Säkulare Buskampagne 2019 - Tag 2: Berlin

Angst vor dem Wort "Islam"

Das Unternehmen, das die Buskampagnen-Motive mit fahrbaren Werbeflächen durch die Straßen von Berlin transportierte, manipulierte die Grafiken in vorauseilendem Gehorsam. Nach entsprechenden Interventionen konnte das Motiv am zweiten Tag der Buskampagne aber wieder wie geplant gezeigt werden. Außerdem gab es eine Stadtrundfahrt der besonderen Art: Auf säkularen Spuren ging es durch die Hauptstadt.

Säkulare Buskampagne 2019

Die vier Kampagnenmotive mit den SMS-Botschaften waren in den ersten Tagen nicht nur auf Bus und Begleitfahrzeug zu sehen, sondern fuhren auch auf Werbefahrzeugen durch Berlin. Eines davon zeigt Kholoud Bariedah, Autorin des Buches "Keine Tränen für Allah", die folgende Nachricht in ihr Handy tippt: "Lieber Islam, danke, dass du dich immer sehr um mich bemüht hast. Aber ich finde, du bist einfach zu alt für mich." Das war dem Chef der PR-Car-Firma zu heikel. Eigenmächtig überklebte er das Wort "Islam" mit weißem Klebeband und schrieb handschriftlich mit schwarzem Stift das Wort "Gott" darauf.

Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), die die Kampagne organisiert hat, war empört: "Natürlich muss der Islam ebenso kritisiert werden können wie jede andere Religion. Die Überklebung des Wortes 'Islam' durch das Wort 'Gott' ist für uns nicht hinnehmbar – zumal das auch noch als indirekter Gottesbeweis verstanden werden könnte. Tatsächlich hat sich ja 'Gott' niemals um die Menschen 'bemüht', sondern nur jene, die meinen, im Namen dieser Phantasiegestalt handeln zu können." Auch die Anspielung, dass es sich bei "Islam" auch um einen männlichen Vornamen handeln kann, fällt so völlig unter den Tisch.

Peder Iblher, Gestalter der Plakatmotive, intervenierte. Offenbar hatte der Firmenchef schlechte Erfahrungen mit Parteiwerbung gemacht, die mutmaßlich den Islam thematisierte. Gegenüber dem hpd wollte er sich nicht äußern. Der Fahrer des Wagens betonte, er hätte kein Problem mit dem Wort "Islam", sein Chef hätte auf die Änderung bestanden und sie auch eigenhändig vorgenommen – ohne Rücksprache mit seinem Kunden, der Säkularen Buskampagne. Am Sonntag war nun das "Islam-Motiv" wieder in ursprünglicher Form in der Hauptstadt zu sehen.

Das Grab von Agnes Wabnitz, Foto: © M. Steinhaus
Das Grab von Agnes Wabnitz, Foto: © M. Steinhaus 

Der Kampagnen-Bus war an diesem Tag vor der Kulisse des Brandenburger Tors auf dem Pariser Platz zu bewundern. Als Programm stand eine ganz besondere Stadtrundfahrt auf dem "Busfahrplan", der an der "Haltestellen-Blume" angebracht ist: "Spuren der säkularen Bewegung in Berlin". Geleitet wurde sie von Michael Schmidt vom Humanistischen Verband (HVD) Berlin-Brandenburg. Er sprach über die Entwicklung des Vereins aus der Freidenkerbewegung und führte seine Gäste zu einem speziellen Ort in der Hauptstadt: Den ehemaligen Friedhof der Freireligiösen Gemeinde Berlin mitten im Prenzlauer Berg. Hier besichtigten die Teilnehmer unter anderem das Grab von Agnes Wabnitz, die sich im Alter von 52 Jahren für einen Suizid entschied, just an dem Tag, als sie (erneut) eine Haftstrafe im Berliner Frauengefängnis hätte antreten sollen. Ihr Verbrechen: Majestäts- und Gottesbeleidigung. Sie sprach auf Versammlungen, obwohl Frauen zu dieser Zeit nicht einmal die Teilnahme gestattet war. Zu ihrer Beerdigung erschienen laut damaligen Presseberichten mehr als 60.000 Menschen, die mehr Kränze niederlegten als zur Beerdigung von Kaiser Wilhelm I. Der Spruch über dem Tor zum ehemaligen Friedhof dürfte auch den Freigeistern von heute aus der nicht vorhandenen Seele sprechen: "Schafft hier das Leben gut und schön, kein Jenseits ist, kein Aufersteh'n."

Beispielbild
Freigeistiger Spruch über dem ehemaligen Friedhofsportal. Foto: © Maximilian Steinhaus


Der hpd ist Medienpartner der Säkularen Buskampagne 2019 und berichtet über alle Tage der Tour des Busses durch Deutschland.