HVD Niedersachsen fordert Humanistische Beratung

Auricher Erklärung

Am 29. Juni 2019 hat sich der Landesvorstand des Humanistischen Verbandes Niedersachsen, K. d. ö. R., eine Erklärung zur Einführung Humanistischer Beratung und Seelsorge zu eigen gemacht, die zuvor auf einer Bildungstagung in Aurich verfasst wurde:

"Wir TeilnehmerInnen des 110. Bildungswochenendes des HVD Regionalverbandes Weser-Ems mit dem Titel 'Sinnfindung in der Krise: Humanismus, Trost, Bewältigung' haben uns vom 15. bis 16. Juni in Aurich intensiv mit der Thematik humanistischer Beratung und Seelsorge auseinandergesetzt.

Die Monopolstellung der Religionsgemeinschaften im Tätigkeitsfeld der Seelsorge in Krankenhäusern, der Justiz, bei der Polizei, im Rettungswesen und in der Bundeswehr halten wir für nicht hinnehmbar.

Wir sehen den Humanistischen Verband Deutschlands in der Verantwortung, diese Ungerechtigkeit gegenüber nichtreligiösen und humanistisch eingestellten Menschen zu beseitigen.

Angesichts der jüngsten Entscheidungen der Verteidigungsministerin, mit jüdischen und muslimischen Gemeinschaften Verträge über jeweils eigene SeelsorgerInnen und die Beteiligung am so genannten lebenskundlichen Unterricht abzuschließen, fordern wir den HVD Bundesverband auf, sich jetzt für die Einführung Humanistischer BeraterInnen/SeelsorgerInnen in der Bundeswehr einzusetzen.

Es ist wichtig, diese historische Chance zur Gleichstellung nichtreligiöser Menschen zu nutzen."

Am Wochenende vom 15. auf den 16. Juni hatte der Regionalverband Weser-Ems im Humanistischen Verband Niedersachsen zu einem seiner zwei Mal jährlich stattfindenden Bildungswochenenden eingeladen. Als ReferentInnen zum Themenbereich Humanistische Beratung und Seelsorge konnten Gita Neumann und Christian Lisker vom HVD Berlin-Brandenburg gewonnen werden. Am Schluss der Tagung wurde die oben stehende Erklärung von den 25 TeilnehmerInnen verabschiedet.

Hintergrund:

Im Tagesbefehl zur Weiterentwicklung der Militärseelsorge vom 2. April 2019 scheint Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den religiös-weltanschaulichen Wandel in der Deutschen Gesellschaft und in der Bundeswehr anzuerkennen: "Waren bei der Einführung der Militärseelsorge noch 98 Prozent der Soldatinnen und Soldaten Angehörige der christlichen Kirchen, sind es heute nur noch etwa die Hälfte."

Daher wolle sie die Militärseelsorge innerhalb der Bundeswehr erweitern und habe entschieden, eine jüdische Seelsorge in der Bundeswehr einzurichten. Auch für die Muslime in der Bundeswehr soll ein geistliches Angebot geschaffen werden. Sie sei stolz darauf, "dass die Bundeswehr die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt. Die Erweiterung der Militärseelsorge trägt den Veränderungen in unserer Gesellschaft und in unseren Streitkräften Rechnung." (Quelle, abgerufen am 21.6.2019)

Was sie nicht explizit sagt, ist, dass etwa die Hälfte der Bundeswehrangehörigen konfessionsfrei ist und zumindest ein signifikanter Teil von ihnen der weltlich-humanistischen Weltanschauung zuzurechnen ist.

Von derzeit knapp 182.000 aktiven SoldatInnen wird die Hälfte von 74 katholischen und 92 evangelischen Militärgeistlichen betreut. Laut Sachstandsbericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages sind von den anderen, etwa 90.000 SoldatInnen, derzeit schätzungsweise zwischen 1.200 und 2.000 muslimischen und zwischen 200 und 300 jüdischen Glaubens. (Quelle: Die Militärgeistlichkeit in der Bundeswehr Grundlagen, Organisation und die Einbeziehung der Militärrabbiner sowie Geistlicher anderer Religionen Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 034/19)

Die Zentrale Dienstvorschrift A-2600/1 legt in ihren Nr. 670 und 674 fest: "Alle Soldatinnen und Soldaten haben einen gesetzlichen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung. … In der Bundeswehr sind Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit für alle Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften gewährleistet."

Die humanistische Soldatenbetreuung ist bereits in der belgischen, niederländischen und norwegischen Armee etabliert.

Erstveröffentlichung auf der Webseite des Verbandes.