TRIER. (hpd) Die beiden Psychologinnen Karin Weyer und Susanne Stroppel schildern ihre Auseinandersetzung mit einem katholischen Kindergarten und kritisieren die dort stattfindende religiöse Indoktrination.
Unsere Kinder gehen in einen katholischen Kindergarten. Er ist der einzige in unserem Wohngebiet. Es ist uns sehr wichtig, dass unsere Kinder in ihrem nahen Umfeld Freunde gewinnen können, die sie später auch Mal alleine besuchen können. Dass der Kindergarten in katholischer Trägerschaft ist, bedeutet für uns ein Kompromiss, den wir eingegangen sind.
Was aber an Indoktrination ab dem dritten Lebensjahr dort passiert, ist – gelinde gesagt – eine Frechheit. Ein großer Teil der Elternschaft ist nicht- oder andersgläubig. Von allen Zielen der Einrichtung ist die religiöse Erziehung den Eltern laut einer Befragung am unwichtigsten.
Wir hatten uns naiverweise vorgestellt, dass im Kindergarten Werte wie Nächstenliebe, Respekt und Menschlichkeit vorgelebt würden. So ist es leider nicht.
Vor zwei Jahren kam unser Sohn, damals vier Jahre alt, nach Hause und es entstand folgender Dialog:
Unser Sohn: "Gell, Findus (unsere Katze) darf man nicht ans Kreuz nageln."
Wir erschrocken: "Nein!"
Unser Sohn: "Nur Jesus?"
Wir etwas überfordert: "Hm."
Unser Sohn sehr kompetent und die Situation rettend: "Gell, solche Geschichten darf man sich nicht ausdenken… nur schöne."
Wir erleichtert: "Ja!"
Das Kreuzigen war früher eine Hinrichtungs- und Foltermethode. Es sind schlimme Vorstellungen, heftige Bilder, die damit in die Köpfe von Kindern gepflanzt werden. Bilder können Kinder überfordern. Es ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit, dass wir Kindern keine Horrorgeschichten vorlesen und dass wir sie auch vor Bildern schützen, die Mord, Totschlag, Krieg und Folter zeigen, geschweige denn verherrlichen oder banalisieren.
Es gibt gute Gründe, warum wir unsere Kinder nicht mit Folter und Hinrichtungen konfrontieren, obwohl es in unserem Bekanntenkreis Menschen gibt, die Folter erleben mussten. Wir lesen ihnen auch keine Bücher über diese Themen vor. Dass unser Sohn nun genau in einem katholischen Kindergarten damit konfrontiert wird, ist erschreckend genug. Noch schlimmer aber ist die Botschaft, dass dies angeblich in Ordnung ist.
Bei einem Gespräch im Kindergarten wurde uns folgendes erklärt: Da unser Sohn nicht jeden Tag ganztägig den Kindergarten besucht und somit nicht an allen religiösen Aktivitäten teilnimmt, hätte er die frohe Botschaft der Auferstehung leider nicht mitbekommen. Somit wird uns die Verantwortung in die Schuhe geschoben, dass der Kindergarten Folter und Tötung zum Thema macht.
Dieses Jahr fanden wir ein Bild, welches sehr explizit den ans Kreuz genagelten Jesus zeigt. Hammer und Nagel sind gut sichtbar, auch wenn das Bild stilistisch verniedlicht wurde. Unter dem Bild steht der Text: “Wenn wir ohne Nachzudenken mitmachen, wenn andere jemandem wehtun, dann sind wir wie die Soldaten, die Jesus ans Kreuz nageln, weil es ihnen befohlen wurde.” Wenn also ein Kind im Alter zwischen drei und sieben Jahren dabei mitmacht, einem anderen Kind wehzutun, dann ist das gleichzusetzen mit Tötung auf Befehl. Hallo? Zwischen einem Kinderstreit, auch mit Hänseln, Stoßen und Schlagen und einem Henker besteht wohl noch ein gigantischer Unterschied!
Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass verletzendes Mitmachen und Hänseln nicht in Ordnung sind. Dass Foltern und Töten aber nun wirklich nicht in die gleiche Kategorie gehören, müsste jedoch ebenso selbstverständlich sein. Was soll hier eigentlich vermittelt werden? Sicher nicht nur das Leben und Leiden eines Mannes vor über 2000 Jahren. Denn das hat rein gar nichts mit den Kindern von heute zu tun. Bei uns ist die Todesstrafe abgeschafft und Folter nicht erlaubt. Den Menschen, die dafür gekämpft haben, sei Dank.
20 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Das ist die Gefahr, in die man sein Kind begibt, wenn man es in einen katholischen Kindergarten schickt.
Der Kernpunkt ist, dass an religiösen Wahnvorstellungen Leidende diese Botschaft des gekreuzigten Jesus als positiv bewerten. In ihrer Welt hat Gott der gesamten Menschheit die Erbsünde auferlegt (die allerdings zur Zeit Jesu unbekannt war, da das Judentum die Erbsünde nicht kennt), die Gott gerne von der Menschheit wieder nehmen wollte, doch dazu musste es ein Menschenopfer geben, wie in den guten alten Zeiten. Gott war hocherfreut, in Maria eine jungfräuliche Leihmutter für seinen Spross gefunden zu haben, die er schwängerte und ihr künftig das Fremdgehen - selbst mit dem eigenen Mann - untersagte. Als der Erstgeborene alt genug war, ließ ihn Gott durch römische Erfüllungsgehilfen brutal foltern, bestialisch hinrichten, qualvoll verdursten und am Kreuz verrecken. Jetzt erst war der liebe Gott zufrieden und schaffte es, die Erbsünde (die ca. 100 bis 200 Jahre später erfunden wurde) von den Menschen zu nehmen, allerdings nur von jenen, die seinen auferstandenen Zombiesohn anerkannten - und regelmäßig von seinem Fleisch und Blut kosteten.
Da dies in summa eine frohe Botschaft sein soll (der Jesus-Anerkenner ist ja nun erlöst!), sehen die religiösen Wahnvorstellungen Verfallene nicht, WAS hier eigentlich als vorbildlich hingestellt wird. Dies zeigt mir deutlich, wie schädlich die Gehirnwäsche in katholischen Kitas ist, denn hier wird eine Leidensphilosophie propagiert, die als Selbstverleugnung und devoter Unterordnung unter einen Übervater kaum zu überbieten ist. Diese Inhalte sind gar nicht "kindgerecht" zu vermitteln. Sie sind in ihrem Kern schrecklich, verängstigend und zeugen von der schwarzen Pädagogik vergangener Jahrhunderte. Dies haben wir gesellschaftlich überwunden und deshalb müssen alle Kinder davor geschützt werden.
Selbst Aufklärung über die furchtbare Religionsgeschichte würde ich Kindern vor dem 12. oder 14. Lebensjahr nicht zumuten wollen. Aber bis dahin gehört jede Religion aus Familie, Kita und Schule ausgesperrt.
Wir können heute Ethik und Pädagogik viel besser, als zu Zeiten der Menschenschlächter.
René am Permanenter Link
Bernd, Du solltest mal Bibelgeschichten neu schreiben und als Kurzgeschichtenbuch veröffentlichen. Diese Darstellung des Erbsündenfalls ist einfach zu lustig. :o)
Rainer Bolz am Permanenter Link
Dann wird es ja langsam Zeit, dem Sohn - Wo bitte geht's zu Gott? Fragte das kleine Ferkel - von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke vorzulesen bzw.
Kinder lernen schnell: Der Gottesglaube auf dem Globus ist fauler Zauber; Hokuspokus.
Rabbis, Muftis und auch Pfaffen sind wie wir, nur "nackte Affen" bloß, dass sie "Gespenster" sehn und in lustigen Gewändern gehn.
David am Permanenter Link
Das genannte Kinderbuch kann ich ebenfalls nur empfehlen.
Sylvia am Permanenter Link
Auch von mir volle Zustimmung zu diesem Buch!!!!
Ebenso zu empfehlen: Susi Neunmalklug erklärt die Evolution
Joachim Datko am Permanenter Link
Indoktrination von klein auf ist wohl das ausschlaggebende Erfolgsrezept der Religionen. Die abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam sind üble Diebe des Selbstbestimmungsrechts.
Religionsgemeinschaften sind nicht geeignet, Kindergärten zu betreiben.
Allerdings haben heutzutage die Religionen in modernen Gesellschaften keine Chance gegen die MINT-Fächer in der Schule und gegen die Medien, wie z.B. das Internet.
Die beiden großen Kirchensteuerkirchen kollabieren regelrecht. So hat die evangelische Kirchensteuerkirche nach meiner Hochrechnung 2014 ungefähr 420.000 Mitglieder verloren. Von den verbliebenen evangelischen Christen gehen am Sonntag unter 3,4% in die Kirche, von den Katholiken ungefähr 10%.
Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de
Ulrich Bock am Permanenter Link
Ich bin seit Jahren säkularer Humanist und davor aus der katholischen Kirche ausgetreten. Mit waren als Kind all diese Dinge unheimlich. Mit 6 Jahren erfuhr ich, dass die Juden die Gottesmörder gewesen sein sollen.
David am Permanenter Link
"Was soll hier eigentlich vermittelt werden?"
Angst- und Schuldgefühle. Die Basis der drei Abrahamitischen Religionen, damals wie heute.
Ilse am Permanenter Link
Beste Gelegenheit, endlich einen alternativen KiGa in der Gegend zu gründen. Mit einem geeigneten bestehenden Träger oder in Eigeninitiative wie früher die Kinderläden.
hans am Permanenter Link
hallo,
elternini reicht nicht. am besten einen geeigneten träger suchen der schon anerkannter träger der freien jugendhilfe ist. das ist wichtig, um die pauschalen vom jugendamt und der kommune zu bekommen. sonst startet die kita als private einrichtung ohne öffentliche gelder. das bedeutet hohe elternbeiträge. wenn es keinen geeigneten träger gibt - wird s langwierig. verein gründen und 3 jahre lang freiwillig kinder und jugendarbeit anbieten. hausaufgabenhilfe, betreuungen, jugendklub egal hauptsache 3 jahre kinder und jugendarbeit gemacht = aufnahme in den kreis der anerkannten träger der kinder und jugendhilfe. dann zur kommune und wenn es bedarf gibt - und davon ist auszugehen wenn es in der umgebung tagesmütter gibt- dann gehts los. mit pech, so wie bei uns, start ohne investitionszulage der kommune, aber mit spenden und eigenmitteln ist das auch machbar, wenn es um umgebaute bauwagen geht. ein festes haus wird schon schwieriger.
und ab der eröffnung rollen dann die öffentlichen gelder zum betrieb. das ist dann gesetzlich geregelt und die pauschalen sind üppig genug um damit anständige arbeit abzuliefern und alle beteiligten entsprechend geltender tarifverträge zu bezahlen.
www.kita-zwischen-bäumen.de oder www.betterplace.org/p21829
Hans Trutnau am Permanenter Link
Religiöse KiTas gehören umgehend abgeschafft bzw. umgewidmet in (was sie ohnehin sind) staatliche KiTas.
Tom am Permanenter Link
Der Artikel zeigt genau das Dilemma, vor dem auch ich stehe. Mein kleiner kommt in den Kindergarten, einen evangelischen. Leider. Aber alle Nachbarskinder und spätere Schulfreunde gehen da hin, er ist um's Eck.
Wir brauchen endlich eine religionsfreie Erziehung, überall. Aber Caritas und Diakonie sitzen wie die Zecken überall, man entkommt ihnen, zumindest auf dem Lande, nicht.
hans am Permanenter Link
Dann wird es Zeit einen Kindergarten zu eröffnen und eine Alternative anzubieten. Das ist nicht so kompliziert. Steck gerade in den letzten Vorbereitung für unseren Waldkindergarten.
Rainer am Permanenter Link
Das Interresse an säkularen Kindergärten wird von Jahr zu Jahr beliebter. Die Erfahrungen hierzu sollten unbedingt auf HPD veröffentlicht werden.
Weiterhin viel Erfolg Hans.
omnibus56 am Permanenter Link
Ich würde den Schluss so formulieren:
OT: Ein Blick in die Verträge von Lissabon schärft den Blick dafür, dass der Kampf gegen die Todesstrafe (und auch gegen Folter) nie endgültig gewonnen ist! Humanistische Errungenschaften sind (wie Demokratie) keine Selbstverständlichkeit sondern müssen stets aufs Neue verteidigt werden.
AK Gleske am Permanenter Link
Für einen kurzen Moment war ich doch tatsächlich versucht, anzunehmen, dass es sich bei diesem Artikel um Satire handelt...
Werte Eltern, wenn Ihr Kind im Rugby-Club ist und Ihnen das zu brutal ist, würden Sie dann auch versuchen, diesen in einen Häkelverein umzuwidmen?
Oder würden Sie, wenn der Rugbyverein der einzige Verein in ihrem Ort wäre und Sie dieses Spiel ablehnen, Ihr Kind dennoch dorthin schicken? Weil alle anderen Kinder auch dorthin gehen?
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Nichts kapiert! Folter und Tod sind auch heute noch aktuell. Nicht in unserem Land, aber anderswo.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich kapier's auch nicht! Ist Ihr Kommentar jetzt auf makabre Weise lustig gemeint? "Die Botschaft vom Kreuz ist eine frohe Botschaft..." Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?
Wenn Herr Meier seinen Sohn umbringt, weil er seine Nachbarn hasst, und diesen dann stückchenwese an die Nachbarn verfüttert, wobei Herr Meier den Nachbarn vergibt und diese den Sohn für sein unfreiwillige Opfer fröhlich feiern - bei einem Schlückchen seines Blutes - ist das dann wirklich GUT oder gar KINDGERECHT? Wie soll man das denn Kindern vermitteln, ohne dass sie Alpträume bekommen?
Wäre Religion wirklich fröhlich und den Menschen zugewandt, dann wäre der Widerstand sicher erheblich milder. Aber die Aufgabe, die Horrorbilder Kindern zu vermitteln und zur "Aufgabe aller, die ihre Kinder in einen katholischen Kindergarten schicken" zu erklären, ist extrem kurzsichtig gedacht. Das kann niemand leisten.
D. Pavlovic am Permanenter Link
Folgende Anekdote dazu: Mein Bruder, es war Anfang der 70er Jahre sollte in Frankfurt-Hoechst zum ersten Mal in den Kindergarten. In der Nähe gab es nur einen katholischen Kindergarten.
Christina Molitor am Permanenter Link
All diese Beiträge sind wirklich äußerst interessant.
Vor allem da in Luxemburg HEIß diskutiert wird, wie es mit dem landesweiten Religionsunterricht in allen Grundschulen weitergehen soll.