensschützer zu finden sind, wo diese ÄrztInnen an den Pranger gestellt werden, wo allein auf Abschreckung gesetzt wird und die Frauen keine wertfreien Informationen etwa über die jeweils angebotenen Abbruchmethoden finden", kritisiert Dr. Schöttler. Eine Einschränkung des freien Informationszugangs über Angebote zum Schwangerschaftsabbruch sei im Zeitalter des Internets nicht mehr zeitgemäß, der § 219a StGB historisch überholt.

Das Verbot aus § 219a StGB erfasst weit mehr als das, was allgemein unter Werbung verstanden wird. Es stellt unter Strafe, wenn jemand "seines Vermögensvorteils wegen (...) Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs (...) anbietet" bzw. ankündigt. Ärztinnen und Ärzte machen sich nach gängiger Rechtsprechung bereits strafbar, wenn sie auf ihrer Webseite neutral und sachlich bekanntgeben, dass sie Abbrüche überhaupt anbieten (weil sie damit Geld verdienen). So wurde die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel im November 2017 vom Gießener Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Die Zahl der Anzeigen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen den § 219a ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Das zunehmend restriktive Klima führt dazu, dass einzelne Beratungsstellen und Ärzte von sog. "Lebensschützern" belästigt werden und immer weniger ÄrztInnen bzw. Kliniken bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Schöttler weist darauf hin, dass sich in Städten wie Trier heute keine Arztpraxis mehr finde, die Abbrüche vornimmt.

Die Humanistische Union unterstützt die Forderung nach einer Abschaffung des § 219a StGB, wie sie auch in drei dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfen erhoben wird. Ein Verbot von offensiver Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist nach Überzeugung der Bürgerrechtsorganisation wirksam mit dem ärztlichen Standesrecht durchsetzbar. Für das freie Informationsrecht von Frauen über Schwangerschaftsabbrüche setzten sich über 155.000 UnterstützerInnen einer Petition auf change.org ein, ebenso wie ein breites Bündnis von Wohlfahrts- und Sozialverbänden, Gewerkschaften, Parteien und NGOs, die sich mit einem Offenen Brief an die Bundeskanzlerin, die zuständigen BundesministerInnen und Fraktionsvorsitzenden der Koalition gewandt haben.