Am 13. Juni 2019 hat Jan Böhmermann in seinem "Neo Magazin Royale" das Thema Homöopathie nicht nur aufgegriffen, sondern – überraschend – zum Hauptthema der Sendung gemacht. Ausgelöst wurde sein Interesse am Thema offensichtlich von dem Abmahnungsversuch der Firma Hevert Arzneimittel, mit der der Homöopathiekritikerin Dr. Natalie Grams eine Unterlassungserklärung abverlangt wurde, sie möge ich der Öffentlichkeit nicht mehr äußern, "Homöopathie habe keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus".
Natalie Grams hat erklärt, dass sie selbstverständlich keine solche Erklärung abgeben werde; erstens könne niemand verlangen, dass sie den Stand der Wissenschaft nicht öffentlich wiedergebe und zweitens hat ihre Kritik niemals direkt oder indirekt die Firma Hevert erwähnt. Böhmermanns daran anknüpfende Kritik der Homöopathie war ebenso furios wie sachkundig und der bisherige Höhepunkt dessen, was der Abmahnungsversuch gegenüber Dr. Grams bisher an Reaktionen ausgelöst hat.
Das Informationsnetzwerk Homöopathie (IHN) wertet den Umstand, dass die Homöopathie inzwischen – teils auch schon vor Jan Böhmermann – Gegenstand von Satire geworden ist, als eines unter mehreren Indizien dafür, dass das öffentliche Ansehen der Methode im Schwinden begriffen ist. Da eben dieses öffentliche Ansehen durch den gesetzlichen Schutzzaun des sogenannten Binnenkonsens des Arzneimittelgesetzes aufrechterhalten wurde, liegt nach Ansicht des INH hier der Kern des Problems. Es hat sich hierzu mit dem nachfolgend auch hier veröffentlichten Offenen Brief vom 14. Juni 2019 direkt an den Bundesminister für Gesundheit gewandt:
Sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn,
als Informationsnetzwerk Homöopathie tragen wir seit 2016 zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die Hintergründe der Homöopathie bei und haben dabei auch den sogenannten "Binnenkonsens" des Arzneimittelgesetzes im Fokus.
Am gestrigen Abend durften wir im Deutschen Fernsehen erleben, wie die Homöopathie zum Gegenstand von prominenter Satire wurde. Mehr als 20 Minuten lang brannte Jan Böhmermann in seinem "Neo Magazin Royale" ein Feuerwerk zum Thema ab, das – wie alle gute Satire – nichts anderes präsentierte als die Fakten. Wir werten dies als deutliches Zeichen dafür, dass die öffentliche Reputation der Homöopathie, nicht zuletzt jahrzehntelang durch den Binnenkonsens gestützt, massiv erodiert. Mehr und mehr Menschen sehen eine nicht nur medizinfachliche, sondern auch intellektuelle Zumutung darin, dass Homöopathie für eine wirksame medizinische Methode ausgegeben wird und empfinden dies als unhaltbaren Anachronismus.
Die Konstruktion des sogenannten Binnenkonsens im Paragrafen 38 des AMG stellt nichts weniger dar als die partielle Verkehrung des Sinns des AMG in sein völliges Gegenteil: Statt intersubjektive wissenschaftliche Maßstäbe an alles, was "Arzneimittel" sein will anzulegen, schafft er unter ausdrücklichem Verzicht auf Wirkungsnachweise einen nicht nachvollziehbaren Schutzraum für Mittel "besonderer Therapierichtungen" – ein "Schwarzes Loch" im Arzneimittelrecht.
Die fehlende Intersubjektivität darin ist offensichtlich: Niemand kann nach objektiven Maßstäben die Heilsversprechen der Homöopathie (oder auch der Anthroposophie) nachvollziehen. Nach über 200 Jahren bleibt es bei Behauptungen, die niemals nach intersubjektiven Kriterien irgendwie verifiziert werden konnten. Dies ist der unbestreitbare Stand der Wissenschaft, dem die Gesetzeslage unsinnigerweise widerstreitet und die interessierten Kreisen als Scheinbegründung ihrer unhaltbaren Positionen dient.
Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber dazu nicht länger eine scheinbare Legitimation liefert und den Binnenkonsens des AMG revidiert. Im richtigen Verständnis gibt es nur eine Medizin: Diejenige, die wirkt. Diejenige, die die Frage "Wo ist der Beweis?" wissenschaftlich beantworten kann. Daneben braucht es weder Alternatives, noch Komplementäres, noch Integratives. Die Scheidegrenze zwischen Medizin und Nicht-Medizin ist die nach wissenschaftlichen Maßstäben nachgewiesene Wirksamkeit. Die Homöopathie bleibt seit über 200 Jahren jenseits dieser Scheidegrenze und kann sich auf nicht mehr berufen als auf eine gesetzliche Fiktion.
Wir hegen an Ihrer persönlichen Haltung zum Problem keinen Zweifel und sind angesichts der Tatkraft, die Sie bislang in Ihrem Amt bewiesen haben, überzeugt, dass unser Anliegen bei Ihnen in guten Händen ist. Geben Sie angesichts der geschilderten Umstände und der aktuellen Entwicklung die politische Zurückhaltung auf, die den Binnenkonsens bislang unangetastet gelassen hat! Werden Sie mit der Reputation und Autorität des unabhängigen Fachministers aktiv und ergreifen Sie die Initiative, dem unsäglichen Anachronismus des Binnenkonsens ein Ende zu machen und alle Mittel, die als Arzneimittel einen Marktzugang erlangen wollen, den gleichen Regeln zu unterwerfen. Eine sachlich unhaltbare gesetzliche Fiktion sollte nicht länger Basis von Irrtümern und Fehlinformationen über die Homöopathie sein und auch nicht mehr dazu dienen können, den Stand der Wissenschaft und diejenigen zu diskreditieren, die ihn öffentlich vertreten. In Gesetzesform gegossene Partikularinteressen sollten der Vergangenheit angehören, vor allem dann, wenn sie den Fakten widerstreiten.
Wir stehen Ihnen jederzeit mit unserer Expertise in jeder Ihnen genehmen Form zur Verfügung.
Hochachtungsvoll
Für das Informationsnetzwerk Homöopathie
Dr. med. Natalie Grams (Leiterin / Sprecherin)
Dr. med. Christian W. Lübbers (Sprecher)
Dr. Ing. Norbert Aust (Sprecher)
17 Kommentare
Kommentare
Colin Goldner am Permanenter Link
Wie ich schon Jan Böhmermann und seiner Redaktion mitgeteilt habe, ist es zwar zutreffend, dass homöopathische Präparate keine überplaceboide Wirkung haben (und auch nicht haben können, da sie keinerlei arzneiliche Wi
Die pauschale Aussage "Homöopathie wirkt nicht überplaceboid" ist deshalb falsch (und damit einklagbar), wenn sie nicht darauf hinweist, dass damit nur "Hochpotenzen" über D12 gemeint sind, nicht aber welche unter D12.
Besonders problematisch ist das mit Blick auf das von Böhmermann ausdrücklich genannte und als nicht überplaceboid wirksam (sein könnend) kritisierte Präparat "Meditonsin", das zwar homöopathisch verdünnte aber eben noch nachweisbare und damit (potentiell) wirksame Bestandteile in D5 und D8 enthält (Aconitinum D5, Atropinum sulfuricum D5 und Mercurius cyanatus D8). Zu sagen, das Präparat "Meditonsin" sei über den Placeboeffekt hinausgehend nicht wirksam, kann insofern als falsche (und damit geschäftsschädigende) Tatsachenbehauptung gewertet und beklagt werden. Es steht deshalb zu befürchten, dass die Fa Pütter GmbH, die Meditonsin herstellt und vertreibt, gerichtlich dagegen vorgehen wird.
Dringend ratsam wäre es insofern, künftig ausdrücklich und proaktiv auf den Unterschied zwischen niedrig-(<D12) und hochverdünnten (>D12) Homöopathika hinzuweisen, um der Homöopathenindustrie keine unnötige Angriffsfläche zu bieten.
CnndrBrbr am Permanenter Link
"Die pauschale Aussage "Homöopathie wirkt nicht überplaceboid" ist deshalb falsch (und damit einklagbar)"
Nein.
Die Aussage, daß Homöopathie unwirksam ist, ist NICHT falsch, weil Homöopathie sich nicht beschränkt auf schwach verdünnte, vielleicht doch wirkende Mittel.
- Homöopatie basiert 1. auf der grundsätzlichen Absage an Wirksamkeitsprüfungen, daher ist es gerechtfertigt, jede nicht belegte "Wirkung" als unwirksam zu bezeichnen, und
- 2. ist Homöopathie in einen knappen Satz zusammenfaßbar:
d/dt c ~ -log(c)
Homöopathie postuliert, daß die Wirksamkeit (Reaktionsgeschwindigkeit d/dt c) einer Substanz c mit steigender Verdünnung (-log c) zunimmt (~).
Diese chemische Reaktionskinetik hat 3 schwere Fehler.
1. Diese Reaktionskinetik hat eine Singularität (Unendlich starke Wirkung bei nicht vorhandener Substanz c = 0)
2. Diese Reaktionskinetik ist theoretisch nicht konstruierbar
3. Diese Reaktionskinetik wurde noch nie beobachtet
Homöopathie ist das ganz einfache und simple Prinzip
d/dt c ~ -log(c)
und damit unwirksam.
Valentin am Permanenter Link
Hat die Firma Pütter unter wissenschaftlich haltbaren Methoden belegt, dass Meditonsin die angepriesene Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus hat?
Es geht nicht darum, dass sie "einen Effekt haben könnte, weil noch Moleküle vorhanden sind", sondern darum, dass ein Effekt nicht nachgewiesen wurde.
Sergey am Permanenter Link
Zunächst einmal bin ich weder Jurist noch Mediziner. Haben Sie da einschlägige Ausbildung oder wie kommen Sie zu Ihren Schlüssen?
Nur weil in Potenzen <D12 die ursprüngliche Substanz nachweisbar ist, heißt es ja nicht dass diese auch eine Wirkung entfaltet. Insofern bleibt die Aussage, "Homöopathie wirkt nicht überplaceboid" richtig.
Von Terra X gibt es das Video "Homöopathie im Eigenbau – was kommt raus? | Mai Thi Nguyen-Kim" und es geht um Arsen in D6- Globoli. Die Aussage ist, dass man fast alle in Homöopathie eingestzte Stoffe eh durch Essen, Trinken und Atmen aufnimmt.
Bei Psiram wird D6 als im allgemeinen kritische Potenz angegeben.
Und wenn Meditonsin nun tatsächlich über Placeboeffekt eine Wirkung haben soll, und der Hersteller klagt. Dann müsste es doch für den Hersteller ein leichtes sein, diese Wirkung durch klinische Studien zu belegen.
Dringend ratsam wäre es insofern bei vor allen homöopatischen Mitteln zu warnen. Da sie im besten fall nur Placebos sind (>= D6) und im schlimmsten Fall giftig.
Mojo am Permanenter Link
Was meinen Sie mit einklagbar? Wenn ich jetzt sage, dass Speiseeis eine kritische Menge an Zucker enthält, kommt Schöller um die Ecke und klagt mich zu Tode? Und das nur, weil es auch Sorten ohne Zucker gibt?
Norbert Aust am Permanenter Link
Herr Goldner, rechnen Sie mal nach, wieviel Wirkstoff man einnimmt, wenn man D2 oder C1 potenzierte Mittel als Globuli nach Verordnung einnimmt.
Hilfestellung:
15 Globuli pro Tag sind etwa 120 mg Zucker
Darauf wurde im Verhältnis 1 : 100 Lösung aufgebracht: macht 1,2 mg
Die enthält 1 : 100 verdünnte Urtinktur: macht 12 µg
Die Frage nach dem Wirkstoffanteil bei pflanzlichem oder tierischem Ausgangsmaterial lasse ich jetzt mal weg.
Welche Wirkung entfalten 12 µg Speisesalz oder Kalk oder Arsen oder Apis mellifica oder oder oder ... pro Tag?
Ulli Maas am Permanenter Link
Ich stimme Ihnen zu, Herr Goldner, dass es sinnvoll ist, Aussagen über die Placebo-Natur sogenannter homöopathischer Arzneien vom Potenzierungs- oder besser Verdünnungsgrad abhängig zu machen.
Andererseits ist das aber auch nur eine Verbeugung vor der absurden Situation, dass die Homöopathie, deren Konzept im Grunde doch darin besteht, die geistartige Wirkung der Arzneien von der stofflichen Gegenwart der „Ursubstanz“ zu trennen (was, im Hinblick auf das Sammelsurium an toxischen Substanzen, die im homöopathischen Schatzkästchen zu finden sind, eine der wenigen gute Ideen Hahnemanns war), nun aber mit den in den tiefsten Tiefpotenzen noch zu findenden marginalen Rest von eventuell auch pharmakologisch wirkenden Substanzen rechtfertigt werden soll.
Die Spitzfindigkeit, auf Tiefpotenzen zu verweisen, mit denen möglicherweise messbare physiologische Effekte erzeugt werden können, bleibt aber eben nur Spitzfindigkeit, weil die Hahnemannsche Lehre doch ganz anders aussieht, denn dem großen Meister ging es doch letztlich nur um die „Dynamis“.
Im Organon kann man es nachlesen:
"Die homöopathische Heilkunst entwickelt zu ihrem besondern Behufe die innern, geistartigen Arzneikräfte der rohen Substanzen, mittels einer ihr eigenthümlichen, bis zu meiner Zeit unversuchten Behandlung, zu einem, früher unerhörten Grade, wodurch sie sämmtlich erst recht sehr, ja unermeßlich – durchdringend wirksam und hülfreich werden (…)"
"Diese im innern Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft, Menschenbefinden umzuändern und daher Krankheiten zu heilen, ist an sich auf keine Weise mit bloßer Verstandes-Anstrengung erkennbar; bloß durch ihre Aeußerungen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen, läßt sie sich in der Erfahrung, und zwar deutlich wahrnehmen. (...)"
1801 erklärte der große Meister bezüglich eines Mittels gegen Scharlachfieber, dass kleine Arzneigaben »nicht atomisch, sondern bloß dynamisch wirken« und zwar umso stärker, je größer die Empfindlichkeit des Kranken sei.
1821 hatte Hahnemann, zum Ende seiner Zeit in Leipzig, sein Credo verkündet, nach welchem jede Substanz umso arzneikräftiger wirkt, je weiter man sie durch Verdünnen, Verreiben und Verschütteln "entstofflicht".
Einige wenige Jahre später ist das „Potenzieren“ zur Entwicklung der Arzneikraft zur überwertigen Idee avanciert: die Vorstellung, dass schrittweises Verdünnen, Verschütteln oder Verreiben von Arzneimitteln, die vorher an die Materie gebundenen Arzneikräfte freisetzt und entfaltet. Eine C60-Verdünnung sei „nicht etwa schwächer an Kraft als die minder verdünnten“, sondern „an arzneilicher Wirkung eher stärker und stärker geworden“.
Hahnemanns Homöopathie, „die“ Homöopathie, ist, das zeigt die Geschichte der Hahnemannschen Verordnungspraxis, untrennbar mit der Entwicklung des Konzepts der Loslösung geistartige Kraft von deren materiellen Ursprüngen verbunden. Jenseits des homöopathischen Parallel-Universums kann man diese Entwicklung auch als Weg von der Drecksapotheke zum Placebo ansehen – was zu Hahnemanns Zeiten sicher nicht der schlechteste Weg war.
Wenn jetzt Big Player des Zuckerkugelbusiness auf die Idee kommen, die Homöopathie zu stofflich wirkender Pharmazie zu erklären, dann darf man diesen beruhigt vorwerfen, Hahnemanns Lehre sträflich zu ignorieren - oder aber etwas anderes als Homöopathie zu betreiben.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Dem widerspreche ich entschieden.
Die fehlende spezifische Unwirksamkeit der Homöopathie macht sich nicht allein an den - zweifellos unsinnigen - Hochpotenzen fest. Dies ist nur der "augenfälligste" Teil des homöopathischen Gebäudes, an dem sich die Kritik festmacht und leicht vermittelbar ist.
Noch vor dem Potenzierungsprinzip sind die weiteren Säulen des homöopathischen Gedankenkonstrukts zu betrachten: Das Ähnlichkeitsprinzip und die Arzneimittelprüfung am Gesunden.
Ein Ähnlichkeitsprinzip, so wie es Hahnemann als elementare Grundlage seiner Homöopathie postulierte, existiert nicht. Es ist ein Relikt "magischen Denkens", parallel laufend mit vorwissenschaftlichen vitalistischen und anthropozentrischen Vorstellungen, das in der gesamten pharmakologischen Forschung keine Bestätigung gefunden hat. Es gibt keine Substanzen, die in der Lage sind, Krankheiten zu heilen, die sie bei Gesunden auslösen. Vor allem gibt es sie nicht als systematisches Phänomen, das für eine Arzneimitteltherapie nutzbar gemacht werden könnte. Bereits damit ist die Homöopathie als spezifische Arzneimitteltherapie gescheitert. Die "Gründungslegende" der Homöopathie, der Chinarindenversuch, aus dem Hahnemann seine Gedankenkette zum Simileprinzip erschloss, gilt heute als Irrtum und konnte in 200 Jahren - bereits zu Hahnemanns Lebzeiten - niemals repliziert werden. Damit ist bereits mehr als nur die Axt an die Wurzel der Homöopathie gelegt.
Dies wird auch nicht geheilt durch die Arzneimittelprüfung am Gesunden, die ja ihrersetis bereits die Gültigkeit des Simileprinzips voraussetzt - und infolge dessen Invalidität schon systemisch scheitern muss. Zwangsläufig ist die Arzneimittelprüfung völlig subjektiv und ausufernd, dass objektive Rückschlüsse auf reproduzierbare arzneiliche Wirkungen nicht möglich sind. Die Auswertung von Arzneimittelprüfungen ist klassische Rosinenpickerei. Man sieht dies an den ständig weiter anschwellenden Repertorien, an der fast unendlichen Anzahl von Variablen, mit denen die Homöopathie hier umgeht - und systematische Selbsttäuschung betreibt. Abgesehen davon, dass es eine Unzahl teils sich widersprechender Repertorien gibt, die jedem Ansatz von Objektivität und Nachvollziehbarkeit Hohn sprechen. Ein Fall für ein großes Ockhams Razor!
Damit streiten bereits zwei Widerlegungen zweier Grundprinzipien gegen eine spezfische Wirkung von Homöopathie, bevor überhaupt - als drittes "Standbein" - die Potenzierung ins Spiel kommt. Insofern ist sie eigentlich obsolet. Schauen wir uns aber die sogenannten Tiefpotenzen einmal an. Zum einen fehlt ihnen aufgrund der beiden bereits widerlegten fehlgehenden Grundannahmen, nach denen die Stoffe "ausgesucht" wurden, jeder Beleg einer Spezifität, der Eignung für eine bestimmte Indikation - eine solche wird ihr im unsinnigen "Binnenkonsens" lediglich "zugesprochen" - eine auf Eminenz, nicht auf Evidenz beruhende "Entscheidung". Dies gilt sowohl für registrierte als auch für "zugelassene" Homöopathika - auch die "Zulassung" fällt in den Bereich des Binnenkonsens und entbehrt deshalb der Intersubjektivität, einer Grundvoraussetzung wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns.
Es kommt jedoch noch mehr dazu. Immer wieder wird die "Wirksamkeit" (aka "irgendeine" Wirksamkeit, das sei nochmals betont) von Tiefpotenzen beschworen, aber durchweg völlig überschätzt. Insbesondere bei pflanzlichen Urstoffen müsste bereits von der Ursubstanz eine nennenswerte Menge eingenommen werden, um eine pharmakologische Wirkung zu erzielen. Was die toxischen Stoffe angeht, so sind diese unterhalb (oder auch oberhalb, je nach Sichtweise) von D3/D4 "zulassungspflichtig" - aus Sicherheitsgründen, ja, weil sie eben eine toxische Wirkung auslösen können. Was aber bereits von einer D1-Verdünnung pharmakologisch zu halten ist, darüber gibt der Artikel "Tiefpotenzen" im wissenschaftlichen Online-Lexikon Homöopedia interessante Auskunft:
http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Tiefpotenzen
Fazit: Alle drei Grundprinzipien der Homöopathie haben keine Geltung, so dass eigentlich eine Diskussion über eine "Wirksamkeit" von Tiefpotenzen obsolet ist. Auf keinen Fall ist es möglich, aus den Tiefpotenzen herauszukonstruieren, die Aussage, Homöopathie (nicht Homöopathika) wirken nicht über Placebo hinaus, sei unzutreffend. Diese Aussage von Dr. Grams war ja schließlich auch nicht auf das Potenzierungsprinzip, sondern auf das gesamte unsinnige Konstrukt der Homöopathie bezogen, das an mehr als einer Stelle widerlegt ist und die Aussage rechtfertigt, dass ihr eine spezifische arzneiliche Wirkung nicht zuzusprechen ist - gleicchbedeutend mit der Aussage, sie wirke nicht über Placebo hinaus. Ersichtlich eine Aussage, die auf die wissenschaftliche Gesamtschau auf die Homöopathie rekurriert.
Claudia am Permanenter Link
Sie würden also bedenkenlos ein homöopathisches Arsenicum Album-Präparat in der Potenz D1 einnehmen - wird häufig verschrieben -, nur weil die dahinterstehende Auffassung über dessen Wirksamkeit nicht tragfähig ist?
Elke am Permanenter Link
„die fehlende spezifische Unwirksamkeit“ ist wohl nicht das, was der Kommentar von Udo Endruscheit mit der doppelten Verneinung ausdrücken möchte, der Rest des Kommentars scheint aber genau so wenig durchdacht zu sein
Zunächst einmal geht der Kommentar von Postulaten aus, die als Fakten dargestellt werden. Ein Wissenschaftler wie Stephen Hawking hat dazu gesagt: „Der größte Feind des Wissens ist nicht die Unwissenheit - es ist die Illusion, wissend zu sein.“
Die Definition eines homöopatischen Arzneimittels findet man im AMG in § 4(26). Da steht nichts von Potenzierung oder dem Ähnlichkeitsprinzip. Ohne homöopathische Arzneimittel gibt es keine Homöopathie. Nur das Arzneimittel kann gegen Placebo verglichen werden, nicht die Therapie.
Gegen das Organon kann man Argumente vorbringen, muss dabei aber berücksichtigen, dass die Wortwahl aus der damaligen Zeit stammt und auch Weingeist nicht Geister im Wein meint. Wenn man noch früher glaubte, dass die Götter Blitze werfen, ist das aus heutiger Sicht natürlich Quatsch. Aber Blitze gibt es trotzdem, auch heute noch. Die Argumentation erinnert ein bisschen an: „Weil es keine Götter gibt, kann es auch keine Blitze geben.“
Inzwischen gibt es weitere Deutungen und tatsächlich sehr viele klinische Doppelblindprüfungen, die eine Überlegenheit von homöopathischen Arzneimitteln gegenüber Placebo belegen.
Die Tiefpotenzen beginnen mit der Urtinktur und die ist nahezu identisch mit entsprechenden pflanzlichen Zubereitungen. Die häufigsten Zutaten zu Mischungen in Komplexmitteln sind Urtinkturen von Weißdorn und Echinacea, die bei der gleichen Indikation angewendet werden, wie in der Phytotherapie, nämlich bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei grippalen Infekten.
Bis einschließlich D6 findet man das Prinzip der Hormesis (Calabrese, Ristow, zitiert in Friebe: Das Prinzip der Widerstandskraft). Sowohl Naturheilkunde als auch Sport setzt auch heute noch sehr erfolgreich Reize, die zu einer Anpassung führen. Oft physikalische Reize, aber auch chemische Reize, die in geringer Dosis durch Adaption zu einem Umkehreffekt führen.
Das „Gedankenkonstrukt“ von Hahnemann ist in seiner Zeit entstanden und sollte die tatsächlich beobachtete Wirkung deuten („Blitze“). Als Toxikologe entwickelte Hahnemann die erste verlässliche Analysenmethode, die gerichtsverwertbare Ergebnisse lieferte (Hahnemannsche Weinprobe). Das brachte ihn sicher auch auf die Idee, systematische Untersuchungen mit Giften an gesunden Menschen durchzuführen, die er in Verdünnungen einsetzte, die als ungiftig galten. Durch Dokumentation der minimalsten Veränderungen wurden die Mittel dann bei entsprechenden Symptomen anwendbar. Das dann Homöopathie zu nennen ist Hahnemanns Verdienst. Das Simile-Prinzip ist schon sehr viel älter und wird auch heute z.B. beim Impfen genutzt. Objektiv betrachtet ist eine Impfung der Homöopathie sehr viel näher als die pharmakologische Medizin.
Mein Name am Permanenter Link
Ich gebe Ihnen aus juristischer Sicht Recht.
Allerdings halte ich das Risiko, dass der Hersteller von Meditonsin gegen Böhmermann vorgeht, für sehr gering.
Der Streisand-Effekt ist mächtig....
MartinT am Permanenter Link
Naja, zu Meditonsin fehlen die Klinischen Studien, es gibt also keinen verläßlichen Nachweis.
Hackethal am Permanenter Link
Bei der Verwendung von pflanzlichen Rohstoffen, beispielsweise Aconit', Belladonna, Veratrum album oder Strychnin, nennt man in der Homöopathie Urtinkturen bis hin zur D4-Potenz auch „Phytotherapie“.
Tiefpotenzen werden vielfach für akute Erkrankungen empfohlen. Und in der Hand von wenig erfahrenen Therapeuten seien Arzneitherapien mit Tiefpotenzen in kurzer Zeit zu erlernen. Zimmermann schreibt, es erscheine richtig, dass niedrige Potenzen einen Hauptangriff auf die ihnen verwandten Symptome und Organe machten und sich auf diese beschränkten. Die höheren Potenzen dagegen ergriffen mehr den totalen Organismus und stimmten ihn um, sodass die feinen Eigentümlichkeiten des Individuums zutage träten.[15]
Interessant ist an dieser Stelle, dass im Gegensatz dazu von anderen Autoren wie Norbert Galatzer Hochpotenzen für akute Erkrankungen empfohlen werden:
Ich will vorausschicken, daß die Hauptdomäne der Behandlung mit Hochpotenzen (C30, C200 [Korsakoff], 1000, 10.000 usf.) bei den akuten Krankheiten zu suchen ist.
Tiefpotenzen finden ihre Anwendung bei lokalen, organbezogenen Erkrankungen. Erstverschlimmerungen seien bei der Gabe von Tiefpotenzen seltener zu erwarten als bei der Gabe von Hochpotenzen. Außerdem dürfen Tiefpotenzen häufig und in kurzen Zeitabständen wiederholt gegeben werden.
Bezüglich der Tiefpotenzen (bis D12) schreibt der schweizer homöopathische Arzt und Publizist Adolf Voegeli (1898–1993):
In diesem Bereich ist die therapeutische Wirkung verhältnismäßig schwach. Darauf beruht wohl die Tatsache, daß man das Medikament in diesen Potenzen fast in jeder beliebigen Menge flüssig oder auch fest geben und sozusagen nach Belieben wiederholen lassen kann. Man kann also von diesen Potenzen sowohl 3mal pro Tag 2 Tabl. geben als auch mit 1 Tropfen der Potenz 200 Streukügelchen befeuchten und davon täglich eins verabreichen. Ferner kann man diese Tiefpotenzen auch in flüssiger Form verabreichen, das Medikament bei jedem Einnehmen erneut schütteln lassen, was zur Folge hat, daß die Potenz von einer Dosis zur andern stets um etwas verändert wird.
Die Entscheidungskriterien für die Potenzwahl sind offenbar abhängig vom Anwender. Das gilt es DEUTLICH zu unterscheiden. In diesen Bereichen ist sehr wohl nachweislich Wirkstoff enhalten und dieser kann zielgerichtet therapeutisch eingesetzt werden.
M. S. am Permanenter Link
Ja, BITTE. Ganz besonders würde ich mir wünschen, dass die Anwendung von H. in Krankenhäusern OHNE Information der Patienten aufhört.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"dass Homöopathie für eine wirksame medizinische Methode ausgegeben wird", ist eine intellektuelle Bankrotterklärung.
Gärtner am Permanenter Link
hallo miteinander. Ich habe meine Sozialisierung in der DDR erfahren.
Thomas Baader am Permanenter Link
Hier hat Böhmermann definitiv einen Treffer.