Bremischer Staatskirchenfilz konkret

Abgeordnete gehen vor der Bürgerschaftssitzung beten

"Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt." So lautet Artikel 59 Satz 1 der Bremischen Landesverfassung. Die Realität ist eine andere.

Am 3. Juli trat das Landesparlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen und ca. eine Stunde zuvor fand der ökumenische Gottesdienst "An ge dacht" um 8:45 Uhr in der "Liebfrauenkirche", 100 Meter vom Landtag entfernt, statt.

In der Einladung ist vermerkt, dass Andachten zukünftig vor jeder Bürgerschaftswoche einmal im Monat stattfinden werden.

Die Einladung an alle Bürgerschaftsabgeordneten stammt von Pastorin Jeanette Querfurth und ging per Mail an die bis zum 3. Juli amtierende Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) mit der Bitte um Weiterleitung.

Diese wiederum verschickte die Einladung an alle Abgeordneten unabhängig von der Kenntnis ihrer Religionszugehörigkeit.

Zur Verdeutlichung: Die Bürgerschaftspräsidentin, oberste Repräsentantin des Bremischen Staates, verschickt die Einladung der "vom Staate getrennten Kirchen" an die gewählten Abgeordneten, die wiederum die zentrale politische Instanz sind. Trennung von Staat und Kirche? Hier wird deutlich, dass davon nicht die Rede sein kann.

Wer ist Jeanette Querfurth und welches Ziel hat diese Einladung?

Jeanette Querfurt ist Beauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Ihre Pastorenstelle teilt sich auf in die kirchliche Lobbyarbeit zur Beeinflussung der Parlamentsmitglieder (Kontakte zu Bürgerschaft und Senat) und die Organisation der Übertragungen von Andachten und Predigten der Bremischen Evangelischen Kirche im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Radio Bremen).

Klassischerweise würde man sie in anderen Zusammenhängen als Lobbyistin bezeichnen. Frau Querfurt hat es da einfacher. Sie kann an die Religiosität vieler Abgeordneter anknüpfen und über Religion und Gebet an die Abgeordneten herankommen, Kontakte knüpfen und kirchliche Positionen pflegen und so letztlich die Privilegien der Kirche sichern.

Die beiden Kirchen haben in Bremen viel zu verlieren.

Der Staat teilt ihnen mit, welches Schäfchen mit katholischer Taufe aus Polen, Passau oder Kroatien nach Bremen gezogen ist und treibt die Kirchensteuer ein. Neue kirchliche Kindergärten und Sozialeinrichtungen – die nicht aus Kirchensteuern, sondern aus allgemeinen staatlichen Steuern aller Bürger finanziert werden – bedürfen der Zustimmung diverser Gremien der Bürgerschaft. Man kennt sich ja, da geht vieles leichter. Dank der unermüdlichen Lobby-Arbeit der Kirchen.

Wenn kirchliche Grünflächen kostenlos von Stadtgrün gemäht, Religionslehrer vom Staat bezahlt, aber in den Einrichtungen der evangelischen Kirche ausgebildet und damit indoktriniert werden, Körperschafts- und Grundsteuer für die Kirchen ein Fremdwort sind, weil sie von diesen Verpflichtungen ausgenommen wurden, lohnt die intensive Kontaktpflege, um diese Privilegien nicht zu verlieren.

Ca. 200 Millionen Euro fließen so in jedem Jahr aus den allgemeinen Bremischen Steuereinnahmen – nicht aus der Kirchensteuer! – an die diversen Einrichtungen der Kirchen.

In die Kirche gehen kann jede/r. Auch Abgeordneten steht es frei, vor, nach oder auch während der Sitzungen den Lieblingstempel ihres/seines Glaubens zu besuchen.

Aber die institutionalisierte Verbindung von Staat und Kirche sind eher ein Relikt aus dem Mittelalter, als die Krönung von Staatsoberhäuptern noch den Bischöfen und Päpsten vorbehalten war. Heute ist es immerhin noch die Andacht vor den Parlamentssitzungen.

Die CDU-Fraktion war fast vollständig erschienen. Aber auch aus den anderen Fraktionen waren sie gekommen. Ja selbst ein "Linker" fühlte sich zur Teilnahme verpflichtet.

Trennung von Kirche und Staat geht anders.